und Reisigbündel, das sie sich aus der Heide geholt, und grüßte mich. Alte Weiber sollen kein Glück bringen, aber wenn sie freundlich sind und einem einen Guten-Tag bieten, so hat es mit der ganzen Jägerweisheit nicht viel auf sich. Und so blieb ich denn auch stehen und sagte: "Na Mutterchen, is wohl ein bischen schwer? Und die Sonne sticht heut so. Sie müssen die Kinder in den Wald schicken. Oder haben Sie keine?"
"Woll, Kinner hebb ick, un Enkelkinner ook. Awers se wulln joa nich. Un se künn' ook nich. Se möten joa all in de School."
"Ja, ja. Alles muß in die Schule. Haben Sie denn auch 'ne Kirche in Saarow?"
"Nei. Wi möten nach Reichenwald."
"Richtig. Ich erinnre mich. Das ist da, wo sie den alten Rittmeister begraben haben. Haben Sie den noch gekannt?"
"O wat wihr ick nich? He wihr joa so in mine Joahr. Woll hebb ick em kennt."
"Und wie war er denn?"
"Na, he wihr joa so wiet janz goot. Bloot man en beeten schnaaksch un wunnerlich, un ok woll en beeten to sihr för de Fruenslüd. Awers nu is he joa dod."
"Und hat wohl ein Denkmal? Ich meine so was von Stein oder Eisen. Eine Figur oder einen Engel mit 'nem Spruch oder Gesangbuchvers."
"Ne. För so wat wihr he nich."
"Und is sonst noch was in Saarow zu sehn?"
"Ick glöw nich. Veel is hier nich in Saarow. En nijen Koh-Stall ..."
"Aber drüben in Pieskow?"
"Joa in Pieskow. O woll, versteiht sich. In Pieskow da möt wat sinn."
"Na, dann werd' ich mal sehn. Ich dank' auch schön, Mutterchen." Und damit ging ich weiter in das Dorf hinein.
Wirklich in Saarow war nicht viel, und als ich mich genug- sam davon überzeugt hatte, hielt ich mich auf den See zu, wo nach meiner Meinung eine Fähre sein mußte. Nach einigem Suchen sah ich ein angeketteltes Boot liegen, und dicht daneben
und Reiſigbündel, das ſie ſich aus der Heide geholt, und grüßte mich. Alte Weiber ſollen kein Glück bringen, aber wenn ſie freundlich ſind und einem einen Guten-Tag bieten, ſo hat es mit der ganzen Jägerweisheit nicht viel auf ſich. Und ſo blieb ich denn auch ſtehen und ſagte: „Na Mutterchen, is wohl ein bischen ſchwer? Und die Sonne ſticht heut ſo. Sie müſſen die Kinder in den Wald ſchicken. Oder haben Sie keine?“
„Woll, Kinner hebb ick, un Enkelkinner ook. Awers ſe wulln joa nich. Un ſe künn’ ook nich. Se möten joa all in de School.“
„Ja, ja. Alles muß in die Schule. Haben Sie denn auch ’ne Kirche in Saarow?“
„Nei. Wi möten nach Reichenwald.“
„Richtig. Ich erinnre mich. Das iſt da, wo ſie den alten Rittmeiſter begraben haben. Haben Sie den noch gekannt?“
„O wat wihr ick nich? He wihr joa ſo in mine Joahr. Woll hebb ick em kennt.“
„Und wie war er denn?“
„Na, he wihr joa ſo wiet janz goot. Bloot man en beeten ſchnaakſch un wunnerlich, un ok woll en beeten to ſihr för de Fruenslüd. Awers nu is he joa dod.“
„Und hat wohl ein Denkmal? Ich meine ſo was von Stein oder Eiſen. Eine Figur oder einen Engel mit ’nem Spruch oder Geſangbuchvers.“
„Ne. För ſo wat wihr he nich.“
„Und is ſonſt noch was in Saarow zu ſehn?“
„Ick glöw nich. Veel is hier nich in Saarow. En nijen Koh-Stall …“
„Aber drüben in Pieskow?“
„Joa in Pieskow. O woll, verſteiht ſich. In Pieskow da möt wat ſinn.“
„Na, dann werd’ ich mal ſehn. Ich dank’ auch ſchön, Mutterchen.“ Und damit ging ich weiter in das Dorf hinein.
Wirklich in Saarow war nicht viel, und als ich mich genug- ſam davon überzeugt hatte, hielt ich mich auf den See zu, wo nach meiner Meinung eine Fähre ſein mußte. Nach einigem Suchen ſah ich ein angeketteltes Boot liegen, und dicht daneben
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und Reiſigbündel, das ſie ſich aus der Heide geholt, und grüßte
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freundlich ſind und einem einen Guten-Tag bieten, ſo hat es mit
der ganzen Jägerweisheit nicht viel auf ſich. Und ſo blieb ich
denn auch ſtehen und ſagte: „Na Mutterchen, is wohl ein bischen
ſchwer? Und die Sonne ſticht heut ſo. Sie müſſen die Kinder in
den Wald ſchicken. Oder haben Sie keine?“
„Woll, Kinner hebb ick, un Enkelkinner ook. Awers ſe
wulln joa nich. Un ſe künn’ ook nich. Se möten joa all in de
School.“
„Ja, ja. Alles muß in die Schule. Haben Sie denn auch
’ne Kirche in Saarow?“
„Nei. Wi möten nach Reichenwald.“
„Richtig. Ich erinnre mich. Das iſt da, wo ſie den alten
Rittmeiſter begraben haben. Haben Sie den noch gekannt?“
„O wat wihr ick nich? He wihr joa ſo in mine Joahr. Woll
hebb ick em kennt.“
„Und wie war er denn?“
„Na, he wihr joa ſo wiet janz goot. Bloot man en beeten
ſchnaakſch un wunnerlich, un ok woll en beeten to ſihr för de
Fruenslüd. Awers nu is he joa dod.“
„Und hat wohl ein Denkmal? Ich meine ſo was von Stein
oder Eiſen. Eine Figur oder einen Engel mit ’nem Spruch oder
Geſangbuchvers.“
„Ne. För ſo wat wihr he nich.“
„Und is ſonſt noch was in Saarow zu ſehn?“
„Ick glöw nich. Veel is hier nich in Saarow. En nijen
Koh-Stall …“
„Aber drüben in Pieskow?“
„Joa in Pieskow. O woll, verſteiht ſich. In Pieskow da
möt wat ſinn.“
„Na, dann werd’ ich mal ſehn. Ich dank’ auch ſchön,
Mutterchen.“ Und damit ging ich weiter in das Dorf hinein.
Wirklich in Saarow war nicht viel, und als ich mich genug-
ſam davon überzeugt hatte, hielt ich mich auf den See zu, wo
nach meiner Meinung eine Fähre ſein mußte. Nach einigem
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/43>, abgerufen am 22.07.2024.
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