hofmeisterin der Königin) war er bemüht in diese Stellung ein- rücken zu lassen. So war er denn allmächtiger Minister, war es und blieb es durch alle Wechselfälle einer elfjährigen Regierung hindurch und die Frage mag schon hier in Kürze angeregt und beantwortet werden: wodurch wurde diese Machtstellung gewonnen und behauptet? Die gewöhnliche Antwort lautet: durch servile Complaisance, durch Unterstützen oder Gewährenlassen jeder Schwäche, durch Schweigen, wo sich Reden geziemte, durch feige Unterordnung, die kein anderes Ziel kannte, als Festhalten des Gewonnenen, durch jedes Mittel, nöthigen- falls auch durch "Diavolini" und Geisterseherei. Wir halten diese Auffassung für falsch. Der damalige Hof, König und Umgebung, hatte seine weltkundigen Gebrechen; aber das Schlimmste nach dieser Seite hin lag weit zurück; das "Mar- morpalais" repräsentirte nicht jene elende Verschmelzung von Lust und Trägheit, von Geistlosigkeit und Aberglauben, als welche man nicht müde geworden ist, es darzustellen; man hatte auch Charakter, auch Principien (wahrer Herzensgüte ganz zu geschweigen), und ein wie starkes Residuum von Erregt- heit und Erschlaffung, von großem Wollen und kleinem Können verbleiben mag, niemals ist eine ganze Epoche so über Gebühr gebrandmarkt worden, als die Tage Friedrich Wilhelms II. und seines Ministers. Wir kommen, wenn wir am Schluß eine Charakterisirung Bischofswerders versuchen, ausführlicher auf diesen Punkt zurück.
Die Campagnen und auswärtigen Verwicklungen, die fast die ganze Regierungszeit des Königs, wenigstens bis 1795, aus- füllten, riefen, wie diesen selbst, so auch seinen Minister vielfach ins Feld. Diplomatische Missionen schoben sich ein. v. B. nahm Theil an dem Congresse zu Szistowe, brachte mit Lord Elgin die Pillnitzer Convention (Ergreifung von Maßregeln gegen die französische Revolution) zu Stande, begleitete den Kö- nig 1792 während des Champagne - Feldzugs und ging bald darauf als Gesandter nach Paris, von wo er 1794 zurück- kehrte.
hofmeiſterin der Königin) war er bemüht in dieſe Stellung ein- rücken zu laſſen. So war er denn allmächtiger Miniſter, war es und blieb es durch alle Wechſelfälle einer elfjährigen Regierung hindurch und die Frage mag ſchon hier in Kürze angeregt und beantwortet werden: wodurch wurde dieſe Machtſtellung gewonnen und behauptet? Die gewöhnliche Antwort lautet: durch ſervile Complaiſance, durch Unterſtützen oder Gewährenlaſſen jeder Schwäche, durch Schweigen, wo ſich Reden geziemte, durch feige Unterordnung, die kein anderes Ziel kannte, als Feſthalten des Gewonnenen, durch jedes Mittel, nöthigen- falls auch durch „Diavolini“ und Geiſterſeherei. Wir halten dieſe Auffaſſung für falſch. Der damalige Hof, König und Umgebung, hatte ſeine weltkundigen Gebrechen; aber das Schlimmſte nach dieſer Seite hin lag weit zurück; das „Mar- morpalais“ repräſentirte nicht jene elende Verſchmelzung von Luſt und Trägheit, von Geiſtloſigkeit und Aberglauben, als welche man nicht müde geworden iſt, es darzuſtellen; man hatte auch Charakter, auch Principien (wahrer Herzensgüte ganz zu geſchweigen), und ein wie ſtarkes Reſiduum von Erregt- heit und Erſchlaffung, von großem Wollen und kleinem Können verbleiben mag, niemals iſt eine ganze Epoche ſo über Gebühr gebrandmarkt worden, als die Tage Friedrich Wilhelms II. und ſeines Miniſters. Wir kommen, wenn wir am Schluß eine Charakteriſirung Biſchofswerders verſuchen, ausführlicher auf dieſen Punkt zurück.
Die Campagnen und auswärtigen Verwicklungen, die faſt die ganze Regierungszeit des Königs, wenigſtens bis 1795, aus- füllten, riefen, wie dieſen ſelbſt, ſo auch ſeinen Miniſter vielfach ins Feld. Diplomatiſche Miſſionen ſchoben ſich ein. v. B. nahm Theil an dem Congreſſe zu Sziſtowe, brachte mit Lord Elgin die Pillnitzer Convention (Ergreifung von Maßregeln gegen die franzöſiſche Revolution) zu Stande, begleitete den Kö- nig 1792 während des Champagne - Feldzugs und ging bald darauf als Geſandter nach Paris, von wo er 1794 zurück- kehrte.
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hofmeiſterin der Königin) war er bemüht in dieſe Stellung ein-
rücken zu laſſen. So war er denn allmächtiger Miniſter, war
es und blieb es durch alle Wechſelfälle einer elfjährigen Regierung
hindurch und die Frage mag ſchon hier in Kürze angeregt und
beantwortet werden: wodurch wurde dieſe Machtſtellung
gewonnen und behauptet? Die gewöhnliche Antwort
lautet: durch ſervile Complaiſance, durch Unterſtützen oder
Gewährenlaſſen jeder Schwäche, durch Schweigen, wo ſich Reden
geziemte, durch feige Unterordnung, die kein anderes Ziel kannte,
als Feſthalten des Gewonnenen, durch jedes Mittel, nöthigen-
falls auch durch „Diavolini“ und Geiſterſeherei. Wir halten
dieſe Auffaſſung für falſch. Der damalige Hof, König und
Umgebung, hatte ſeine weltkundigen Gebrechen; aber das
Schlimmſte nach dieſer Seite hin lag weit zurück; das „Mar-
morpalais“ repräſentirte nicht jene elende Verſchmelzung von
Luſt und Trägheit, von Geiſtloſigkeit und Aberglauben, als
welche man nicht müde geworden iſt, es darzuſtellen; man
hatte auch Charakter, auch Principien (wahrer Herzensgüte
ganz zu geſchweigen), und ein wie ſtarkes Reſiduum von Erregt-
heit und Erſchlaffung, von großem Wollen und kleinem Können
verbleiben mag, niemals iſt eine ganze Epoche ſo über Gebühr
gebrandmarkt worden, als die Tage Friedrich Wilhelms II. und
ſeines Miniſters. Wir kommen, wenn wir am Schluß eine
Charakteriſirung Biſchofswerders verſuchen, ausführlicher auf
dieſen Punkt zurück.
Die Campagnen und auswärtigen Verwicklungen, die faſt
die ganze Regierungszeit des Königs, wenigſtens bis 1795, aus-
füllten, riefen, wie dieſen ſelbſt, ſo auch ſeinen Miniſter vielfach
ins Feld. Diplomatiſche Miſſionen ſchoben ſich ein. v. B. nahm
Theil an dem Congreſſe zu Sziſtowe, brachte mit Lord Elgin
die Pillnitzer Convention (Ergreifung von Maßregeln gegen
die franzöſiſche Revolution) zu Stande, begleitete den Kö-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/281>, abgerufen am 24.11.2024.
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