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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
der ich Dir, glaub' ich, schon schrieb, eine hübsche
Person, und packt mir ein Zeitungsblatt auf den
Tisch, das ihr, wie sie sagt, unsere Frau Wirtin für
mich gegeben habe; die blau angestrichene Stelle.
Nun verzeih', wenn ich diese Stelle erst lese ...

Nachschrift. Das Zeitungsblatt war interessant
genug und kam wie gerufen. Ich schneide die blau
angestrichene Stelle heraus und lege sie diesen Zeilen
bei. Du siehst daraus, daß ich mich nicht geirrt
habe. Wer mag nur der Crampas sein? Es ist
unglaublich -- erst selber Zettel und Briefe schreiben
und dann auch noch die des anderen aufbewahren!
Wozu giebt es Öfen und Kamine? So lange
wenigstens wie dieser Duellunsinn noch existiert, darf
dergleichen nicht vorkommen; einem kommenden Ge¬
schlechte kann diese Briefschreibepassion (weil dann
gefahrlos geworden) vielleicht freigegeben werden.
Aber so weit sind wir noch lange nicht. Übrigens
bin ich voll Mitleid mit der jungen Baronin und
finde, eitel wie man nun 'mal ist, meinen einzigen
Trost darin, mich in der Sache selbst nicht getäuscht
zu haben. Und der Fall lag nicht so ganz gewöhn¬
lich. Ein schwächerer Diagnostiker hätte sich doch
vielleicht hinters Licht führen lassen. Wie immer
Deine Sophie."


Effi Brieſt
der ich Dir, glaub' ich, ſchon ſchrieb, eine hübſche
Perſon, und packt mir ein Zeitungsblatt auf den
Tiſch, das ihr, wie ſie ſagt, unſere Frau Wirtin für
mich gegeben habe; die blau angeſtrichene Stelle.
Nun verzeih', wenn ich dieſe Stelle erſt leſe …

Nachſchrift. Das Zeitungsblatt war intereſſant
genug und kam wie gerufen. Ich ſchneide die blau
angeſtrichene Stelle heraus und lege ſie dieſen Zeilen
bei. Du ſiehſt daraus, daß ich mich nicht geirrt
habe. Wer mag nur der Crampas ſein? Es iſt
unglaublich — erſt ſelber Zettel und Briefe ſchreiben
und dann auch noch die des anderen aufbewahren!
Wozu giebt es Öfen und Kamine? So lange
wenigſtens wie dieſer Duellunſinn noch exiſtiert, darf
dergleichen nicht vorkommen; einem kommenden Ge¬
ſchlechte kann dieſe Briefſchreibepaſſion (weil dann
gefahrlos geworden) vielleicht freigegeben werden.
Aber ſo weit ſind wir noch lange nicht. Übrigens
bin ich voll Mitleid mit der jungen Baronin und
finde, eitel wie man nun 'mal iſt, meinen einzigen
Troſt darin, mich in der Sache ſelbſt nicht getäuſcht
zu haben. Und der Fall lag nicht ſo ganz gewöhn¬
lich. Ein ſchwächerer Diagnoſtiker hätte ſich doch
vielleicht hinters Licht führen laſſen. Wie immer
Deine Sophie.“


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[453/0462] Effi Brieſt der ich Dir, glaub' ich, ſchon ſchrieb, eine hübſche Perſon, und packt mir ein Zeitungsblatt auf den Tiſch, das ihr, wie ſie ſagt, unſere Frau Wirtin für mich gegeben habe; die blau angeſtrichene Stelle. Nun verzeih', wenn ich dieſe Stelle erſt leſe … Nachſchrift. Das Zeitungsblatt war intereſſant genug und kam wie gerufen. Ich ſchneide die blau angeſtrichene Stelle heraus und lege ſie dieſen Zeilen bei. Du ſiehſt daraus, daß ich mich nicht geirrt habe. Wer mag nur der Crampas ſein? Es iſt unglaublich — erſt ſelber Zettel und Briefe ſchreiben und dann auch noch die des anderen aufbewahren! Wozu giebt es Öfen und Kamine? So lange wenigſtens wie dieſer Duellunſinn noch exiſtiert, darf dergleichen nicht vorkommen; einem kommenden Ge¬ ſchlechte kann dieſe Briefſchreibepaſſion (weil dann gefahrlos geworden) vielleicht freigegeben werden. Aber ſo weit ſind wir noch lange nicht. Übrigens bin ich voll Mitleid mit der jungen Baronin und finde, eitel wie man nun 'mal iſt, meinen einzigen Troſt darin, mich in der Sache ſelbſt nicht getäuſcht zu haben. Und der Fall lag nicht ſo ganz gewöhn¬ lich. Ein ſchwächerer Diagnoſtiker hätte ſich doch vielleicht hinters Licht führen laſſen. Wie immer Deine Sophie.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/462>, abgerufen am 22.11.2024.