Werk. Der Thurm ist ein Curiosum; auf dem Unterbau desselben, der etwa bis an den Dachfirst reicht, hat er eine niedrigere Etage aufgesetzt, dieser Etage aber nicht die Form eines Würfels, sondern eines niedrigen, von zwei Seiten her zusammengepreßten Cylinders gegeben. Das Ganze sieht etwa aus, und entspricht auch ziemlich den Proportionen, wie wenn man ein ovales Serviettenband auf eine oblong geformte Theebüchse stellt. Wie Schinkel zu diesem Curiosum gekommen ist, ist schwer zu sagen. Er hielt, der bloßen Theorie gegenüber, viel vom ausprobiren; erwiesen ist es, daß er Dinge, die in der Zeichnung seinen Beifall hatten, hinterher änderte, weil er fand, daß sie in Substanz und Wirklichkeit sich anders ausnahmen, als im Bilde. Diese oft gemachte Erfahrung konnte ihn, in einem einzelnen Falle, leicht dahin führen, überhaupt sich mal auf's Probiren zu legen und etwa zu sagen: "so vieles, was die Theorie gut heißt, macht sich hinterher schlecht; sei es des- halb mal versucht, ob nicht das, was die Theorie verwirft, sich hinterher gut präsentirt." So setzte er (wenn wir überhaupt rich- tig erklärt haben) eine elliptische Etage auf einen oblongen Unter- thurm. Aber freilich war es ein mißglückter Versuch. Wir zweifeln nicht, daß er ihn später selber als solchen angesehen hat.
An der entgegengesetzten Giebelwand der Kirche befindet sich das Mausoleum. Es ist, wie alle ähnlichen Werke Schinkels, ein durchaus griechischer Bau: dorische Säulen tragen ein Giebel- feld. Die Anlage ist in gewissem Sinne eigenthümlich und verhält sich zu einem frei und selbstständig dastehenden Mausoleums-Bau (etwa nach Art des Chorlottenburgers), wie sich ein Hautrelief zu einer vollen, plastischen Figur verhält. Der Bau steckt nämlich scheinbar in der Kirchenwand und springt aus derselben nur zum kleinsten Theil hervor. Es ist die bloße Front eines Mausoleums.
Das Innere der Kirche, -- bis zu einem gewissen Grade an den Berliner Dom erinnernd, und in der That genau um dieselbe Zeit (1817) aufgeführt, in der Schinkel die Restaurirung des alten Doms leitete, -- ist hell, geräumig, lichtvoll, ein wenig nüchtern; das Ganze mehr ein Betsaal, als ein Kirchenschiff. Eigen-
Werk. Der Thurm iſt ein Curioſum; auf dem Unterbau deſſelben, der etwa bis an den Dachfirſt reicht, hat er eine niedrigere Etage aufgeſetzt, dieſer Etage aber nicht die Form eines Würfels, ſondern eines niedrigen, von zwei Seiten her zuſammengepreßten Cylinders gegeben. Das Ganze ſieht etwa aus, und entſpricht auch ziemlich den Proportionen, wie wenn man ein ovales Serviettenband auf eine oblong geformte Theebüchſe ſtellt. Wie Schinkel zu dieſem Curioſum gekommen iſt, iſt ſchwer zu ſagen. Er hielt, der bloßen Theorie gegenüber, viel vom ausprobiren; erwieſen iſt es, daß er Dinge, die in der Zeichnung ſeinen Beifall hatten, hinterher änderte, weil er fand, daß ſie in Subſtanz und Wirklichkeit ſich anders ausnahmen, als im Bilde. Dieſe oft gemachte Erfahrung konnte ihn, in einem einzelnen Falle, leicht dahin führen, überhaupt ſich mal auf’s Probiren zu legen und etwa zu ſagen: „ſo vieles, was die Theorie gut heißt, macht ſich hinterher ſchlecht; ſei es des- halb mal verſucht, ob nicht das, was die Theorie verwirft, ſich hinterher gut präſentirt.“ So ſetzte er (wenn wir überhaupt rich- tig erklärt haben) eine elliptiſche Etage auf einen oblongen Unter- thurm. Aber freilich war es ein mißglückter Verſuch. Wir zweifeln nicht, daß er ihn ſpäter ſelber als ſolchen angeſehen hat.
An der entgegengeſetzten Giebelwand der Kirche befindet ſich das Mauſoleum. Es iſt, wie alle ähnlichen Werke Schinkels, ein durchaus griechiſcher Bau: doriſche Säulen tragen ein Giebel- feld. Die Anlage iſt in gewiſſem Sinne eigenthümlich und verhält ſich zu einem frei und ſelbſtſtändig daſtehenden Mauſoleums-Bau (etwa nach Art des Chorlottenburgers), wie ſich ein Hautrelief zu einer vollen, plaſtiſchen Figur verhält. Der Bau ſteckt nämlich ſcheinbar in der Kirchenwand und ſpringt aus derſelben nur zum kleinſten Theil hervor. Es iſt die bloße Front eines Mauſoleums.
Das Innere der Kirche, — bis zu einem gewiſſen Grade an den Berliner Dom erinnernd, und in der That genau um dieſelbe Zeit (1817) aufgeführt, in der Schinkel die Reſtaurirung des alten Doms leitete, — iſt hell, geräumig, lichtvoll, ein wenig nüchtern; das Ganze mehr ein Betſaal, als ein Kirchenſchiff. Eigen-
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Werk. Der Thurm iſt ein Curioſum; auf dem Unterbau deſſelben,
der etwa bis an den Dachfirſt reicht, hat er eine niedrigere Etage
aufgeſetzt, dieſer Etage aber nicht die Form eines Würfels, ſondern
eines niedrigen, von zwei Seiten her zuſammengepreßten Cylinders
gegeben. Das Ganze ſieht etwa aus, und entſpricht auch ziemlich
den Proportionen, wie wenn man ein ovales Serviettenband auf
eine oblong geformte Theebüchſe ſtellt. Wie Schinkel zu dieſem
Curioſum gekommen iſt, iſt ſchwer zu ſagen. Er hielt, der bloßen
Theorie gegenüber, viel vom ausprobiren; erwieſen iſt es, daß
er Dinge, die in der Zeichnung ſeinen Beifall hatten, hinterher
änderte, weil er fand, daß ſie in Subſtanz und Wirklichkeit ſich
anders ausnahmen, als im Bilde. Dieſe oft gemachte Erfahrung
konnte ihn, in einem einzelnen Falle, leicht dahin führen, überhaupt
ſich mal auf’s Probiren zu legen und etwa zu ſagen: „ſo vieles,
was die Theorie gut heißt, macht ſich hinterher ſchlecht; ſei es des-
halb mal verſucht, ob nicht das, was die Theorie verwirft, ſich
hinterher gut präſentirt.“ So ſetzte er (wenn wir überhaupt rich-
tig erklärt haben) eine elliptiſche Etage auf einen oblongen Unter-
thurm. Aber freilich war es ein mißglückter Verſuch. Wir zweifeln
nicht, daß er ihn ſpäter ſelber als ſolchen angeſehen hat.
An der entgegengeſetzten Giebelwand der Kirche befindet ſich
das Mauſoleum. Es iſt, wie alle ähnlichen Werke Schinkels,
ein durchaus griechiſcher Bau: doriſche Säulen tragen ein Giebel-
feld. Die Anlage iſt in gewiſſem Sinne eigenthümlich und verhält
ſich zu einem frei und ſelbſtſtändig daſtehenden Mauſoleums-Bau
(etwa nach Art des Chorlottenburgers), wie ſich ein Hautrelief zu
einer vollen, plaſtiſchen Figur verhält. Der Bau ſteckt nämlich
ſcheinbar in der Kirchenwand und ſpringt aus derſelben nur zum
kleinſten Theil hervor. Es iſt die bloße Front eines Mauſoleums.
Das Innere der Kirche, — bis zu einem gewiſſen Grade
an den Berliner Dom erinnernd, und in der That genau um
dieſelbe Zeit (1817) aufgeführt, in der Schinkel die Reſtaurirung
des alten Doms leitete, — iſt hell, geräumig, lichtvoll, ein wenig
nüchtern; das Ganze mehr ein Betſaal, als ein Kirchenſchiff. Eigen-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/446>, abgerufen am 22.11.2024.
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