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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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und Gegensätzen, von Krieg und Frieden, von Reunions und
Festlichkeiten und von den delicaten Beziehungen zwischen Wirthen
und Miethern.

"Diese Beziehungen," so nahm der Gefährte eingehender
das Wort, "sind sehr gut, wie Sie sich denken können; es wird
hier studirt, aber es wird doch auch gelebt, und überraschlich ist
mir immer nur das Eine erschienen, daß, bei aller persönlichen
Hinneigung zu der unter ihnen weilenden jungen Rechts- und
Regierungs-Welt, die Hauswirthe und Villenbesitzer, die Autoch-
thonen von Neu-Geltow, eine entschiedene Vorliebe für höchst
unjuristische Aushilfen an den Tag legen. Ob die in den
Zimmern ihrer Miether aufgehäuften Wälzer und Pandektenstöße
die Frage in ihnen angeregt haben: "wer soll da Recht finden?"
-- gleichviel, es ist eine Thatsache, daß sie eine Art Passion
für das aide toi meme und für ein "abgekürztes Gerichts-
verfahren" haben.

"Sehen Sie hier drüben das Haus neben dem Eiskeller?"
fuhr mein Reisegefährte fort. Ich nickte. "Nun gut; in dem
zweiten Hause dahinter, mit den Jalousieen und der kleinen
Veranda, wohnen zwei Brüder, Kaufleute ihres Zeichens, die sich
aus den Geschäften wohl oder übel zurückgezogen haben und als
Zimmervermiether und Hoteliers kleineren Styls in der frischen
Luft von Neu-Geltow das Nützliche mit dem Angenehmen zu
verbinden trachten. Sie heißen Robertson, erzählen von einem
räthselhaften Urgroßvater, der aus Schottland hierher verschlagen
wurde, und haben ihre Sophas mit Tartan in den Clan-
Farben der Robertsons überzogen. Ihre Vornamen sind Wil-
helm und Robert, wobei jener, wenn es sich darum handelt "to
do the honors for all Scotland"
im Vortheil ist, indem er sich
beliebig aus einem Wilhelm in einen William umwandeln kann,
während der jüngere durch eine Art Sprachtücke unter allen
Umständen ein Robert bleibt. Er hat dafür den Vorzug der
Alliteration und eines gewissen Scandinavismus: Robert Robertson.

Sie müssen diese Abschweifung meiner Erzählung verzeihen.
Aber die beiden Brüder sind eben die Helden meiner Geschichte,

und Gegenſätzen, von Krieg und Frieden, von Reunions und
Feſtlichkeiten und von den delicaten Beziehungen zwiſchen Wirthen
und Miethern.

„Dieſe Beziehungen,“ ſo nahm der Gefährte eingehender
das Wort, „ſind ſehr gut, wie Sie ſich denken können; es wird
hier ſtudirt, aber es wird doch auch gelebt, und überraſchlich iſt
mir immer nur das Eine erſchienen, daß, bei aller perſönlichen
Hinneigung zu der unter ihnen weilenden jungen Rechts- und
Regierungs-Welt, die Hauswirthe und Villenbeſitzer, die Autoch-
thonen von Neu-Geltow, eine entſchiedene Vorliebe für höchſt
unjuriſtiſche Aushilfen an den Tag legen. Ob die in den
Zimmern ihrer Miether aufgehäuften Wälzer und Pandektenſtöße
die Frage in ihnen angeregt haben: „wer ſoll da Recht finden?“
— gleichviel, es iſt eine Thatſache, daß ſie eine Art Paſſion
für das aide toi même und für ein „abgekürztes Gerichts-
verfahren“ haben.

„Sehen Sie hier drüben das Haus neben dem Eiskeller?“
fuhr mein Reiſegefährte fort. Ich nickte. „Nun gut; in dem
zweiten Hauſe dahinter, mit den Jalouſieen und der kleinen
Veranda, wohnen zwei Brüder, Kaufleute ihres Zeichens, die ſich
aus den Geſchäften wohl oder übel zurückgezogen haben und als
Zimmervermiether und Hoteliers kleineren Styls in der friſchen
Luft von Neu-Geltow das Nützliche mit dem Angenehmen zu
verbinden trachten. Sie heißen Robertſon, erzählen von einem
räthſelhaften Urgroßvater, der aus Schottland hierher verſchlagen
wurde, und haben ihre Sophas mit Tartan in den Clan-
Farben der Robertſons überzogen. Ihre Vornamen ſind Wil-
helm und Robert, wobei jener, wenn es ſich darum handelt „to
do the honors for all Scotland“
im Vortheil iſt, indem er ſich
beliebig aus einem Wilhelm in einen William umwandeln kann,
während der jüngere durch eine Art Sprachtücke unter allen
Umſtänden ein Robert bleibt. Er hat dafür den Vorzug der
Alliteration und eines gewiſſen Scandinavismus: Robert Robertſon.

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[212/0230] und Gegenſätzen, von Krieg und Frieden, von Reunions und Feſtlichkeiten und von den delicaten Beziehungen zwiſchen Wirthen und Miethern. „Dieſe Beziehungen,“ ſo nahm der Gefährte eingehender das Wort, „ſind ſehr gut, wie Sie ſich denken können; es wird hier ſtudirt, aber es wird doch auch gelebt, und überraſchlich iſt mir immer nur das Eine erſchienen, daß, bei aller perſönlichen Hinneigung zu der unter ihnen weilenden jungen Rechts- und Regierungs-Welt, die Hauswirthe und Villenbeſitzer, die Autoch- thonen von Neu-Geltow, eine entſchiedene Vorliebe für höchſt unjuriſtiſche Aushilfen an den Tag legen. Ob die in den Zimmern ihrer Miether aufgehäuften Wälzer und Pandektenſtöße die Frage in ihnen angeregt haben: „wer ſoll da Recht finden?“ — gleichviel, es iſt eine Thatſache, daß ſie eine Art Paſſion für das aide toi même und für ein „abgekürztes Gerichts- verfahren“ haben. „Sehen Sie hier drüben das Haus neben dem Eiskeller?“ fuhr mein Reiſegefährte fort. Ich nickte. „Nun gut; in dem zweiten Hauſe dahinter, mit den Jalouſieen und der kleinen Veranda, wohnen zwei Brüder, Kaufleute ihres Zeichens, die ſich aus den Geſchäften wohl oder übel zurückgezogen haben und als Zimmervermiether und Hoteliers kleineren Styls in der friſchen Luft von Neu-Geltow das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden trachten. Sie heißen Robertſon, erzählen von einem räthſelhaften Urgroßvater, der aus Schottland hierher verſchlagen wurde, und haben ihre Sophas mit Tartan in den Clan- Farben der Robertſons überzogen. Ihre Vornamen ſind Wil- helm und Robert, wobei jener, wenn es ſich darum handelt „to do the honors for all Scotland“ im Vortheil iſt, indem er ſich beliebig aus einem Wilhelm in einen William umwandeln kann, während der jüngere durch eine Art Sprachtücke unter allen Umſtänden ein Robert bleibt. Er hat dafür den Vorzug der Alliteration und eines gewiſſen Scandinavismus: Robert Robertſon. Sie müſſen dieſe Abſchweifung meiner Erzählung verzeihen. Aber die beiden Brüder ſind eben die Helden meiner Geſchichte,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/230>, abgerufen am 28.11.2024.