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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
warten das Dampfschiff ab, das, wenn ich nicht irre,
morgen von Stettin kommt und nach Kopenhagen
hinüberfährt. Da soll es ja so vergnüglich sein, und
ich kann Dir gar nicht sagen, wie sehr ich mich nach
etwas Vergnüglichem sehne. Hier ist mir, als ob
ich in meinem ganzen Leben nicht mehr lachen könnte
und überhaupt nie gelacht hätte, und Du weißt
doch, wie gern ich lache."

Innstetten zeigte sich voll Teilnahme mit ihrem
Zustand, und das um so lieber, als er ihr in vielem
recht gab. Es war wirklich alles schwermütig, so
schön es war.

Und so warteten sie denn das Stettiner Schiff
ab und trafen am dritten Tage in aller Frühe in
Kopenhagen ein, wo sie auf Kongens Nytorv Wohnung
nahmen. Zwei Stunden später waren sie schon im
Thorwaldsen-Museum, und Effi sagte: "Ja, Geert,
das ist schön, und ich bin glücklich, daß wir uns
hierher auf den Weg gemacht haben." Bald danach
gingen sie zu Tisch und machten an der Table
d'hote die Bekanntschaft einer ihnen gegenüber
sitzenden jütländischen Familie, deren bildschöne
Tochter, Thora von Penz, ebenso Innstetten's, wie
Effi's beinah bewundernde Aufmerksamkeit sofort in
Anspruch nahm. Effi konnte sich nicht satt sehen
an den großen, blauen Augen und dem flachsblonden

Effi Brieſt
warten das Dampfſchiff ab, das, wenn ich nicht irre,
morgen von Stettin kommt und nach Kopenhagen
hinüberfährt. Da ſoll es ja ſo vergnüglich ſein, und
ich kann Dir gar nicht ſagen, wie ſehr ich mich nach
etwas Vergnüglichem ſehne. Hier iſt mir, als ob
ich in meinem ganzen Leben nicht mehr lachen könnte
und überhaupt nie gelacht hätte, und Du weißt
doch, wie gern ich lache.“

Innſtetten zeigte ſich voll Teilnahme mit ihrem
Zuſtand, und das um ſo lieber, als er ihr in vielem
recht gab. Es war wirklich alles ſchwermütig, ſo
ſchön es war.

Und ſo warteten ſie denn das Stettiner Schiff
ab und trafen am dritten Tage in aller Frühe in
Kopenhagen ein, wo ſie auf Kongens Nytorv Wohnung
nahmen. Zwei Stunden ſpäter waren ſie ſchon im
Thorwaldſen-Muſeum, und Effi ſagte: „Ja, Geert,
das iſt ſchön, und ich bin glücklich, daß wir uns
hierher auf den Weg gemacht haben.“ Bald danach
gingen ſie zu Tiſch und machten an der Table
d'hote die Bekanntſchaft einer ihnen gegenüber
ſitzenden jütländiſchen Familie, deren bildſchöne
Tochter, Thora von Penz, ebenſo Innſtetten's, wie
Effi's beinah bewundernde Aufmerkſamkeit ſofort in
Anſpruch nahm. Effi konnte ſich nicht ſatt ſehen
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[370/0379] Effi Brieſt warten das Dampfſchiff ab, das, wenn ich nicht irre, morgen von Stettin kommt und nach Kopenhagen hinüberfährt. Da ſoll es ja ſo vergnüglich ſein, und ich kann Dir gar nicht ſagen, wie ſehr ich mich nach etwas Vergnüglichem ſehne. Hier iſt mir, als ob ich in meinem ganzen Leben nicht mehr lachen könnte und überhaupt nie gelacht hätte, und Du weißt doch, wie gern ich lache.“ Innſtetten zeigte ſich voll Teilnahme mit ihrem Zuſtand, und das um ſo lieber, als er ihr in vielem recht gab. Es war wirklich alles ſchwermütig, ſo ſchön es war. Und ſo warteten ſie denn das Stettiner Schiff ab und trafen am dritten Tage in aller Frühe in Kopenhagen ein, wo ſie auf Kongens Nytorv Wohnung nahmen. Zwei Stunden ſpäter waren ſie ſchon im Thorwaldſen-Muſeum, und Effi ſagte: „Ja, Geert, das iſt ſchön, und ich bin glücklich, daß wir uns hierher auf den Weg gemacht haben.“ Bald danach gingen ſie zu Tiſch und machten an der Table d'hote die Bekanntſchaft einer ihnen gegenüber ſitzenden jütländiſchen Familie, deren bildſchöne Tochter, Thora von Penz, ebenſo Innſtetten's, wie Effi's beinah bewundernde Aufmerkſamkeit ſofort in Anſpruch nahm. Effi konnte ſich nicht ſatt ſehen an den großen, blauen Augen und dem flachsblonden

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/379>, abgerufen am 26.06.2024.