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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Wie so viele andre hierher kommen. Er wurde nicht lange
gefragt. Sie hoben ihn aus, und ein schmucker Junge, wie er
war, nahmen sie ihn zur Garde. Er stand bei den Jägern.

Und durch schwere Schulen ist er gegangen, sagten Sie?

Das will ich meinen! Lassen Sie sich erzählen. Der
grüne Jägerrock sticht in die Augen; grün geht noch über blau;
kurz und gut, Schupke wurde ein glücklicher Liebhaber. Der
Himmel hing ihm voller Geigen. Ob er das Mädchen heirathen
wollte, weiß ich nicht, aber sie hielt zu ihm, und eines Tages,
(der Böse hatte sein Spiel,) schenkte sie ihm Uhr und Kette.
Eine goldene Uhr. Es sei ein Erbstück; ein Onkel von ihr sei
gestorben.

Das hätte nun unsern Schupke wohl stutzig machen sollen;
aber der Mensch ist eitel, und wenn er hübsch ist und erst
22 Jahr, dann ist er's doppelt, kurzum Schupke nahm die
Uhr und freute sich dran; die kleine goldene Kette paradirte
zwischen dem dritten und sechsten Knopf, und wenn ihm ein
Gedanke durch den Kopf ging, so dachte er: "es sterben so
Viele; warum soll er nicht gestorben sein?"

Es sterben so viele Onkel, aber ihr Onkel, des Mädchens
Onkel war nicht gestorben und schon am andern Tage hieß es:
des alten Wolffenstein goldene Uhr wird vermißt, Uhr und
Kette; und eine Stunde später hieß es: man weiß wer sie hat;
sie hat es gestanden.

Das ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt; es kam auch
in die Jäger-Kaserne. Schupke wurde leichenblaß. Ein
unbescholtener Mann, makellos, aller Leute Liebling, -- und
nun entehrt. "Ich hab es nicht gewußt;" aber wer hätt' es
geglaubt? Der Schein war gegen ihn. Es schüttelte ihn am
ganzen Leibe; er riß das Fenster auf, um wieder frei zu
athmen; es half nichts; ein furchtbares Anklagewort gellte ihm
vor den Ohren; er hörte das Ticken der unglückseligen Uhr auf
seiner Brust; er that sie weg -- es tickte noch.

Es mußte sein; er nahm seine Büchse und ging hinaus.

Aber das Leben ist süß. Er irrte draußen umher, erst an

Wie ſo viele andre hierher kommen. Er wurde nicht lange
gefragt. Sie hoben ihn aus, und ein ſchmucker Junge, wie er
war, nahmen ſie ihn zur Garde. Er ſtand bei den Jägern.

Und durch ſchwere Schulen iſt er gegangen, ſagten Sie?

Das will ich meinen! Laſſen Sie ſich erzählen. Der
grüne Jägerrock ſticht in die Augen; grün geht noch über blau;
kurz und gut, Schupke wurde ein glücklicher Liebhaber. Der
Himmel hing ihm voller Geigen. Ob er das Mädchen heirathen
wollte, weiß ich nicht, aber ſie hielt zu ihm, und eines Tages,
(der Böſe hatte ſein Spiel,) ſchenkte ſie ihm Uhr und Kette.
Eine goldene Uhr. Es ſei ein Erbſtück; ein Onkel von ihr ſei
geſtorben.

Das hätte nun unſern Schupke wohl ſtutzig machen ſollen;
aber der Menſch iſt eitel, und wenn er hübſch iſt und erſt
22 Jahr, dann iſt er’s doppelt, kurzum Schupke nahm die
Uhr und freute ſich dran; die kleine goldene Kette paradirte
zwiſchen dem dritten und ſechsten Knopf, und wenn ihm ein
Gedanke durch den Kopf ging, ſo dachte er: „es ſterben ſo
Viele; warum ſoll er nicht geſtorben ſein?“

Es ſterben ſo viele Onkel, aber ihr Onkel, des Mädchens
Onkel war nicht geſtorben und ſchon am andern Tage hieß es:
des alten Wolffenſtein goldene Uhr wird vermißt, Uhr und
Kette; und eine Stunde ſpäter hieß es: man weiß wer ſie hat;
ſie hat es geſtanden.

Das ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt; es kam auch
in die Jäger-Kaſerne. Schupke wurde leichenblaß. Ein
unbeſcholtener Mann, makellos, aller Leute Liebling, — und
nun entehrt. „Ich hab es nicht gewußt;“ aber wer hätt’ es
geglaubt? Der Schein war gegen ihn. Es ſchüttelte ihn am
ganzen Leibe; er riß das Fenſter auf, um wieder frei zu
athmen; es half nichts; ein furchtbares Anklagewort gellte ihm
vor den Ohren; er hörte das Ticken der unglückſeligen Uhr auf
ſeiner Bruſt; er that ſie weg — es tickte noch.

Es mußte ſein; er nahm ſeine Büchſe und ging hinaus.

Aber das Leben iſt ſüß. Er irrte draußen umher, erſt an

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[205/0223] Wie ſo viele andre hierher kommen. Er wurde nicht lange gefragt. Sie hoben ihn aus, und ein ſchmucker Junge, wie er war, nahmen ſie ihn zur Garde. Er ſtand bei den Jägern. Und durch ſchwere Schulen iſt er gegangen, ſagten Sie? Das will ich meinen! Laſſen Sie ſich erzählen. Der grüne Jägerrock ſticht in die Augen; grün geht noch über blau; kurz und gut, Schupke wurde ein glücklicher Liebhaber. Der Himmel hing ihm voller Geigen. Ob er das Mädchen heirathen wollte, weiß ich nicht, aber ſie hielt zu ihm, und eines Tages, (der Böſe hatte ſein Spiel,) ſchenkte ſie ihm Uhr und Kette. Eine goldene Uhr. Es ſei ein Erbſtück; ein Onkel von ihr ſei geſtorben. Das hätte nun unſern Schupke wohl ſtutzig machen ſollen; aber der Menſch iſt eitel, und wenn er hübſch iſt und erſt 22 Jahr, dann iſt er’s doppelt, kurzum Schupke nahm die Uhr und freute ſich dran; die kleine goldene Kette paradirte zwiſchen dem dritten und ſechsten Knopf, und wenn ihm ein Gedanke durch den Kopf ging, ſo dachte er: „es ſterben ſo Viele; warum ſoll er nicht geſtorben ſein?“ Es ſterben ſo viele Onkel, aber ihr Onkel, des Mädchens Onkel war nicht geſtorben und ſchon am andern Tage hieß es: des alten Wolffenſtein goldene Uhr wird vermißt, Uhr und Kette; und eine Stunde ſpäter hieß es: man weiß wer ſie hat; ſie hat es geſtanden. Das ging wie ein Lauffeuer durch die Stadt; es kam auch in die Jäger-Kaſerne. Schupke wurde leichenblaß. Ein unbeſcholtener Mann, makellos, aller Leute Liebling, — und nun entehrt. „Ich hab es nicht gewußt;“ aber wer hätt’ es geglaubt? Der Schein war gegen ihn. Es ſchüttelte ihn am ganzen Leibe; er riß das Fenſter auf, um wieder frei zu athmen; es half nichts; ein furchtbares Anklagewort gellte ihm vor den Ohren; er hörte das Ticken der unglückſeligen Uhr auf ſeiner Bruſt; er that ſie weg — es tickte noch. Es mußte ſein; er nahm ſeine Büchſe und ging hinaus. Aber das Leben iſt ſüß. Er irrte draußen umher, erſt an

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/223>, abgerufen am 27.11.2024.