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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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ein Schrecken durch alle Herzen -- der Eibenbaum war
weiß geworden
. Wie Puder lag der Mauerstaub auf allen
Aesten und Zweigen. Was war zu thun? Gefahr war im
Verzuge; der Besuch des Königs stand nahe bevor; da trat ein
leuchtender Gedanke auf die Lippe des einen der Geängstigten
und er sprach: Feuerwehr! Sie kam (still, ohne Geklingel)
und mit kunstvoll gemäßigtem Strahl wusch sie jetzt den Staub
von dem schönen Baume ab, der nun bald schöner und frischer
dastand, als je zuvor. Er trieb neue Zweige, als ob er sagen
wolle: "Wir leben noch."

Frisch und grün, wie der jüngsten einer, so steht er wie-
der da, schön im Sommer, aber am schönsten in December-
nächten, wenn seine obere weiße Hälfte sich unter dem Schnee
beugt, während unten die Zweige wie unter einem Dache weiter-
grünen. Dies Schneedach ist sein Schmuck und -- sein Schutz.
Das zeigte sich vor einigen Jahren. Der Schnee lag so dicht
auf ihm, daß es schien, seine Oberzweige würden brechen. Miß-
verstandene Sorgfalt fegte und kehrte den Schnee herunter; da
gingen im nächsten Sommer einige jener Zweige aus, denen
man mit dem Schneedach ihr warmes Winterkleid genommen
hatte.

Aber er hat's überwunden und grünt in Frische weiter,
und wenn ihm wieder Gefahren drohen, so oder so, möge unser
Eibenbaum immer einen treuen Freund haben, wie in alter Zeit.


Dies Vorstehende wurde im Herbst 1862 geschrieben; in
den zehn Jahren, die seitdem vergangen sind, sammelte ich Ma-
terial über allerhand "alte Bäume," insonderheit auch über
Eibenbäume, und ich lasse zunächst folgen, was ich darüber
in Erfahrung brachte.

Die Eibe, so scheint es, steht auf dem Aussterbe-Etat der
Schöpfung. Wie bekanntlich im Laufe der Jahrtausende ganze
Thiergeschlechter von der Erde vertilgt worden sind, so werden
auch Baumarten ausgerottet, oder doch nahezu bis zum

ein Schrecken durch alle Herzen — der Eibenbaum war
weiß geworden
. Wie Puder lag der Mauerſtaub auf allen
Aeſten und Zweigen. Was war zu thun? Gefahr war im
Verzuge; der Beſuch des Königs ſtand nahe bevor; da trat ein
leuchtender Gedanke auf die Lippe des einen der Geängſtigten
und er ſprach: Feuerwehr! Sie kam (ſtill, ohne Geklingel)
und mit kunſtvoll gemäßigtem Strahl wuſch ſie jetzt den Staub
von dem ſchönen Baume ab, der nun bald ſchöner und friſcher
daſtand, als je zuvor. Er trieb neue Zweige, als ob er ſagen
wolle: „Wir leben noch.“

Friſch und grün, wie der jüngſten einer, ſo ſteht er wie-
der da, ſchön im Sommer, aber am ſchönſten in December-
nächten, wenn ſeine obere weiße Hälfte ſich unter dem Schnee
beugt, während unten die Zweige wie unter einem Dache weiter-
grünen. Dies Schneedach iſt ſein Schmuck und — ſein Schutz.
Das zeigte ſich vor einigen Jahren. Der Schnee lag ſo dicht
auf ihm, daß es ſchien, ſeine Oberzweige würden brechen. Miß-
verſtandene Sorgfalt fegte und kehrte den Schnee herunter; da
gingen im nächſten Sommer einige jener Zweige aus, denen
man mit dem Schneedach ihr warmes Winterkleid genommen
hatte.

Aber er hat’s überwunden und grünt in Friſche weiter,
und wenn ihm wieder Gefahren drohen, ſo oder ſo, möge unſer
Eibenbaum immer einen treuen Freund haben, wie in alter Zeit.


Dies Vorſtehende wurde im Herbſt 1862 geſchrieben; in
den zehn Jahren, die ſeitdem vergangen ſind, ſammelte ich Ma-
terial über allerhand „alte Bäume,“ inſonderheit auch über
Eibenbäume, und ich laſſe zunächſt folgen, was ich darüber
in Erfahrung brachte.

Die Eibe, ſo ſcheint es, ſteht auf dem Ausſterbe-Etat der
Schöpfung. Wie bekanntlich im Laufe der Jahrtauſende ganze
Thiergeſchlechter von der Erde vertilgt worden ſind, ſo werden
auch Baumarten ausgerottet, oder doch nahezu bis zum

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/77>, abgerufen am 25.11.2024.