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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Provinzialbehörden inspiziert. Und Du wirst eine
Ministerialrätin sein und in Berlin leben, und in
einem halben Jahre wirst Du kaum noch wissen,
daß Du hier in Kessin gewesen bist und nichts
gehabt hast, als Gieshübler und die Dünen und die
Plantage."

Effi sagte kein Wort, und nur ihre Augen
wurden immer größer; um ihre Mundwinkel war
ein nervöses Zucken, und ihr ganzer zarter Körper
zitterte. Mit einemmale aber glitt sie von ihrem
Sitze vor Innstetten nieder, umklammerte seine Knie
und sagte in einem Tone, wie wenn sie betete: "Gott
sei Dank!"

Innstetten verfärbte sich. Was war das? Etwas,
was seit Wochen flüchtig, aber doch immer sich
erneuernd über ihn kam, war wieder da und sprach so
deutlich aus seinem Auge, daß Effi davor erschrak.
Sie hatte sich durch ein schönes Gefühl, das nicht viel
'was andres als ein Bekenntnis ihrer Schuld war, hin¬
reißen lassen und dabei mehr gesagt, als sie sagen
durfte. Sie mußte das wieder ausgleichen, mußte 'was
finden, irgend einen Ausweg, es koste, was es wolle.

"Steh' auf, Effi. Was hast Du?"

Effi erhob sich rasch. Aber sie nahm ihren
Platz auf dem Sofa nicht wieder ein, sondern schob
einen Stuhl mit hoher Lehne heran, augenscheinlich,

Effi Brieſt
Provinzialbehörden inſpiziert. Und Du wirſt eine
Miniſterialrätin ſein und in Berlin leben, und in
einem halben Jahre wirſt Du kaum noch wiſſen,
daß Du hier in Keſſin geweſen biſt und nichts
gehabt haſt, als Gieshübler und die Dünen und die
Plantage.“

Effi ſagte kein Wort, und nur ihre Augen
wurden immer größer; um ihre Mundwinkel war
ein nervöſes Zucken, und ihr ganzer zarter Körper
zitterte. Mit einemmale aber glitt ſie von ihrem
Sitze vor Innſtetten nieder, umklammerte ſeine Knie
und ſagte in einem Tone, wie wenn ſie betete: „Gott
ſei Dank!“

Innſtetten verfärbte ſich. Was war das? Etwas,
was ſeit Wochen flüchtig, aber doch immer ſich
erneuernd über ihn kam, war wieder da und ſprach ſo
deutlich aus ſeinem Auge, daß Effi davor erſchrak.
Sie hatte ſich durch ein ſchönes Gefühl, das nicht viel
'was andres als ein Bekenntnis ihrer Schuld war, hin¬
reißen laſſen und dabei mehr geſagt, als ſie ſagen
durfte. Sie mußte das wieder ausgleichen, mußte 'was
finden, irgend einen Ausweg, es koſte, was es wolle.

„Steh' auf, Effi. Was haſt Du?“

Effi erhob ſich raſch. Aber ſie nahm ihren
Platz auf dem Sofa nicht wieder ein, ſondern ſchob
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[316/0325] Effi Brieſt Provinzialbehörden inſpiziert. Und Du wirſt eine Miniſterialrätin ſein und in Berlin leben, und in einem halben Jahre wirſt Du kaum noch wiſſen, daß Du hier in Keſſin geweſen biſt und nichts gehabt haſt, als Gieshübler und die Dünen und die Plantage.“ Effi ſagte kein Wort, und nur ihre Augen wurden immer größer; um ihre Mundwinkel war ein nervöſes Zucken, und ihr ganzer zarter Körper zitterte. Mit einemmale aber glitt ſie von ihrem Sitze vor Innſtetten nieder, umklammerte ſeine Knie und ſagte in einem Tone, wie wenn ſie betete: „Gott ſei Dank!“ Innſtetten verfärbte ſich. Was war das? Etwas, was ſeit Wochen flüchtig, aber doch immer ſich erneuernd über ihn kam, war wieder da und ſprach ſo deutlich aus ſeinem Auge, daß Effi davor erſchrak. Sie hatte ſich durch ein ſchönes Gefühl, das nicht viel 'was andres als ein Bekenntnis ihrer Schuld war, hin¬ reißen laſſen und dabei mehr geſagt, als ſie ſagen durfte. Sie mußte das wieder ausgleichen, mußte 'was finden, irgend einen Ausweg, es koſte, was es wolle. „Steh' auf, Effi. Was haſt Du?“ Effi erhob ſich raſch. Aber ſie nahm ihren Platz auf dem Sofa nicht wieder ein, ſondern ſchob einen Stuhl mit hoher Lehne heran, augenſcheinlich,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/325>, abgerufen am 25.11.2024.