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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Haar, und als man sich nach anderthalb Stunden
von Tisch erhob, wurde seitens der Penz'schen Familie
-- die leider, denselben Tag noch, Kopenhagen
wieder verlassen mußte -- die Hoffnung ausgesprochen,
das junge preußische Paar mit nächstem in Schloß
Aggerhuus (eine halbe Meile vom Limfjord) begrüßen
zu dürfen, eine Einladung, die von den Innstetten's
auch ohne langes Zögern angenommen wurde. So
vergingen die Stunden im Hotel. Aber damit war
es nicht genug des Guten an diesem denkwürdigen
Tage, von dem Effi denn auch versicherte, daß er im
Kalender rot angestrichen werden müsse. Der Abend
brachte, das Maß des Glücks voll zu machen, eine
Vorstellung im Tivoli-Theater: eine italienische Panto¬
mime, Arlequin und Colombine. Effi war wie be¬
rauscht von den kleinen Schelmereien, und als sie
spät am Abend nach ihrem Hotel zurückkehrten, sagte
sie: "Weißt Du, Geert, nun fühl' ich doch, daß ich
allmählich wieder zu mir komme. Von der schönen
Thora will ich gar nicht erst sprechen; aber wenn
ich bedenke, heute Vormittag Thorwaldsen und heute
Abend diese Colombine ..."

"... Die Dir im Grunde doch noch lieber war
als Thorwaldsen ..."

"Offen gestanden, ja. Ich habe nun 'mal den
Sinn für dergleichen. Unser gutes Kessin war ein

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Effi Brieſt
Haar, und als man ſich nach anderthalb Stunden
von Tiſch erhob, wurde ſeitens der Penz'ſchen Familie
— die leider, denſelben Tag noch, Kopenhagen
wieder verlaſſen mußte — die Hoffnung ausgeſprochen,
das junge preußiſche Paar mit nächſtem in Schloß
Aggerhuus (eine halbe Meile vom Limfjord) begrüßen
zu dürfen, eine Einladung, die von den Innſtetten's
auch ohne langes Zögern angenommen wurde. So
vergingen die Stunden im Hotel. Aber damit war
es nicht genug des Guten an dieſem denkwürdigen
Tage, von dem Effi denn auch verſicherte, daß er im
Kalender rot angeſtrichen werden müſſe. Der Abend
brachte, das Maß des Glücks voll zu machen, eine
Vorſtellung im Tivoli-Theater: eine italieniſche Panto¬
mime, Arlequin und Colombine. Effi war wie be¬
rauſcht von den kleinen Schelmereien, und als ſie
ſpät am Abend nach ihrem Hotel zurückkehrten, ſagte
ſie: „Weißt Du, Geert, nun fühl' ich doch, daß ich
allmählich wieder zu mir komme. Von der ſchönen
Thora will ich gar nicht erſt ſprechen; aber wenn
ich bedenke, heute Vormittag Thorwaldſen und heute
Abend dieſe Colombine …“

„… Die Dir im Grunde doch noch lieber war
als Thorwaldſen …“

„Offen geſtanden, ja. Ich habe nun 'mal den
Sinn für dergleichen. Unſer gutes Keſſin war ein

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[371/0380] Effi Brieſt Haar, und als man ſich nach anderthalb Stunden von Tiſch erhob, wurde ſeitens der Penz'ſchen Familie — die leider, denſelben Tag noch, Kopenhagen wieder verlaſſen mußte — die Hoffnung ausgeſprochen, das junge preußiſche Paar mit nächſtem in Schloß Aggerhuus (eine halbe Meile vom Limfjord) begrüßen zu dürfen, eine Einladung, die von den Innſtetten's auch ohne langes Zögern angenommen wurde. So vergingen die Stunden im Hotel. Aber damit war es nicht genug des Guten an dieſem denkwürdigen Tage, von dem Effi denn auch verſicherte, daß er im Kalender rot angeſtrichen werden müſſe. Der Abend brachte, das Maß des Glücks voll zu machen, eine Vorſtellung im Tivoli-Theater: eine italieniſche Panto¬ mime, Arlequin und Colombine. Effi war wie be¬ rauſcht von den kleinen Schelmereien, und als ſie ſpät am Abend nach ihrem Hotel zurückkehrten, ſagte ſie: „Weißt Du, Geert, nun fühl' ich doch, daß ich allmählich wieder zu mir komme. Von der ſchönen Thora will ich gar nicht erſt ſprechen; aber wenn ich bedenke, heute Vormittag Thorwaldſen und heute Abend dieſe Colombine …“ „… Die Dir im Grunde doch noch lieber war als Thorwaldſen …“ „Offen geſtanden, ja. Ich habe nun 'mal den Sinn für dergleichen. Unſer gutes Keſſin war ein 24 *

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/380>, abgerufen am 17.06.2024.