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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
andere? Der Poststempel war nicht deutlich zu
lesen, und das "Sr. Wohlgeboren Herrn Baron von
Innstetten" bezeugte eine glückliche Unvertrautheit
mit den landesüblichen Titulaturen. Dem entsprachen
auch die Schriftzüge von sehr primitivem Charakter.
Aber die Wohnungsangabe war wieder merkwürdig
genau: W. Keithstraße 1c, zwei Treppen hoch.

Innstetten war Beamter genug, um den Brief
von ,Exzellenz' zuerst zu erbrechen. "Mein lieber
Innstetten! Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu
können, daß Seine Majestät Ihre Ernennung zu
unterzeichnen geruht haben und gratuliere Ihnen auf¬
richtig dazu." Innstetten war erfreut über die liebens¬
würdigen Zeilen des Ministers, fast mehr als über
die Ernennung selbst. Denn was das Höherhinauf¬
klimmen auf der Leiter anging, so war er seit dem
Morgen in Kessin, wo Crampas mit einem Blick,
den er immer vor Augen hatte, Abschied von ihm
genommen, etwas kritisch gegen derlei Dinge geworden.
Er maß seitdem mit anderem Maße, sah alles anders
an. Auszeichnung, was war es am Ende? Mehr
als einmal hatte er, während der ihm immer freud¬
loser dahin fließenden Tage, einer halb vergessenen
Ministerialanekdote aus den Zeiten des älteren Laden¬
berg her, gedenken müssen, der, als er nach langem
Warten den roten Adlerorden empfing, ihn wütend

Effi Brieſt
andere? Der Poſtſtempel war nicht deutlich zu
leſen, und das „Sr. Wohlgeboren Herrn Baron von
Innſtetten“ bezeugte eine glückliche Unvertrautheit
mit den landesüblichen Titulaturen. Dem entſprachen
auch die Schriftzüge von ſehr primitivem Charakter.
Aber die Wohnungsangabe war wieder merkwürdig
genau: W. Keithſtraße 1c, zwei Treppen hoch.

Innſtetten war Beamter genug, um den Brief
von ‚Exzellenz‘ zuerſt zu erbrechen. „Mein lieber
Innſtetten! Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu
können, daß Seine Majeſtät Ihre Ernennung zu
unterzeichnen geruht haben und gratuliere Ihnen auf¬
richtig dazu.“ Innſtetten war erfreut über die liebens¬
würdigen Zeilen des Miniſters, faſt mehr als über
die Ernennung ſelbſt. Denn was das Höherhinauf¬
klimmen auf der Leiter anging, ſo war er ſeit dem
Morgen in Keſſin, wo Crampas mit einem Blick,
den er immer vor Augen hatte, Abſchied von ihm
genommen, etwas kritiſch gegen derlei Dinge geworden.
Er maß ſeitdem mit anderem Maße, ſah alles anders
an. Auszeichnung, was war es am Ende? Mehr
als einmal hatte er, während der ihm immer freud¬
loſer dahin fließenden Tage, einer halb vergeſſenen
Miniſterialanekdote aus den Zeiten des älteren Laden¬
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[501/0510] Effi Brieſt andere? Der Poſtſtempel war nicht deutlich zu leſen, und das „Sr. Wohlgeboren Herrn Baron von Innſtetten“ bezeugte eine glückliche Unvertrautheit mit den landesüblichen Titulaturen. Dem entſprachen auch die Schriftzüge von ſehr primitivem Charakter. Aber die Wohnungsangabe war wieder merkwürdig genau: W. Keithſtraße 1c, zwei Treppen hoch. Innſtetten war Beamter genug, um den Brief von ‚Exzellenz‘ zuerſt zu erbrechen. „Mein lieber Innſtetten! Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, daß Seine Majeſtät Ihre Ernennung zu unterzeichnen geruht haben und gratuliere Ihnen auf¬ richtig dazu.“ Innſtetten war erfreut über die liebens¬ würdigen Zeilen des Miniſters, faſt mehr als über die Ernennung ſelbſt. Denn was das Höherhinauf¬ klimmen auf der Leiter anging, ſo war er ſeit dem Morgen in Keſſin, wo Crampas mit einem Blick, den er immer vor Augen hatte, Abſchied von ihm genommen, etwas kritiſch gegen derlei Dinge geworden. Er maß ſeitdem mit anderem Maße, ſah alles anders an. Auszeichnung, was war es am Ende? Mehr als einmal hatte er, während der ihm immer freud¬ loſer dahin fließenden Tage, einer halb vergeſſenen Miniſterialanekdote aus den Zeiten des älteren Laden¬ berg her, gedenken müſſen, der, als er nach langem Warten den roten Adlerorden empfing, ihn wütend

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 501. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/510>, abgerufen am 24.11.2024.