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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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zier mit zweihundert Mann von Prag aus nach Teplitz, umstellte
Schönings Wohnung, ließ ohne weiteres eine Salve geben, brach
mit Gewalt in's Haus ein und nahm den Feldmarschall gefangen,
der, im bloßen Hemd aus dem Bett gesprungen, kaum Zeit ge-
funden hatte, einen Schlafrock überzuwerfen. So, mit bloßen Fü-
ßen, setzte man ihn in eine Kalesche, der Offizier und zwei Mann
bei ihm, und fuhr im schnellsten Galopp der Festung Prag zu.
Der Adjutant des Feldmarschalls, Major von Droste, jagte sofort
dem Wagen nach und griff die schwache Bedeckung an. Als aber
einer der Soldaten das Gewehr auf Schöning anlegte und diesen
zu erschießen drohte, überließ Droste den Feldmarschall den Händen
seiner Ueberwinder. Von Prag brachte man ihn nach dem Spiel-
berg bei Brünn und führte dort sein Verhör. Man wollte einen
zweiten Wallenstein aus ihm machen und hielt die Meinung auf-
recht, daß er nicht ohne Absichten nach dem Reichscommando ge-
strebt habe. Aber alle Bemühungen, ihn zu einem Hochverräther,
zu einem "Verbrecher gegen die Interessen des Reichs" zu machen,
waren vergeblich.

Sachsen war durch diesen eigenmächtigen Schritt auf's schwerste
beleidigt und zog zunächst die 3000 Mann zurück, die es als
Reichscontingent gestellt hatte; alle Schritte aber, die Freilassung
Schönings zu erwirken, blieben fruchtlos, bis endlich, nach zwei
Jahren schmählicher Gefangenschaft, der Regierungsantritt Friedrich
Augusts, (August der Starke, König von Polen) und die energi-
schen Proteste desselben, Schöning die Freiheit wiedergaben. Um die
Aussöhnung vollständiger zu machen, erschien jetzt der bis dahin ge-
fangen Gehaltene vor Kaiser und Kaiserin zur Audienz, und da
er eben damals schwer vom Podagra geplagt wurde, ward er in
einem Sessel vor die beiden Majestäten getragen, ein Um-
stand, der nicht ermangelte, in ganz Europa die größte Sensation
hervorzurufen.

Es war das viel Auszeichnung, auch namentlich wohl in den
Augen Schönings, dessen Herz besonders empfänglich war für der-
artige Huldigungen; aber die Süßigkeit solcher Stunden konnte

zier mit zweihundert Mann von Prag aus nach Teplitz, umſtellte
Schönings Wohnung, ließ ohne weiteres eine Salve geben, brach
mit Gewalt in’s Haus ein und nahm den Feldmarſchall gefangen,
der, im bloßen Hemd aus dem Bett geſprungen, kaum Zeit ge-
funden hatte, einen Schlafrock überzuwerfen. So, mit bloßen Fü-
ßen, ſetzte man ihn in eine Kaleſche, der Offizier und zwei Mann
bei ihm, und fuhr im ſchnellſten Galopp der Feſtung Prag zu.
Der Adjutant des Feldmarſchalls, Major von Droſte, jagte ſofort
dem Wagen nach und griff die ſchwache Bedeckung an. Als aber
einer der Soldaten das Gewehr auf Schöning anlegte und dieſen
zu erſchießen drohte, überließ Droſte den Feldmarſchall den Händen
ſeiner Ueberwinder. Von Prag brachte man ihn nach dem Spiel-
berg bei Brünn und führte dort ſein Verhör. Man wollte einen
zweiten Wallenſtein aus ihm machen und hielt die Meinung auf-
recht, daß er nicht ohne Abſichten nach dem Reichscommando ge-
ſtrebt habe. Aber alle Bemühungen, ihn zu einem Hochverräther,
zu einem „Verbrecher gegen die Intereſſen des Reichs“ zu machen,
waren vergeblich.

Sachſen war durch dieſen eigenmächtigen Schritt auf’s ſchwerſte
beleidigt und zog zunächſt die 3000 Mann zurück, die es als
Reichscontingent geſtellt hatte; alle Schritte aber, die Freilaſſung
Schönings zu erwirken, blieben fruchtlos, bis endlich, nach zwei
Jahren ſchmählicher Gefangenſchaft, der Regierungsantritt Friedrich
Auguſts, (Auguſt der Starke, König von Polen) und die energi-
ſchen Proteſte deſſelben, Schöning die Freiheit wiedergaben. Um die
Ausſöhnung vollſtändiger zu machen, erſchien jetzt der bis dahin ge-
fangen Gehaltene vor Kaiſer und Kaiſerin zur Audienz, und da
er eben damals ſchwer vom Podagra geplagt wurde, ward er in
einem Seſſel vor die beiden Majeſtäten getragen, ein Um-
ſtand, der nicht ermangelte, in ganz Europa die größte Senſation
hervorzurufen.

Es war das viel Auszeichnung, auch namentlich wohl in den
Augen Schönings, deſſen Herz beſonders empfänglich war für der-
artige Huldigungen; aber die Süßigkeit ſolcher Stunden konnte

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[38/0050] zier mit zweihundert Mann von Prag aus nach Teplitz, umſtellte Schönings Wohnung, ließ ohne weiteres eine Salve geben, brach mit Gewalt in’s Haus ein und nahm den Feldmarſchall gefangen, der, im bloßen Hemd aus dem Bett geſprungen, kaum Zeit ge- funden hatte, einen Schlafrock überzuwerfen. So, mit bloßen Fü- ßen, ſetzte man ihn in eine Kaleſche, der Offizier und zwei Mann bei ihm, und fuhr im ſchnellſten Galopp der Feſtung Prag zu. Der Adjutant des Feldmarſchalls, Major von Droſte, jagte ſofort dem Wagen nach und griff die ſchwache Bedeckung an. Als aber einer der Soldaten das Gewehr auf Schöning anlegte und dieſen zu erſchießen drohte, überließ Droſte den Feldmarſchall den Händen ſeiner Ueberwinder. Von Prag brachte man ihn nach dem Spiel- berg bei Brünn und führte dort ſein Verhör. Man wollte einen zweiten Wallenſtein aus ihm machen und hielt die Meinung auf- recht, daß er nicht ohne Abſichten nach dem Reichscommando ge- ſtrebt habe. Aber alle Bemühungen, ihn zu einem Hochverräther, zu einem „Verbrecher gegen die Intereſſen des Reichs“ zu machen, waren vergeblich. Sachſen war durch dieſen eigenmächtigen Schritt auf’s ſchwerſte beleidigt und zog zunächſt die 3000 Mann zurück, die es als Reichscontingent geſtellt hatte; alle Schritte aber, die Freilaſſung Schönings zu erwirken, blieben fruchtlos, bis endlich, nach zwei Jahren ſchmählicher Gefangenſchaft, der Regierungsantritt Friedrich Auguſts, (Auguſt der Starke, König von Polen) und die energi- ſchen Proteſte deſſelben, Schöning die Freiheit wiedergaben. Um die Ausſöhnung vollſtändiger zu machen, erſchien jetzt der bis dahin ge- fangen Gehaltene vor Kaiſer und Kaiſerin zur Audienz, und da er eben damals ſchwer vom Podagra geplagt wurde, ward er in einem Seſſel vor die beiden Majeſtäten getragen, ein Um- ſtand, der nicht ermangelte, in ganz Europa die größte Senſation hervorzurufen. Es war das viel Auszeichnung, auch namentlich wohl in den Augen Schönings, deſſen Herz beſonders empfänglich war für der- artige Huldigungen; aber die Süßigkeit ſolcher Stunden konnte

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/50>, abgerufen am 21.11.2024.