Bei diesem Schlußwort wiederholte er die Bewegung mit dem Stocke. Im ersten Augenblick, als er so jäh und plötzlich, wie die bekannten Drei auf der schottischen Haide, vor uns hin- trat, erschrak ich ein wenig. Und zunächst mit Recht. Die Klasse von Jägern nämlich, der er -- auch eh' er sich selbst dazu bekannt hatte -- so unverkennbar angehörte, zählt keines- wegs zu den angenehmen, am allerwenigsten zu den harmlosen Erscheinungen, wie man, ihrem Namen nach, ohne weiteres schließen sollte. Sie vereinigen den Hochmuth des Turners, des Dauerläufers und des Gelehrten in sich; jeder "steht und fällt mit der Wissenschaft."
Zu dieser Gruppe gehörte Lampe nun glücklicherweise nicht. Das Berlinerthum wirkte hier als Gegengift. Seine Selbst- ironie brachte wieder alles ins Gleichgewicht und ließ noch einen gefälligen Ueberschuß. Er bat, wie gesagt, sich uns anschließen und "seine Fahne hochhalten zu dürfen." Unsere Herzen fielen ihm gleich zu, und so ging es weiter.
Herr Lampe, Sie sind gewiß auch Kräuterjäger.
Nicht doch. Wer seinen Käscher mit Ehren tragen will, muß die grüne Trommel zu Hause lassen. Fauna apart und Flora apart. Sie glauben gar nicht, welche profunde Wissen- schaft die Käferei ist; 120 Bockkäfer nur im Brieselang. Das will gemacht sein.
Gewiß. Aber ich habe mir sagen lassen, daß die Dinge doch Hand in Hand gehen und daß die "Käferei", wie Sie sagen, ohne "Kräuterei" gar nicht recht bestehen kann. Bei- spielsweise wenn Sie eine Weißdornhecke sehen, so wissen Sie auch schon, was in dieser Hecke vorkommen kann, eben so gewiß wir wissen, wo die Cretins und die Kröpfe zu suchen sind. Ursach und Wirkung. Theorie von der Ernährung. Bergwasser.
Ich danke Ihnen für Ihre Vergleiche. Aber Sie haben Recht. Das Land und die Leute, die Kräuter und die Insekten stehen in allernächster Beziehung zu einander und obwohl ich für strenge Scheidung bin und die Mengerei in der Wissenschaft nicht leiden kann, so kann man doch nicht käfern in absoluter
Bei dieſem Schlußwort wiederholte er die Bewegung mit dem Stocke. Im erſten Augenblick, als er ſo jäh und plötzlich, wie die bekannten Drei auf der ſchottiſchen Haide, vor uns hin- trat, erſchrak ich ein wenig. Und zunächſt mit Recht. Die Klaſſe von Jägern nämlich, der er — auch eh’ er ſich ſelbſt dazu bekannt hatte — ſo unverkennbar angehörte, zählt keines- wegs zu den angenehmen, am allerwenigſten zu den harmloſen Erſcheinungen, wie man, ihrem Namen nach, ohne weiteres ſchließen ſollte. Sie vereinigen den Hochmuth des Turners, des Dauerläufers und des Gelehrten in ſich; jeder „ſteht und fällt mit der Wiſſenſchaft.“
Zu dieſer Gruppe gehörte Lampe nun glücklicherweiſe nicht. Das Berlinerthum wirkte hier als Gegengift. Seine Selbſt- ironie brachte wieder alles ins Gleichgewicht und ließ noch einen gefälligen Ueberſchuß. Er bat, wie geſagt, ſich uns anſchließen und „ſeine Fahne hochhalten zu dürfen.“ Unſere Herzen fielen ihm gleich zu, und ſo ging es weiter.
Herr Lampe, Sie ſind gewiß auch Kräuterjäger.
Nicht doch. Wer ſeinen Käſcher mit Ehren tragen will, muß die grüne Trommel zu Hauſe laſſen. Fauna apart und Flora apart. Sie glauben gar nicht, welche profunde Wiſſen- ſchaft die Käferei iſt; 120 Bockkäfer nur im Brieſelang. Das will gemacht ſein.
Gewiß. Aber ich habe mir ſagen laſſen, daß die Dinge doch Hand in Hand gehen und daß die „Käferei“, wie Sie ſagen, ohne „Kräuterei“ gar nicht recht beſtehen kann. Bei- ſpielsweiſe wenn Sie eine Weißdornhecke ſehen, ſo wiſſen Sie auch ſchon, was in dieſer Hecke vorkommen kann, eben ſo gewiß wir wiſſen, wo die Cretins und die Kröpfe zu ſuchen ſind. Urſach und Wirkung. Theorie von der Ernährung. Bergwaſſer.
Ich danke Ihnen für Ihre Vergleiche. Aber Sie haben Recht. Das Land und die Leute, die Kräuter und die Inſekten ſtehen in allernächſter Beziehung zu einander und obwohl ich für ſtrenge Scheidung bin und die Mengerei in der Wiſſenſchaft nicht leiden kann, ſo kann man doch nicht käfern in abſoluter
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Bei dieſem Schlußwort wiederholte er die Bewegung mit
dem Stocke. Im erſten Augenblick, als er ſo jäh und plötzlich,
wie die bekannten Drei auf der ſchottiſchen Haide, vor uns hin-
trat, erſchrak ich ein wenig. Und zunächſt mit Recht. Die
Klaſſe von Jägern nämlich, der er — auch eh’ er ſich ſelbſt
dazu bekannt hatte — ſo unverkennbar angehörte, zählt keines-
wegs zu den angenehmen, am allerwenigſten zu den harmloſen
Erſcheinungen, wie man, ihrem Namen nach, ohne weiteres
ſchließen ſollte. Sie vereinigen den Hochmuth des Turners,
des Dauerläufers und des Gelehrten in ſich; jeder „ſteht und
fällt mit der Wiſſenſchaft.“
Zu dieſer Gruppe gehörte Lampe nun glücklicherweiſe nicht.
Das Berlinerthum wirkte hier als Gegengift. Seine Selbſt-
ironie brachte wieder alles ins Gleichgewicht und ließ noch einen
gefälligen Ueberſchuß. Er bat, wie geſagt, ſich uns anſchließen
und „ſeine Fahne hochhalten zu dürfen.“ Unſere Herzen fielen
ihm gleich zu, und ſo ging es weiter.
Herr Lampe, Sie ſind gewiß auch Kräuterjäger.
Nicht doch. Wer ſeinen Käſcher mit Ehren tragen will,
muß die grüne Trommel zu Hauſe laſſen. Fauna apart und
Flora apart. Sie glauben gar nicht, welche profunde Wiſſen-
ſchaft die Käferei iſt; 120 Bockkäfer nur im Brieſelang. Das
will gemacht ſein.
Gewiß. Aber ich habe mir ſagen laſſen, daß die Dinge
doch Hand in Hand gehen und daß die „Käferei“, wie Sie
ſagen, ohne „Kräuterei“ gar nicht recht beſtehen kann. Bei-
ſpielsweiſe wenn Sie eine Weißdornhecke ſehen, ſo wiſſen Sie
auch ſchon, was in dieſer Hecke vorkommen kann, eben ſo gewiß
wir wiſſen, wo die Cretins und die Kröpfe zu ſuchen ſind.
Urſach und Wirkung. Theorie von der Ernährung. Bergwaſſer.
Ich danke Ihnen für Ihre Vergleiche. Aber Sie haben
Recht. Das Land und die Leute, die Kräuter und die Inſekten
ſtehen in allernächſter Beziehung zu einander und obwohl ich
für ſtrenge Scheidung bin und die Mengerei in der Wiſſenſchaft
nicht leiden kann, ſo kann man doch nicht käfern in abſoluter
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/61>, abgerufen am 04.12.2024.
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