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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Nun ist sie wehrlos und wird durch eine zweite Manipulation
in einem Behälter, meist einer Flasche, untergebracht.

Ist dies nun wissenschaftliche Passion?

Unter Umständen ja; aber zumeist Erwerb. Solche Kreuz-
otter hat ihren Werth. Da sind Händler, auf deren Preis-
couranten die Rubrik "Schlange" eine halbe Spalte füllt.

Aber wer kauft dergleichen?

Hunderte von Personen. Da sind zuerst die Zoologen und
Toxikologen von Fach, da sind die unerbittlichen Männer der
Vivisektion, die von dem harmlosen Kaninchen 'mal gern auf
ein kleineres Ungethüm mit Giftzahn und Giftblase überspringen
(ein höherer Sport, weil gefährlich), da sind endlich die chemisch-
physikalischen Oberlehrer dieses oder jenes Progymnasiums, die
das Naturalien-Cabinet in Pritzwalk oder Pasewalk auf der
"Höhe der Wissenschaft" zu erhalten d. h. mit allerhand Rep-
tilien in Glasflaschen auszustaffiren wünschen.

Auch mit Kreuzottern?

Gewiß. Die Herren von der Feder glauben immer, daß
sich die Welt blos aus Autographen- und wenn es hoch kommt
aus Kupferstichsammlern zusammensetzt. Sie glauben gar nicht,
was alles gesammelt wird.

In diesem Augenblick, als ob uns der Beweis "was alles
gesammelt würde", auf der Stelle geführt werden sollte, trat
aus einem wilden Elsbusch-Bosquet eine sonnenverbrannte Ge-
stalt hervor, deren Costüm (eine Art Jagdtasche, aus der drei
oder vier aufrechtstehende Cigarrenkisten hervorragten; dazu ein
Stock mit flatterndem Gazebeutel) keinen Zweifel darüber lassen
konnte, welcher Kategorie von Sammlern er zugehörte. Es war
ein Muster-Exemplar.

Er trat mit rascher Wendung an uns heran, machte mit
seinem Käscherstock eine Bewegung wie ein Tambour-Major,
wenn die Musik aufhören oder wieder anfangen soll, und sagte
dann im Berliner Dialekt: Erlauben Sie, daß ich mich Ihnen
vorstelle, mein Name ist Lampe, Kalitten-Jäger.

Nun iſt ſie wehrlos und wird durch eine zweite Manipulation
in einem Behälter, meiſt einer Flaſche, untergebracht.

Iſt dies nun wiſſenſchaftliche Paſſion?

Unter Umſtänden ja; aber zumeiſt Erwerb. Solche Kreuz-
otter hat ihren Werth. Da ſind Händler, auf deren Preis-
couranten die Rubrik „Schlange“ eine halbe Spalte füllt.

Aber wer kauft dergleichen?

Hunderte von Perſonen. Da ſind zuerſt die Zoologen und
Toxikologen von Fach, da ſind die unerbittlichen Männer der
Viviſektion, die von dem harmloſen Kaninchen ’mal gern auf
ein kleineres Ungethüm mit Giftzahn und Giftblaſe überſpringen
(ein höherer Sport, weil gefährlich), da ſind endlich die chemiſch-
phyſikaliſchen Oberlehrer dieſes oder jenes Progymnaſiums, die
das Naturalien-Cabinet in Pritzwalk oder Paſewalk auf der
„Höhe der Wiſſenſchaft“ zu erhalten d. h. mit allerhand Rep-
tilien in Glasflaſchen auszuſtaffiren wünſchen.

Auch mit Kreuzottern?

Gewiß. Die Herren von der Feder glauben immer, daß
ſich die Welt blos aus Autographen- und wenn es hoch kommt
aus Kupferſtichſammlern zuſammenſetzt. Sie glauben gar nicht,
was alles geſammelt wird.

In dieſem Augenblick, als ob uns der Beweis „was alles
geſammelt würde“, auf der Stelle geführt werden ſollte, trat
aus einem wilden Elsbuſch-Bosquet eine ſonnenverbrannte Ge-
ſtalt hervor, deren Coſtüm (eine Art Jagdtaſche, aus der drei
oder vier aufrechtſtehende Cigarrenkiſten hervorragten; dazu ein
Stock mit flatterndem Gazebeutel) keinen Zweifel darüber laſſen
konnte, welcher Kategorie von Sammlern er zugehörte. Es war
ein Muſter-Exemplar.

Er trat mit raſcher Wendung an uns heran, machte mit
ſeinem Käſcherſtock eine Bewegung wie ein Tambour-Major,
wenn die Muſik aufhören oder wieder anfangen ſoll, und ſagte
dann im Berliner Dialekt: Erlauben Sie, daß ich mich Ihnen
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[42/0060] Nun iſt ſie wehrlos und wird durch eine zweite Manipulation in einem Behälter, meiſt einer Flaſche, untergebracht. Iſt dies nun wiſſenſchaftliche Paſſion? Unter Umſtänden ja; aber zumeiſt Erwerb. Solche Kreuz- otter hat ihren Werth. Da ſind Händler, auf deren Preis- couranten die Rubrik „Schlange“ eine halbe Spalte füllt. Aber wer kauft dergleichen? Hunderte von Perſonen. Da ſind zuerſt die Zoologen und Toxikologen von Fach, da ſind die unerbittlichen Männer der Viviſektion, die von dem harmloſen Kaninchen ’mal gern auf ein kleineres Ungethüm mit Giftzahn und Giftblaſe überſpringen (ein höherer Sport, weil gefährlich), da ſind endlich die chemiſch- phyſikaliſchen Oberlehrer dieſes oder jenes Progymnaſiums, die das Naturalien-Cabinet in Pritzwalk oder Paſewalk auf der „Höhe der Wiſſenſchaft“ zu erhalten d. h. mit allerhand Rep- tilien in Glasflaſchen auszuſtaffiren wünſchen. Auch mit Kreuzottern? Gewiß. Die Herren von der Feder glauben immer, daß ſich die Welt blos aus Autographen- und wenn es hoch kommt aus Kupferſtichſammlern zuſammenſetzt. Sie glauben gar nicht, was alles geſammelt wird. In dieſem Augenblick, als ob uns der Beweis „was alles geſammelt würde“, auf der Stelle geführt werden ſollte, trat aus einem wilden Elsbuſch-Bosquet eine ſonnenverbrannte Ge- ſtalt hervor, deren Coſtüm (eine Art Jagdtaſche, aus der drei oder vier aufrechtſtehende Cigarrenkiſten hervorragten; dazu ein Stock mit flatterndem Gazebeutel) keinen Zweifel darüber laſſen konnte, welcher Kategorie von Sammlern er zugehörte. Es war ein Muſter-Exemplar. Er trat mit raſcher Wendung an uns heran, machte mit ſeinem Käſcherſtock eine Bewegung wie ein Tambour-Major, wenn die Muſik aufhören oder wieder anfangen ſoll, und ſagte dann im Berliner Dialekt: Erlauben Sie, daß ich mich Ihnen vorſtelle, mein Name iſt Lampe, Kalitten-Jäger.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/60>, abgerufen am 04.12.2024.