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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
weil sie nicht Kraft genug fühlte, sich ohne Stütze
zu halten.

"Was hast Du?" wiederholte Innstetten. "Ich
dachte, Du hättest hier glückliche Tage verlebt. Und
nun rufst Du "Gott sei Dank", als ob Dir hier
alles nur ein Schrecknis gewesen wäre. War ich der
ein Schrecknis? Oder war es 'was andres? Sprich."

"Daß Du noch fragen kannst, Geert," sagte sie,
während sie mit einer äußersten Anstrengung das
Zittern ihrer Stimme zu bezwingen suchte. "Glück¬
liche Tage! Ja, gewiß, glückliche Tage, aber doch auch
andre. Nie bin ich die Angst hier ganz los ge¬
worden, nie. Noch keine vierzehn Tage, daß es mir
wieder über die Schulter sah, dasselbe Gesicht, der¬
selbe fahle Teint. Und diese letzten Nächte, wo Du
fort warst, war es auch wieder da, nicht das Ge¬
sicht, aber es schlurrte wieder, und Rollo schlug
wieder an, und Roswitha, die's auch gehört, kam an
mein Bett und setzte sich zu mir, und erst, als es
schon dämmerte, schliefen wir wieder ein. Es ist ein
Spukhaus, und ich hab' es auch glauben sollen, das
mit dem Spuk, -- denn Du bist ein Erzieher.
Ja, Geert, das bist Du. Aber laß es sein, wie's
will, so viel weiß ich, ich habe mich ein ganzes
Jahr lang und länger in diesem Hause gefürchtet,
und wenn ich von hier fortkomme, so wird es,

Effi Brieſt
weil ſie nicht Kraft genug fühlte, ſich ohne Stütze
zu halten.

„Was haſt Du?“ wiederholte Innſtetten. „Ich
dachte, Du hätteſt hier glückliche Tage verlebt. Und
nun rufſt Du „Gott ſei Dank“, als ob Dir hier
alles nur ein Schrecknis geweſen wäre. War ich der
ein Schrecknis? Oder war es 'was andres? Sprich.“

„Daß Du noch fragen kannſt, Geert,“ ſagte ſie,
während ſie mit einer äußerſten Anſtrengung das
Zittern ihrer Stimme zu bezwingen ſuchte. „Glück¬
liche Tage! Ja, gewiß, glückliche Tage, aber doch auch
andre. Nie bin ich die Angſt hier ganz los ge¬
worden, nie. Noch keine vierzehn Tage, daß es mir
wieder über die Schulter ſah, daſſelbe Geſicht, der¬
ſelbe fahle Teint. Und dieſe letzten Nächte, wo Du
fort warſt, war es auch wieder da, nicht das Ge¬
ſicht, aber es ſchlurrte wieder, und Rollo ſchlug
wieder an, und Roswitha, die's auch gehört, kam an
mein Bett und ſetzte ſich zu mir, und erſt, als es
ſchon dämmerte, ſchliefen wir wieder ein. Es iſt ein
Spukhaus, und ich hab' es auch glauben ſollen, das
mit dem Spuk, — denn Du biſt ein Erzieher.
Ja, Geert, das biſt Du. Aber laß es ſein, wie's
will, ſo viel weiß ich, ich habe mich ein ganzes
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[317/0326] Effi Brieſt weil ſie nicht Kraft genug fühlte, ſich ohne Stütze zu halten. „Was haſt Du?“ wiederholte Innſtetten. „Ich dachte, Du hätteſt hier glückliche Tage verlebt. Und nun rufſt Du „Gott ſei Dank“, als ob Dir hier alles nur ein Schrecknis geweſen wäre. War ich der ein Schrecknis? Oder war es 'was andres? Sprich.“ „Daß Du noch fragen kannſt, Geert,“ ſagte ſie, während ſie mit einer äußerſten Anſtrengung das Zittern ihrer Stimme zu bezwingen ſuchte. „Glück¬ liche Tage! Ja, gewiß, glückliche Tage, aber doch auch andre. Nie bin ich die Angſt hier ganz los ge¬ worden, nie. Noch keine vierzehn Tage, daß es mir wieder über die Schulter ſah, daſſelbe Geſicht, der¬ ſelbe fahle Teint. Und dieſe letzten Nächte, wo Du fort warſt, war es auch wieder da, nicht das Ge¬ ſicht, aber es ſchlurrte wieder, und Rollo ſchlug wieder an, und Roswitha, die's auch gehört, kam an mein Bett und ſetzte ſich zu mir, und erſt, als es ſchon dämmerte, ſchliefen wir wieder ein. Es iſt ein Spukhaus, und ich hab' es auch glauben ſollen, das mit dem Spuk, — denn Du biſt ein Erzieher. Ja, Geert, das biſt Du. Aber laß es ſein, wie's will, ſo viel weiß ich, ich habe mich ein ganzes Jahr lang und länger in dieſem Hauſe gefürchtet, und wenn ich von hier fortkomme, ſo wird es,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/326>, abgerufen am 27.11.2024.