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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Unser Führer endlich löste ihn. "Da drüben ist noch ein
Grab, das Sie sehen müssen." -- Zugleich brach er auf und
gab uns dadurch das Zeichen, ihm zu folgen.

Ein dichtes Fliedergestrüpp hatte uns wie eine Coulisse
von dem eigentlichen Kirchhof, der jetzt, wie erwähnt, seine
zweite Bestellzeit hat, getrennt, und wir standen nunmehr,
nachdem wir das Gestrüpp glücklich durchbrochen, vor einer
kleinen Gräberreihe, die das so lange brach gelegene Feld neu
zu durchziehen begann. Eines der Gräber war besonders gehegt
und gepflegt: ein Gartenbeet mit Rosen und Nelken, mit Lev-
kojen und Heliotrop dicht überwachsen. Zu Häupten des Grabes
stand ein Kreuz, dahinter hohe Malven. Die Inschrift lautete:
"Hier ruhet in Gott Johann Schupke, geb. d. 1. Feb. 1822,
gest. d. 30. Novbr, 1865. Jesaias Cap. 57 V. 2: "Und
die richtig vor sich gewandelt haben, kommen zum Frieden und
ruhen in ihren Kammern."

Die Sonne war am Untergehen; die schönste Zeit des
Tages, zumal für eine märkische Landschaft. Wir ließen deshalb
die Gräber, unterbrachen unser Gespräch und stiegen die Kirch-
thurmtreppe hinauf, um uns, nachdem wir die Luken geöffnet,
der im Golde daliegenden Schwilow-Ufer zu freuen. Wie
schön! Hier oben erst erneute sich das Gespräch. "Ja von
unserm Schupke wollt' ich erzählen," so hob unser Führer an.
Ich nickte zustimmend.

Gott hab' ihn selig, das war ein Mann und durch schwere
Schulen war er gegangen! Wen Gott lieb hat, den züchtigt er.
Und das muß ich sagen, wenn der Himmel je einen preußischen
Förster lieb gehabt hat, dann hat er Schupken lieb gehabt.

War er ein Alt-Geltower? fragte ich, um wenigstens etwas
von Theilnahme auszudrücken.

Da seh ich, daß Sie ihn nicht gekannt haben. Er war
ein Schlesier, aus dem Riesengebirge oder so herum, und sprach
das Rübezahl-Deutsch bis an sein seliges Ende. Nie ist ein
reines a über seine Lippen gekommen.

Wie kam er denn in diese Gegenden?

Unſer Führer endlich löſte ihn. „Da drüben iſt noch ein
Grab, das Sie ſehen müſſen.“ — Zugleich brach er auf und
gab uns dadurch das Zeichen, ihm zu folgen.

Ein dichtes Fliedergeſtrüpp hatte uns wie eine Couliſſe
von dem eigentlichen Kirchhof, der jetzt, wie erwähnt, ſeine
zweite Beſtellzeit hat, getrennt, und wir ſtanden nunmehr,
nachdem wir das Geſtrüpp glücklich durchbrochen, vor einer
kleinen Gräberreihe, die das ſo lange brach gelegene Feld neu
zu durchziehen begann. Eines der Gräber war beſonders gehegt
und gepflegt: ein Gartenbeet mit Roſen und Nelken, mit Lev-
kojen und Heliotrop dicht überwachſen. Zu Häupten des Grabes
ſtand ein Kreuz, dahinter hohe Malven. Die Inſchrift lautete:
„Hier ruhet in Gott Johann Schupke, geb. d. 1. Feb. 1822,
geſt. d. 30. Novbr, 1865. Jeſaias Cap. 57 V. 2: „Und
die richtig vor ſich gewandelt haben, kommen zum Frieden und
ruhen in ihren Kammern.“

Die Sonne war am Untergehen; die ſchönſte Zeit des
Tages, zumal für eine märkiſche Landſchaft. Wir ließen deshalb
die Gräber, unterbrachen unſer Geſpräch und ſtiegen die Kirch-
thurmtreppe hinauf, um uns, nachdem wir die Luken geöffnet,
der im Golde daliegenden Schwilow-Ufer zu freuen. Wie
ſchön! Hier oben erſt erneute ſich das Geſpräch. „Ja von
unſerm Schupke wollt’ ich erzählen,“ ſo hob unſer Führer an.
Ich nickte zuſtimmend.

Gott hab’ ihn ſelig, das war ein Mann und durch ſchwere
Schulen war er gegangen! Wen Gott lieb hat, den züchtigt er.
Und das muß ich ſagen, wenn der Himmel je einen preußiſchen
Förſter lieb gehabt hat, dann hat er Schupken lieb gehabt.

War er ein Alt-Geltower? fragte ich, um wenigſtens etwas
von Theilnahme auszudrücken.

Da ſeh ich, daß Sie ihn nicht gekannt haben. Er war
ein Schleſier, aus dem Rieſengebirge oder ſo herum, und ſprach
das Rübezahl-Deutſch bis an ſein ſeliges Ende. Nie iſt ein
reines a über ſeine Lippen gekommen.

Wie kam er denn in dieſe Gegenden?

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[204/0222] Unſer Führer endlich löſte ihn. „Da drüben iſt noch ein Grab, das Sie ſehen müſſen.“ — Zugleich brach er auf und gab uns dadurch das Zeichen, ihm zu folgen. Ein dichtes Fliedergeſtrüpp hatte uns wie eine Couliſſe von dem eigentlichen Kirchhof, der jetzt, wie erwähnt, ſeine zweite Beſtellzeit hat, getrennt, und wir ſtanden nunmehr, nachdem wir das Geſtrüpp glücklich durchbrochen, vor einer kleinen Gräberreihe, die das ſo lange brach gelegene Feld neu zu durchziehen begann. Eines der Gräber war beſonders gehegt und gepflegt: ein Gartenbeet mit Roſen und Nelken, mit Lev- kojen und Heliotrop dicht überwachſen. Zu Häupten des Grabes ſtand ein Kreuz, dahinter hohe Malven. Die Inſchrift lautete: „Hier ruhet in Gott Johann Schupke, geb. d. 1. Feb. 1822, geſt. d. 30. Novbr, 1865. Jeſaias Cap. 57 V. 2: „Und die richtig vor ſich gewandelt haben, kommen zum Frieden und ruhen in ihren Kammern.“ Die Sonne war am Untergehen; die ſchönſte Zeit des Tages, zumal für eine märkiſche Landſchaft. Wir ließen deshalb die Gräber, unterbrachen unſer Geſpräch und ſtiegen die Kirch- thurmtreppe hinauf, um uns, nachdem wir die Luken geöffnet, der im Golde daliegenden Schwilow-Ufer zu freuen. Wie ſchön! Hier oben erſt erneute ſich das Geſpräch. „Ja von unſerm Schupke wollt’ ich erzählen,“ ſo hob unſer Führer an. Ich nickte zuſtimmend. Gott hab’ ihn ſelig, das war ein Mann und durch ſchwere Schulen war er gegangen! Wen Gott lieb hat, den züchtigt er. Und das muß ich ſagen, wenn der Himmel je einen preußiſchen Förſter lieb gehabt hat, dann hat er Schupken lieb gehabt. War er ein Alt-Geltower? fragte ich, um wenigſtens etwas von Theilnahme auszudrücken. Da ſeh ich, daß Sie ihn nicht gekannt haben. Er war ein Schleſier, aus dem Rieſengebirge oder ſo herum, und ſprach das Rübezahl-Deutſch bis an ſein ſeliges Ende. Nie iſt ein reines a über ſeine Lippen gekommen. Wie kam er denn in dieſe Gegenden?

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/222>, abgerufen am 27.11.2024.