aber die eigentlichen Don Juans erweisen sich jedes¬ mal als eine Enttäuschung. Wo soll es am Ende auch herkommen." Das waren so Weisheitssätze, die zwischen den zwei Freundinnen ausgetauscht wurden.
Die Zwicker war schon auf dem zweiten Bogen und fuhr in ihrem mehr als dankbaren Thema, das natürlich "Effi" hieß, eben wie folgt fort: "Alles in allem war sie sehr zu leiden, artig, anscheinend offen, ohne jeden Adelsdünkel (oder doch groß in der Kunst, ihn zu verbergen) und immer interessiert, wenn man ihr etwas Interessantes erzählte, wovon ich, wie ich Dir nicht zu versichern brauche, den ausgiebigsten Gebrauch machte. Nochmals also, reizende junge Frau, fünfundzwanzig oder nicht viel mehr. Und doch hab' ich dem Frieden nie getraut und traue ihm auch in diesem Augenblicke noch nicht, ja, jetzt vielleicht am wenigsten. Die Geschichte heute mit dem Briefe -- da steckt eine wirkliche Geschichte da¬ hinter. Dessen bin ich so gut wie sicher. Es wäre das erste Mal, daß ich mich in solcher Sache geirrt hätte. Daß sie mit Vorliebe von den Berliner Mode¬ predigern sprach und das Maß der Gottseligkeit jedes einzelnen feststellte, das, und der gelegentliche Gretchen¬ blick, der jedesmal versicherte, kein Wässerchen trüben zu können -- alle diese Dinge haben mich in meinem Glauben ... Aber da kommt eben unsere Afra, von
Effi Brieſt
aber die eigentlichen Don Juans erweiſen ſich jedes¬ mal als eine Enttäuſchung. Wo ſoll es am Ende auch herkommen.“ Das waren ſo Weisheitsſätze, die zwiſchen den zwei Freundinnen ausgetauſcht wurden.
Die Zwicker war ſchon auf dem zweiten Bogen und fuhr in ihrem mehr als dankbaren Thema, das natürlich „Effi“ hieß, eben wie folgt fort: „Alles in allem war ſie ſehr zu leiden, artig, anſcheinend offen, ohne jeden Adelsdünkel (oder doch groß in der Kunſt, ihn zu verbergen) und immer intereſſiert, wenn man ihr etwas Intereſſantes erzählte, wovon ich, wie ich Dir nicht zu verſichern brauche, den ausgiebigſten Gebrauch machte. Nochmals alſo, reizende junge Frau, fünfundzwanzig oder nicht viel mehr. Und doch hab' ich dem Frieden nie getraut und traue ihm auch in dieſem Augenblicke noch nicht, ja, jetzt vielleicht am wenigſten. Die Geſchichte heute mit dem Briefe — da ſteckt eine wirkliche Geſchichte da¬ hinter. Deſſen bin ich ſo gut wie ſicher. Es wäre das erſte Mal, daß ich mich in ſolcher Sache geirrt hätte. Daß ſie mit Vorliebe von den Berliner Mode¬ predigern ſprach und das Maß der Gottſeligkeit jedes einzelnen feſtſtellte, das, und der gelegentliche Gretchen¬ blick, der jedesmal verſicherte, kein Wäſſerchen trüben zu können — alle dieſe Dinge haben mich in meinem Glauben … Aber da kommt eben unſere Afra, von
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[452/0461]
Effi Brieſt
aber die eigentlichen Don Juans erweiſen ſich jedes¬
mal als eine Enttäuſchung. Wo ſoll es am Ende
auch herkommen.“ Das waren ſo Weisheitsſätze, die
zwiſchen den zwei Freundinnen ausgetauſcht wurden.
Die Zwicker war ſchon auf dem zweiten Bogen
und fuhr in ihrem mehr als dankbaren Thema, das
natürlich „Effi“ hieß, eben wie folgt fort: „Alles in
allem war ſie ſehr zu leiden, artig, anſcheinend offen,
ohne jeden Adelsdünkel (oder doch groß in der Kunſt,
ihn zu verbergen) und immer intereſſiert, wenn man
ihr etwas Intereſſantes erzählte, wovon ich, wie ich
Dir nicht zu verſichern brauche, den ausgiebigſten
Gebrauch machte. Nochmals alſo, reizende junge
Frau, fünfundzwanzig oder nicht viel mehr. Und
doch hab' ich dem Frieden nie getraut und traue
ihm auch in dieſem Augenblicke noch nicht, ja, jetzt
vielleicht am wenigſten. Die Geſchichte heute mit
dem Briefe — da ſteckt eine wirkliche Geſchichte da¬
hinter. Deſſen bin ich ſo gut wie ſicher. Es wäre
das erſte Mal, daß ich mich in ſolcher Sache geirrt
hätte. Daß ſie mit Vorliebe von den Berliner Mode¬
predigern ſprach und das Maß der Gottſeligkeit jedes
einzelnen feſtſtellte, das, und der gelegentliche Gretchen¬
blick, der jedesmal verſicherte, kein Wäſſerchen trüben
zu können — alle dieſe Dinge haben mich in meinem
Glauben … Aber da kommt eben unſere Afra, von
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 452. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/461>, abgerufen am 22.11.2024.
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