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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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thümlich ist der Altar. Hinter demselben, die Kirche chorartig schlie-
ßend, erhebt sich eine hohe Nischen-Wand, deren halbkreisförmige
Fläche durch gemalte Säulen in verschiedene Felder getheilt wird.
Es sind ihrer fünf. Aus dem Mittelfelde springt die Kanzel her-
vor, nach rechts und links hin von den vier andern Feldern flan-
kirt. In diesen vier Feldern befinden sich die Colossalfiguren der
vier Evangelisten, und zwar Johannes und Lucas zur Linken,
Matthäus und Marcus zur Rechten der Kanzel. Die Bilder sind
von ungleichem Werth; Matthäus, Johannes, Lucas lassen viel
zu wünschen übrig; der Marcus, wenn ich nicht irre, nach Michel
Angelo, ist vorzüglich. Sie rühren von einem gewissen Bertini
her, den der Staatskanzler (bekanntlich ein Mäcen der schönen
Künste) nach Italien schickte, um diese Bilder nach den Vorbildern
großer Meister zu fertigen. Sie sind, wie gesagt, nicht alle gut,
aber auch wie sie sind, bilden sie jedenfalls einen Bilderschmuck,
wie er derart, nach der Seite des Künstlerischen hin, in mär-
kischen Dorfkirchen schwerlich zum zweiten Male angetroffen wird.

Der Altar der Kirche birgt noch eine andre Sehenswürdig-
keit: das Herz des Fürsten-Staatskanzlers. Auf einem Kissen ruht
es, von einer Glasglocke umschlossen. Der Schrein aber, der das
Ganze einschließt, trägt an seiner Außenseite folgende Ottaverim-
Strophe als Inschrift:

Des Fürsten Herz, das liebend treu geschlagen
Für seinen König und für's Vaterland,
Das -- in den schweren, blut'gen Kampfestagen,
Wo vielen auch die letzte Hoffnung schwand --
Durch Muth und Weisheit stark, in kühnem Wagen
Des Vaterlandes Ruhm und Rettung fand,
Und nach vollbrachtem Werk, gebaut dem heilgen Worte
Des Herrn den Tempel hier -- das ruht an diesem Orte.

Diese Strophe, die dem Andenken des Fürsten eine maßvolle
und wohlverdiente Huldigung darbringt, böte eine schickliche Gele-
genheit, wenigstens den Versuch einer Charakteristik zu wagen. Ich
nehme aber Abstand davon. Was ich sagen könnte, ist oft gesagt;

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thümlich iſt der Altar. Hinter demſelben, die Kirche chorartig ſchlie-
ßend, erhebt ſich eine hohe Niſchen-Wand, deren halbkreisförmige
Fläche durch gemalte Säulen in verſchiedene Felder getheilt wird.
Es ſind ihrer fünf. Aus dem Mittelfelde ſpringt die Kanzel her-
vor, nach rechts und links hin von den vier andern Feldern flan-
kirt. In dieſen vier Feldern befinden ſich die Coloſſalfiguren der
vier Evangeliſten, und zwar Johannes und Lucas zur Linken,
Matthäus und Marcus zur Rechten der Kanzel. Die Bilder ſind
von ungleichem Werth; Matthäus, Johannes, Lucas laſſen viel
zu wünſchen übrig; der Marcus, wenn ich nicht irre, nach Michel
Angelo, iſt vorzüglich. Sie rühren von einem gewiſſen Bertini
her, den der Staatskanzler (bekanntlich ein Mäcen der ſchönen
Künſte) nach Italien ſchickte, um dieſe Bilder nach den Vorbildern
großer Meiſter zu fertigen. Sie ſind, wie geſagt, nicht alle gut,
aber auch wie ſie ſind, bilden ſie jedenfalls einen Bilderſchmuck,
wie er derart, nach der Seite des Künſtleriſchen hin, in mär-
kiſchen Dorfkirchen ſchwerlich zum zweiten Male angetroffen wird.

Der Altar der Kirche birgt noch eine andre Sehenswürdig-
keit: das Herz des Fürſten-Staatskanzlers. Auf einem Kiſſen ruht
es, von einer Glasglocke umſchloſſen. Der Schrein aber, der das
Ganze einſchließt, trägt an ſeiner Außenſeite folgende Ottaverim-
Strophe als Inſchrift:

Des Fürſten Herz, das liebend treu geſchlagen
Für ſeinen König und für’s Vaterland,
Das — in den ſchweren, blut’gen Kampfestagen,
Wo vielen auch die letzte Hoffnung ſchwand —
Durch Muth und Weisheit ſtark, in kühnem Wagen
Des Vaterlandes Ruhm und Rettung fand,
Und nach vollbrachtem Werk, gebaut dem heilgen Worte
Des Herrn den Tempel hier — das ruht an dieſem Orte.

Dieſe Strophe, die dem Andenken des Fürſten eine maßvolle
und wohlverdiente Huldigung darbringt, böte eine ſchickliche Gele-
genheit, wenigſtens den Verſuch einer Charakteriſtik zu wagen. Ich
nehme aber Abſtand davon. Was ich ſagen könnte, iſt oft geſagt;

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[435/0447] thümlich iſt der Altar. Hinter demſelben, die Kirche chorartig ſchlie- ßend, erhebt ſich eine hohe Niſchen-Wand, deren halbkreisförmige Fläche durch gemalte Säulen in verſchiedene Felder getheilt wird. Es ſind ihrer fünf. Aus dem Mittelfelde ſpringt die Kanzel her- vor, nach rechts und links hin von den vier andern Feldern flan- kirt. In dieſen vier Feldern befinden ſich die Coloſſalfiguren der vier Evangeliſten, und zwar Johannes und Lucas zur Linken, Matthäus und Marcus zur Rechten der Kanzel. Die Bilder ſind von ungleichem Werth; Matthäus, Johannes, Lucas laſſen viel zu wünſchen übrig; der Marcus, wenn ich nicht irre, nach Michel Angelo, iſt vorzüglich. Sie rühren von einem gewiſſen Bertini her, den der Staatskanzler (bekanntlich ein Mäcen der ſchönen Künſte) nach Italien ſchickte, um dieſe Bilder nach den Vorbildern großer Meiſter zu fertigen. Sie ſind, wie geſagt, nicht alle gut, aber auch wie ſie ſind, bilden ſie jedenfalls einen Bilderſchmuck, wie er derart, nach der Seite des Künſtleriſchen hin, in mär- kiſchen Dorfkirchen ſchwerlich zum zweiten Male angetroffen wird. Der Altar der Kirche birgt noch eine andre Sehenswürdig- keit: das Herz des Fürſten-Staatskanzlers. Auf einem Kiſſen ruht es, von einer Glasglocke umſchloſſen. Der Schrein aber, der das Ganze einſchließt, trägt an ſeiner Außenſeite folgende Ottaverim- Strophe als Inſchrift: Des Fürſten Herz, das liebend treu geſchlagen Für ſeinen König und für’s Vaterland, Das — in den ſchweren, blut’gen Kampfestagen, Wo vielen auch die letzte Hoffnung ſchwand — Durch Muth und Weisheit ſtark, in kühnem Wagen Des Vaterlandes Ruhm und Rettung fand, Und nach vollbrachtem Werk, gebaut dem heilgen Worte Des Herrn den Tempel hier — das ruht an dieſem Orte. Dieſe Strophe, die dem Andenken des Fürſten eine maßvolle und wohlverdiente Huldigung darbringt, böte eine ſchickliche Gele- genheit, wenigſtens den Verſuch einer Charakteriſtik zu wagen. Ich nehme aber Abſtand davon. Was ich ſagen könnte, iſt oft geſagt; 28*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/447>, abgerufen am 10.05.2024.