Das nächste Jahr brachte den Frieden. Mit dem Friedens- schluß zusammen fiel der Erwerb von Marquardt. Schon einige Jahre früher, 1790 oder vielleicht schon 1789, hatte er sich zum zweiten Male verheirathet.
Die hohe Politik, die Zeit der Strebungen, lag zurück. Das Idyll nahm seinen Anfang.
Wir begleiten nun den Günstling-General durch die letzten 8 Jahre seines Lebens. Es sind Jahre in Marquardt.
Das neue Leben wurde durch das denkbar froheste Ereigniß inaugurirt: durch die Geburt eines Sohnes, eines Erben. Das alte Haus Bischofswerder, das bis dahin nur auf zwei Augen gestanden hatte, stand wieder auf vier. Die Taufe des Sohnes war ein Glanz- und Ehrentag. Der König hatte Pathenstelle angenommen und erschien mit seinen beiden Generaladjutanten v. Rodich und v. Reder. Die feierliche Handlung erfolgte im Schloß. Als Pastor Stiebritz (ein Name, dem wir im Verlauf unsres Aufsatzes noch öfters begegnen werden) die Taufformel sprechen wollte und bis an die Worte gekommen war: "ich taufe dich" stockte er, -- die Namen waren ihm abhanden gekommen, der Zettel fehlte. Aber die Verwirrung war nur eine momentane. v. Bischofswerder selbst trat vor, sprach die Namen, und der Pastor, rasch sich wiederfindend, beendete den Act.
Der Taufe folgte die Tafel und im Lauf des Nachmittags ein ländliches Fest. Der König blieb; die schöne Jahreszeit lud dazu ein. Noch leben Leute im Dorfe, achtzigjährige, die sich dieses Tages entsinnen. Ein Erinnerungsbaum wurde gepflanzt, ein Ringelreihen getanzt; der König, in weißer Uniform, leuch- tete aus dem Kreise der Tanzenden hervor. Am Abend brann- ten Lampions in allen Gängen des Parks, und die Lichter, sammt den dunklen Schatten der Eichen- und Ahornbäume, spiegelten sich im Schlänitzsee. Sehr spät erst kehrte der König nach Potsdam zurück. Er hatte dem Täufling eine Domherrn- Präbende als Pathengeschenk in das Taufkissen gesteckt. Von Jahr zu Jahr wachsend, steigerte sich der Werth derselben bis zu einer Jahres-Einnahme von 4500 Thalern.
Das nächſte Jahr brachte den Frieden. Mit dem Friedens- ſchluß zuſammen fiel der Erwerb von Marquardt. Schon einige Jahre früher, 1790 oder vielleicht ſchon 1789, hatte er ſich zum zweiten Male verheirathet.
Die hohe Politik, die Zeit der Strebungen, lag zurück. Das Idyll nahm ſeinen Anfang.
Wir begleiten nun den Günſtling-General durch die letzten 8 Jahre ſeines Lebens. Es ſind Jahre in Marquardt.
Das neue Leben wurde durch das denkbar froheſte Ereigniß inaugurirt: durch die Geburt eines Sohnes, eines Erben. Das alte Haus Biſchofswerder, das bis dahin nur auf zwei Augen geſtanden hatte, ſtand wieder auf vier. Die Taufe des Sohnes war ein Glanz- und Ehrentag. Der König hatte Pathenſtelle angenommen und erſchien mit ſeinen beiden Generaladjutanten v. Rodich und v. Reder. Die feierliche Handlung erfolgte im Schloß. Als Paſtor Stiebritz (ein Name, dem wir im Verlauf unſres Aufſatzes noch öfters begegnen werden) die Taufformel ſprechen wollte und bis an die Worte gekommen war: „ich taufe dich“ ſtockte er, — die Namen waren ihm abhanden gekommen, der Zettel fehlte. Aber die Verwirrung war nur eine momentane. v. Biſchofswerder ſelbſt trat vor, ſprach die Namen, und der Paſtor, raſch ſich wiederfindend, beendete den Act.
Der Taufe folgte die Tafel und im Lauf des Nachmittags ein ländliches Feſt. Der König blieb; die ſchöne Jahreszeit lud dazu ein. Noch leben Leute im Dorfe, achtzigjährige, die ſich dieſes Tages entſinnen. Ein Erinnerungsbaum wurde gepflanzt, ein Ringelreihen getanzt; der König, in weißer Uniform, leuch- tete aus dem Kreiſe der Tanzenden hervor. Am Abend brann- ten Lampions in allen Gängen des Parks, und die Lichter, ſammt den dunklen Schatten der Eichen- und Ahornbäume, ſpiegelten ſich im Schlänitzſee. Sehr ſpät erſt kehrte der König nach Potsdam zurück. Er hatte dem Täufling eine Domherrn- Präbende als Pathengeſchenk in das Taufkiſſen geſteckt. Von Jahr zu Jahr wachſend, ſteigerte ſich der Werth derſelben bis zu einer Jahres-Einnahme von 4500 Thalern.
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Das nächſte Jahr brachte den Frieden. Mit dem Friedens-
ſchluß zuſammen fiel der Erwerb von Marquardt. Schon einige
Jahre früher, 1790 oder vielleicht ſchon 1789, hatte er ſich zum
zweiten Male verheirathet.
Die hohe Politik, die Zeit der Strebungen, lag zurück.
Das Idyll nahm ſeinen Anfang.
Wir begleiten nun den Günſtling-General durch die letzten
8 Jahre ſeines Lebens. Es ſind Jahre in Marquardt.
Das neue Leben wurde durch das denkbar froheſte Ereigniß
inaugurirt: durch die Geburt eines Sohnes, eines Erben. Das
alte Haus Biſchofswerder, das bis dahin nur auf zwei Augen
geſtanden hatte, ſtand wieder auf vier. Die Taufe des Sohnes
war ein Glanz- und Ehrentag. Der König hatte Pathenſtelle
angenommen und erſchien mit ſeinen beiden Generaladjutanten
v. Rodich und v. Reder. Die feierliche Handlung erfolgte im
Schloß. Als Paſtor Stiebritz (ein Name, dem wir im Verlauf
unſres Aufſatzes noch öfters begegnen werden) die Taufformel
ſprechen wollte und bis an die Worte gekommen war: „ich taufe
dich“ ſtockte er, — die Namen waren ihm abhanden gekommen,
der Zettel fehlte. Aber die Verwirrung war nur eine momentane.
v. Biſchofswerder ſelbſt trat vor, ſprach die Namen, und der
Paſtor, raſch ſich wiederfindend, beendete den Act.
Der Taufe folgte die Tafel und im Lauf des Nachmittags
ein ländliches Feſt. Der König blieb; die ſchöne Jahreszeit lud
dazu ein. Noch leben Leute im Dorfe, achtzigjährige, die ſich
dieſes Tages entſinnen. Ein Erinnerungsbaum wurde gepflanzt,
ein Ringelreihen getanzt; der König, in weißer Uniform, leuch-
tete aus dem Kreiſe der Tanzenden hervor. Am Abend brann-
ten Lampions in allen Gängen des Parks, und die Lichter,
ſammt den dunklen Schatten der Eichen- und Ahornbäume,
ſpiegelten ſich im Schlänitzſee. Sehr ſpät erſt kehrte der König
nach Potsdam zurück. Er hatte dem Täufling eine Domherrn-
Präbende als Pathengeſchenk in das Taufkiſſen geſteckt. Von
Jahr zu Jahr wachſend, ſteigerte ſich der Werth derſelben bis
zu einer Jahres-Einnahme von 4500 Thalern.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/282>, abgerufen am 24.11.2024.
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