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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

"Schelm, das sagst Du so, weil Du meine
Schwäche kennst. Aber wir sind alle so eitel, und
ich will es glauben. Ich will es glauben und doch
zugleich auch den Heroischen spielen, den Entsagenden.
Reise, sobald Du's für nötig hältst und vor Deinem
Herzen verantworten kannst."

"So darfst Du nicht sprechen, Geert. Was heißt
das ,vor meinem Herzen verantworten'. Damit schiebst
Du mir, halb gewaltsam, eine Zärtlichkeitsrolle zu, und
ich muß Dir dann aus reiner Koketterie sagen: ,Ach,
Geert, dann reise ich nie.' Oder doch so etwas Ähnliches."

Innstetten drohte ihr mit dem Finger. "Effi,
Du bist mir zu fein. Ich dachte immer, Du wärst
ein Kind, und sehe nun, daß Du das Maß hast
wie alle andern. Aber lassen wir das, oder wie
Dein Papa immer sagte: ,das ist ein zu weites
Feld'. Sage lieber, wann willst Du fort?"

"Heute haben wir Dienstag. Sagen wir also
Freitag Mittag mit dem Schiff. Dann bin ich am
Abend in Berlin."

"Abgemacht. Und wann zurück?"

"Nun, sagen wir Montag Abend. Das sind
dann drei Tage."

"Geht nicht. Das ist zu früh. In drei Tagen
kannst Du's nicht zwingen. Und so rasch läßt Dich
die Mama auch nicht fort."

Effi Brieſt

„Schelm, das ſagſt Du ſo, weil Du meine
Schwäche kennſt. Aber wir ſind alle ſo eitel, und
ich will es glauben. Ich will es glauben und doch
zugleich auch den Heroiſchen ſpielen, den Entſagenden.
Reiſe, ſobald Du's für nötig hältſt und vor Deinem
Herzen verantworten kannſt.“

„So darfſt Du nicht ſprechen, Geert. Was heißt
das ,vor meinem Herzen verantworten‘. Damit ſchiebſt
Du mir, halb gewaltſam, eine Zärtlichkeitsrolle zu, und
ich muß Dir dann aus reiner Koketterie ſagen: ,Ach,
Geert, dann reiſe ich nie.‘ Oder doch ſo etwas Ähnliches.“

Innſtetten drohte ihr mit dem Finger. „Effi,
Du biſt mir zu fein. Ich dachte immer, Du wärſt
ein Kind, und ſehe nun, daß Du das Maß haſt
wie alle andern. Aber laſſen wir das, oder wie
Dein Papa immer ſagte: ,das iſt ein zu weites
Feld‘. Sage lieber, wann willſt Du fort?“

„Heute haben wir Dienstag. Sagen wir alſo
Freitag Mittag mit dem Schiff. Dann bin ich am
Abend in Berlin.“

„Abgemacht. Und wann zurück?“

„Nun‚ ſagen wir Montag Abend. Das ſind
dann drei Tage.“

„Geht nicht. Das iſt zu früh. In drei Tagen
kannſt Du's nicht zwingen. Und ſo raſch läßt Dich
die Mama auch nicht fort.“

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[325/0334] Effi Brieſt „Schelm, das ſagſt Du ſo, weil Du meine Schwäche kennſt. Aber wir ſind alle ſo eitel, und ich will es glauben. Ich will es glauben und doch zugleich auch den Heroiſchen ſpielen, den Entſagenden. Reiſe, ſobald Du's für nötig hältſt und vor Deinem Herzen verantworten kannſt.“ „So darfſt Du nicht ſprechen, Geert. Was heißt das ,vor meinem Herzen verantworten‘. Damit ſchiebſt Du mir, halb gewaltſam, eine Zärtlichkeitsrolle zu, und ich muß Dir dann aus reiner Koketterie ſagen: ,Ach, Geert, dann reiſe ich nie.‘ Oder doch ſo etwas Ähnliches.“ Innſtetten drohte ihr mit dem Finger. „Effi, Du biſt mir zu fein. Ich dachte immer, Du wärſt ein Kind, und ſehe nun, daß Du das Maß haſt wie alle andern. Aber laſſen wir das, oder wie Dein Papa immer ſagte: ,das iſt ein zu weites Feld‘. Sage lieber, wann willſt Du fort?“ „Heute haben wir Dienstag. Sagen wir alſo Freitag Mittag mit dem Schiff. Dann bin ich am Abend in Berlin.“ „Abgemacht. Und wann zurück?“ „Nun‚ ſagen wir Montag Abend. Das ſind dann drei Tage.“ „Geht nicht. Das iſt zu früh. In drei Tagen kannſt Du's nicht zwingen. Und ſo raſch läßt Dich die Mama auch nicht fort.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/334>, abgerufen am 30.11.2024.