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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
Augen, die einen treu und zuversichtlich ansehen.
Aber ein klein bißchen dumm."

"Richtig, das ist sie."


Das war Mitte Juni, daß Innstetten und Effi
dies Gespräch hatten. Von da ab brachte jeder Tag
Zuzug, und nach dem Bollwerk hin spazieren gehen,
um daselbst die Ankunft des Dampfschiffes abzuwarten,
wurde, wie immer um diese Zeit, eine Art Tages¬
beschäftigung für die Kessiner. Effi freilich, weil
Innstetten sie nicht begleiten konnte, mußte darauf ver¬
zichten, aber sie hatte doch wenigsten die Freude, die
nach dem Strand und dem Strandhotel hinaus¬
führende, sonst so menschenleere Straße sich beleben
zu sehen, und war denn auch, um immer wieder
Zeuge davon zu sein, viel mehr als sonst in ihrem
Schlafzimmer, von dessen Fenstern aus sich alles am
besten beobachten ließ. Johanna stand dann neben
ihr und gab Antwort auf ziemlich alles, was sie
wissen wollte; denn da die meisten alljährlich wieder¬
kehrende Gäste waren, so konnte das Mädchen nicht
bloß die Namen nennen, sondern mitunter auch eine
Geschichte dazu geben.

Das alles war unterhaltlich und erheiternd für
Effi. Grade am Johannistage aber traf es sich,

Effi Brieſt
Augen, die einen treu und zuverſichtlich anſehen.
Aber ein klein bißchen dumm.“

„Richtig, das iſt ſie.“


Das war Mitte Juni, daß Innſtetten und Effi
dies Geſpräch hatten. Von da ab brachte jeder Tag
Zuzug, und nach dem Bollwerk hin ſpazieren gehen,
um daſelbſt die Ankunft des Dampfſchiffes abzuwarten,
wurde, wie immer um dieſe Zeit, eine Art Tages¬
beſchäftigung für die Keſſiner. Effi freilich, weil
Innſtetten ſie nicht begleiten konnte, mußte darauf ver¬
zichten, aber ſie hatte doch wenigſten die Freude, die
nach dem Strand und dem Strandhotel hinaus¬
führende, ſonſt ſo menſchenleere Straße ſich beleben
zu ſehen, und war denn auch, um immer wieder
Zeuge davon zu ſein, viel mehr als ſonſt in ihrem
Schlafzimmer, von deſſen Fenſtern aus ſich alles am
beſten beobachten ließ. Johanna ſtand dann neben
ihr und gab Antwort auf ziemlich alles, was ſie
wiſſen wollte; denn da die meiſten alljährlich wieder¬
kehrende Gäſte waren, ſo konnte das Mädchen nicht
bloß die Namen nennen, ſondern mitunter auch eine
Geſchichte dazu geben.

Das alles war unterhaltlich und erheiternd für
Effi. Grade am Johannistage aber traf es ſich,

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[182/0191] Effi Brieſt Augen, die einen treu und zuverſichtlich anſehen. Aber ein klein bißchen dumm.“ „Richtig, das iſt ſie.“ Das war Mitte Juni, daß Innſtetten und Effi dies Geſpräch hatten. Von da ab brachte jeder Tag Zuzug, und nach dem Bollwerk hin ſpazieren gehen, um daſelbſt die Ankunft des Dampfſchiffes abzuwarten, wurde, wie immer um dieſe Zeit, eine Art Tages¬ beſchäftigung für die Keſſiner. Effi freilich, weil Innſtetten ſie nicht begleiten konnte, mußte darauf ver¬ zichten, aber ſie hatte doch wenigſten die Freude, die nach dem Strand und dem Strandhotel hinaus¬ führende, ſonſt ſo menſchenleere Straße ſich beleben zu ſehen, und war denn auch, um immer wieder Zeuge davon zu ſein, viel mehr als ſonſt in ihrem Schlafzimmer, von deſſen Fenſtern aus ſich alles am beſten beobachten ließ. Johanna ſtand dann neben ihr und gab Antwort auf ziemlich alles, was ſie wiſſen wollte; denn da die meiſten alljährlich wieder¬ kehrende Gäſte waren, ſo konnte das Mädchen nicht bloß die Namen nennen, ſondern mitunter auch eine Geſchichte dazu geben. Das alles war unterhaltlich und erheiternd für Effi. Grade am Johannistage aber traf es ſich,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/191>, abgerufen am 24.11.2024.