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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Die Mühlen stehen so steif und leblos da, als hätten sie
sich nie im Klappertakte gedreht. Sonntags- und Mittagsstille
vereinigen sich zu einem Bilde absoluter Ruhe, und wäre nicht
der Wind, der oft umschlagend, bald wie ein Gefährte plau-
dernd neben uns hergeht, bald wie ein junger Bursche uns
entgegen springt, so wäre die Einsamkeit vollkommen. Die
Sonne brennt heiß und nach verhältnißmäßig kurzem Marsche
schon, machen wir Halt in einem der vielen Gräben, die sich
neben der Straße hinziehen. Wie uns die kurze Rast erquickt!
der Weidenstamm gönnt eine bequeme Rückenlehne und die
herabhängenden Zweige schützen gegen den Anprall der Sonne.
Auch für Unterhaltung ist gesorgt; das Stillleben der Natur
thut sich auf, die Goldkäfer huschen durch das abgefallene Blatt-
werk und die Feldmäuse, vorsichtig und neugierig wie auf
Recognoscirung, stecken die Köpfchen aus den Löchern hervor,
die sich zahllos zu beiden Seiten des Grabens befinden. In
dem Sumpfwasser zu unserer Linken beginnen inzwischen die
Unken ihre Mittagsmelodien. Wie das ferne Schellenläuten
weidender Heerden klingt es, und zum ersten Mal verstehn wir
die Sage von den untergegangenen Städten und Dörfern, deren
Glocken um die Mittagsstunde leise nach oben klingen. Wir
lauschen auf, aber es bangt uns mehr und mehr vor dem
unheimlich einschmeichelnden Getöne, und rasch aufspringend,
marschiren wir rüstig weiter in die brennende Mittagsstille hin-
ein, dankbar gegen den entgegenkommenden Wind, der uns
das Gesicht kühlt und die verfolgenden Unkenstimmen mit in
unsern Rücken nimmt. So erreichen wir bald den mit Nadel-
und Laubholz bestandenen Sandrücken, der, als wir die Nauener
Mühlen passirten, wie eine Coulisse vor uns stand, waten
geduldig durch den heißen mahlenden Sand des Fahrwegs hin-
durch und treten endlich aufathmend in die südliche Hälfte des
Havellandes ein. Aufathmend; -- denn kaum die Tannen im
Rücken, ist es uns, als wehe uns eine feuchte Kühle an, wie
von der Nachbarschaft eines breiten Strom's, und doch ist es
noch eine volle Meile bis an die Buchtung der schönen Havel.

Die Mühlen ſtehen ſo ſteif und leblos da, als hätten ſie
ſich nie im Klappertakte gedreht. Sonntags- und Mittagsſtille
vereinigen ſich zu einem Bilde abſoluter Ruhe, und wäre nicht
der Wind, der oft umſchlagend, bald wie ein Gefährte plau-
dernd neben uns hergeht, bald wie ein junger Burſche uns
entgegen ſpringt, ſo wäre die Einſamkeit vollkommen. Die
Sonne brennt heiß und nach verhältnißmäßig kurzem Marſche
ſchon, machen wir Halt in einem der vielen Gräben, die ſich
neben der Straße hinziehen. Wie uns die kurze Raſt erquickt!
der Weidenſtamm gönnt eine bequeme Rückenlehne und die
herabhängenden Zweige ſchützen gegen den Anprall der Sonne.
Auch für Unterhaltung iſt geſorgt; das Stillleben der Natur
thut ſich auf, die Goldkäfer huſchen durch das abgefallene Blatt-
werk und die Feldmäuſe, vorſichtig und neugierig wie auf
Recognoscirung, ſtecken die Köpfchen aus den Löchern hervor,
die ſich zahllos zu beiden Seiten des Grabens befinden. In
dem Sumpfwaſſer zu unſerer Linken beginnen inzwiſchen die
Unken ihre Mittagsmelodien. Wie das ferne Schellenläuten
weidender Heerden klingt es, und zum erſten Mal verſtehn wir
die Sage von den untergegangenen Städten und Dörfern, deren
Glocken um die Mittagsſtunde leiſe nach oben klingen. Wir
lauſchen auf, aber es bangt uns mehr und mehr vor dem
unheimlich einſchmeichelnden Getöne, und raſch aufſpringend,
marſchiren wir rüſtig weiter in die brennende Mittagsſtille hin-
ein, dankbar gegen den entgegenkommenden Wind, der uns
das Geſicht kühlt und die verfolgenden Unkenſtimmen mit in
unſern Rücken nimmt. So erreichen wir bald den mit Nadel-
und Laubholz beſtandenen Sandrücken, der, als wir die Nauener
Mühlen paſſirten, wie eine Couliſſe vor uns ſtand, waten
geduldig durch den heißen mahlenden Sand des Fahrwegs hin-
durch und treten endlich aufathmend in die ſüdliche Hälfte des
Havellandes ein. Aufathmend; — denn kaum die Tannen im
Rücken, iſt es uns, als wehe uns eine feuchte Kühle an, wie
von der Nachbarſchaft eines breiten Strom’s, und doch iſt es
noch eine volle Meile bis an die Buchtung der ſchönen Havel.

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[343/0361] Die Mühlen ſtehen ſo ſteif und leblos da, als hätten ſie ſich nie im Klappertakte gedreht. Sonntags- und Mittagsſtille vereinigen ſich zu einem Bilde abſoluter Ruhe, und wäre nicht der Wind, der oft umſchlagend, bald wie ein Gefährte plau- dernd neben uns hergeht, bald wie ein junger Burſche uns entgegen ſpringt, ſo wäre die Einſamkeit vollkommen. Die Sonne brennt heiß und nach verhältnißmäßig kurzem Marſche ſchon, machen wir Halt in einem der vielen Gräben, die ſich neben der Straße hinziehen. Wie uns die kurze Raſt erquickt! der Weidenſtamm gönnt eine bequeme Rückenlehne und die herabhängenden Zweige ſchützen gegen den Anprall der Sonne. Auch für Unterhaltung iſt geſorgt; das Stillleben der Natur thut ſich auf, die Goldkäfer huſchen durch das abgefallene Blatt- werk und die Feldmäuſe, vorſichtig und neugierig wie auf Recognoscirung, ſtecken die Köpfchen aus den Löchern hervor, die ſich zahllos zu beiden Seiten des Grabens befinden. In dem Sumpfwaſſer zu unſerer Linken beginnen inzwiſchen die Unken ihre Mittagsmelodien. Wie das ferne Schellenläuten weidender Heerden klingt es, und zum erſten Mal verſtehn wir die Sage von den untergegangenen Städten und Dörfern, deren Glocken um die Mittagsſtunde leiſe nach oben klingen. Wir lauſchen auf, aber es bangt uns mehr und mehr vor dem unheimlich einſchmeichelnden Getöne, und raſch aufſpringend, marſchiren wir rüſtig weiter in die brennende Mittagsſtille hin- ein, dankbar gegen den entgegenkommenden Wind, der uns das Geſicht kühlt und die verfolgenden Unkenſtimmen mit in unſern Rücken nimmt. So erreichen wir bald den mit Nadel- und Laubholz beſtandenen Sandrücken, der, als wir die Nauener Mühlen paſſirten, wie eine Couliſſe vor uns ſtand, waten geduldig durch den heißen mahlenden Sand des Fahrwegs hin- durch und treten endlich aufathmend in die ſüdliche Hälfte des Havellandes ein. Aufathmend; — denn kaum die Tannen im Rücken, iſt es uns, als wehe uns eine feuchte Kühle an, wie von der Nachbarſchaft eines breiten Strom’s, und doch iſt es noch eine volle Meile bis an die Buchtung der ſchönen Havel.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/361>, abgerufen am 24.11.2024.