oder doch wenigstens die Honoratiorenschaft der Stadt mehr interessierte. Diese wollte den überaus wohl¬ gelittenen Landrat nicht gern verlieren, und doch gingen darüber ganz ausschweifende Gerüchte, die von Gieshübler, wenn er nicht ihr Erfinder war, wenigstens genährt und weiter verbreitet wurden. Unter anderem hieß es, Innstetten würde als Führer einer Gesandtschaft nach Marokko gehn und zwar mit Geschenken, unter denen nicht bloß die herkömm¬ liche Vase mit Sanssouci und dem neuen Palais, sondern vor allem auch eine große Eismaschine sei. Das letztere erschien, mit Rücksicht auf die marokkani¬ schen Temperaturverhältnisse, so wahrscheinlich, daß das Ganze geglaubt wurde.
Effi hörte auch davon. Die Tage, wo sie sich darüber erheitert hätte, lagen noch nicht allzu weit zurück; aber in der Seelenstimmung, in der sie sich seit Schluß des Jahres befand, war sie nicht mehr fähig, unbefangen und ausgelassen über derlei Dinge zu lachen. Ihre Gesichtszüge hatten einen ganz anderen Ausdruck angenommen und das halb rührend, halb schelmisch Kindliche, was sie noch als Frau gehabt hatte, war hin. Die Spaziergänge nach dem Strand und der Plantage, die sie, während Crampas in Stettin war, aufgegeben hatte, nahm sie nach seiner Rückkehr wieder auf und ließ sich auch durch un¬
Effi Brieſt
oder doch wenigſtens die Honoratiorenſchaft der Stadt mehr intereſſierte. Dieſe wollte den überaus wohl¬ gelittenen Landrat nicht gern verlieren, und doch gingen darüber ganz ausſchweifende Gerüchte, die von Gieshübler, wenn er nicht ihr Erfinder war, wenigſtens genährt und weiter verbreitet wurden. Unter anderem hieß es, Innſtetten würde als Führer einer Geſandtſchaft nach Marokko gehn und zwar mit Geſchenken, unter denen nicht bloß die herkömm¬ liche Vaſe mit Sansſouci und dem neuen Palais, ſondern vor allem auch eine große Eismaſchine ſei. Das letztere erſchien, mit Rückſicht auf die marokkani¬ ſchen Temperaturverhältniſſe, ſo wahrſcheinlich, daß das Ganze geglaubt wurde.
Effi hörte auch davon. Die Tage, wo ſie ſich darüber erheitert hätte, lagen noch nicht allzu weit zurück; aber in der Seelenſtimmung, in der ſie ſich ſeit Schluß des Jahres befand, war ſie nicht mehr fähig, unbefangen und ausgelaſſen über derlei Dinge zu lachen. Ihre Geſichtszüge hatten einen ganz anderen Ausdruck angenommen und das halb rührend, halb ſchelmiſch Kindliche, was ſie noch als Frau gehabt hatte, war hin. Die Spaziergänge nach dem Strand und der Plantage, die ſie, während Crampas in Stettin war, aufgegeben hatte, nahm ſie nach ſeiner Rückkehr wieder auf und ließ ſich auch durch un¬
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[301/0310]
Effi Brieſt
oder doch wenigſtens die Honoratiorenſchaft der Stadt
mehr intereſſierte. Dieſe wollte den überaus wohl¬
gelittenen Landrat nicht gern verlieren, und doch
gingen darüber ganz ausſchweifende Gerüchte, die
von Gieshübler, wenn er nicht ihr Erfinder war,
wenigſtens genährt und weiter verbreitet wurden.
Unter anderem hieß es, Innſtetten würde als Führer
einer Geſandtſchaft nach Marokko gehn und zwar
mit Geſchenken, unter denen nicht bloß die herkömm¬
liche Vaſe mit Sansſouci und dem neuen Palais,
ſondern vor allem auch eine große Eismaſchine ſei.
Das letztere erſchien, mit Rückſicht auf die marokkani¬
ſchen Temperaturverhältniſſe, ſo wahrſcheinlich, daß
das Ganze geglaubt wurde.
Effi hörte auch davon. Die Tage, wo ſie ſich
darüber erheitert hätte, lagen noch nicht allzu weit
zurück; aber in der Seelenſtimmung, in der ſie ſich
ſeit Schluß des Jahres befand, war ſie nicht mehr
fähig, unbefangen und ausgelaſſen über derlei Dinge
zu lachen. Ihre Geſichtszüge hatten einen ganz
anderen Ausdruck angenommen und das halb rührend,
halb ſchelmiſch Kindliche, was ſie noch als Frau
gehabt hatte, war hin. Die Spaziergänge nach dem
Strand und der Plantage, die ſie, während Crampas
in Stettin war, aufgegeben hatte, nahm ſie nach ſeiner
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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/310>, abgerufen am 28.11.2024.
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