Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.Effi Briest ich einen glühenden Bolzen einthue, muß ich auchwirklich immer an Ihren Vater denken, und sehe immer, wie er Sie wegen des Kindes, das ja nun tot ist, tot machen will. Ja, Roswitha, davon sprechen Sie in einem fort, und es fehlt bloß noch, daß Sie Anniechen auch die Geschichte erzählen, und wenn Anniechen eingesegnet wird, dann wird sie's auch gewiß erfahren, und vielleicht denselben Tag noch; und das ärgert mich, daß Sie das alles erlebt haben, und Ihr Vater war doch bloß ein Dorfschmied und hat Pferde beschlagen oder einen Radreifen gelegt, und nun kommen Sie und verlangen von unserm gnäd'gen Herrn, daß er sich das alles ruhig gefallen läßt, bloß weil es so lange her ist. Was heißt lange her? Sechs Jahre ist nicht lange her. Und unsre gnäd'ge Frau -- die aber nicht wiederkommt, der gnäd'ge Herr hat es mir eben gesagt -- unsre gnäd'ge Frau wird erst sechsundzwanzig, und im August ist ihr Geburtstag, und da kommen Sie mir ,mit lange her'. Und wenn sie sechsunddreißig wäre, ich sage Ihnen, bei sechsunddreißig muß man erst recht auf¬ passen, und wenn der gnäd'ge Herr nichts gethan hätte, dann hätten ihn die vornehmen Leute ,ge¬ schnitten'. Aber das Wort kennen Sie gar nicht, Roswitha, davon wissen Sie nichts." "Nein, davon weiß ich nichts, will auch nicht; Effi Brieſt ich einen glühenden Bolzen einthue, muß ich auchwirklich immer an Ihren Vater denken, und ſehe immer, wie er Sie wegen des Kindes, das ja nun tot iſt, tot machen will. Ja, Roswitha, davon ſprechen Sie in einem fort, und es fehlt bloß noch, daß Sie Anniechen auch die Geſchichte erzählen, und wenn Anniechen eingeſegnet wird, dann wird ſie's auch gewiß erfahren, und vielleicht denſelben Tag noch; und das ärgert mich, daß Sie das alles erlebt haben, und Ihr Vater war doch bloß ein Dorfſchmied und hat Pferde beſchlagen oder einen Radreifen gelegt, und nun kommen Sie und verlangen von unſerm gnäd'gen Herrn, daß er ſich das alles ruhig gefallen läßt, bloß weil es ſo lange her iſt. Was heißt lange her? Sechs Jahre iſt nicht lange her. Und unſre gnäd'ge Frau — die aber nicht wiederkommt, der gnäd'ge Herr hat es mir eben geſagt — unſre gnäd'ge Frau wird erſt ſechſundzwanzig, und im Auguſt iſt ihr Geburtstag, und da kommen Sie mir ,mit lange her'. Und wenn ſie ſechsunddreißig wäre, ich ſage Ihnen, bei ſechsunddreißig muß man erſt recht auf¬ paſſen, und wenn der gnäd'ge Herr nichts gethan hätte, dann hätten ihn die vornehmen Leute ,ge¬ ſchnitten‘. Aber das Wort kennen Sie gar nicht, Roswitha, davon wiſſen Sie nichts.“ „Nein, davon weiß ich nichts, will auch nicht; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0443" n="434"/><fw place="top" type="header">Effi Brieſt<lb/></fw> ich einen glühenden Bolzen einthue, muß ich auch<lb/> wirklich immer an Ihren Vater denken, und ſehe<lb/> immer, wie er Sie wegen des Kindes, das ja nun<lb/> tot iſt, tot machen will. Ja, Roswitha, davon<lb/> ſprechen Sie in einem fort, und es fehlt bloß noch,<lb/> daß Sie Anniechen auch die Geſchichte erzählen, und<lb/> wenn Anniechen eingeſegnet wird, dann wird ſie's<lb/> auch gewiß erfahren, und vielleicht denſelben Tag<lb/> noch; und das ärgert mich, daß Sie das alles erlebt<lb/> haben, und Ihr Vater war doch bloß ein Dorfſchmied<lb/> und hat Pferde beſchlagen oder einen Radreifen gelegt,<lb/> und nun kommen Sie und verlangen von unſerm<lb/> gnäd'gen Herrn, daß er ſich das alles ruhig gefallen<lb/> läßt, bloß weil es ſo lange her iſt. Was heißt lange<lb/> her? Sechs Jahre iſt nicht lange her. Und unſre<lb/> gnäd'ge Frau — die aber nicht wiederkommt, der<lb/> gnäd'ge Herr hat es mir eben geſagt — unſre gnäd'ge<lb/> Frau wird erſt ſechſundzwanzig, und im Auguſt iſt<lb/> ihr Geburtstag, und da kommen Sie mir ,mit lange<lb/> her'. Und wenn ſie ſechsunddreißig wäre, ich ſage<lb/> Ihnen, bei ſechsunddreißig muß man erſt recht auf¬<lb/> paſſen, und wenn der gnäd'ge Herr nichts gethan<lb/> hätte, dann hätten ihn die vornehmen Leute ,ge¬<lb/> ſchnitten‘. Aber das Wort kennen Sie gar nicht,<lb/> Roswitha, davon wiſſen Sie nichts.“</p><lb/> <p>„Nein, davon weiß ich nichts, will auch nicht;<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [434/0443]
Effi Brieſt
ich einen glühenden Bolzen einthue, muß ich auch
wirklich immer an Ihren Vater denken, und ſehe
immer, wie er Sie wegen des Kindes, das ja nun
tot iſt, tot machen will. Ja, Roswitha, davon
ſprechen Sie in einem fort, und es fehlt bloß noch,
daß Sie Anniechen auch die Geſchichte erzählen, und
wenn Anniechen eingeſegnet wird, dann wird ſie's
auch gewiß erfahren, und vielleicht denſelben Tag
noch; und das ärgert mich, daß Sie das alles erlebt
haben, und Ihr Vater war doch bloß ein Dorfſchmied
und hat Pferde beſchlagen oder einen Radreifen gelegt,
und nun kommen Sie und verlangen von unſerm
gnäd'gen Herrn, daß er ſich das alles ruhig gefallen
läßt, bloß weil es ſo lange her iſt. Was heißt lange
her? Sechs Jahre iſt nicht lange her. Und unſre
gnäd'ge Frau — die aber nicht wiederkommt, der
gnäd'ge Herr hat es mir eben geſagt — unſre gnäd'ge
Frau wird erſt ſechſundzwanzig, und im Auguſt iſt
ihr Geburtstag, und da kommen Sie mir ,mit lange
her'. Und wenn ſie ſechsunddreißig wäre, ich ſage
Ihnen, bei ſechsunddreißig muß man erſt recht auf¬
paſſen, und wenn der gnäd'ge Herr nichts gethan
hätte, dann hätten ihn die vornehmen Leute ,ge¬
ſchnitten‘. Aber das Wort kennen Sie gar nicht,
Roswitha, davon wiſſen Sie nichts.“
„Nein, davon weiß ich nichts, will auch nicht;
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