aus laut geworden, nirgends als ein Saatkorn in die Gemüther anderer gefallen wären, wenn nicht bestimmte Ereignisse des Jah- res 1811 unsern Marwitz auf die Schaubühne gerufen und in den Vordergrund politischer Kämpfe, welche er selbst in's Leben rief, gestellt hätten. Wie es immer in solchen Fällen sein muß, ging er, der den Streit aufnahm, vom zunächst Liegenden auf das Große und Allgemeine über. Der Rechtskampf führte zum Prinzipienkampf. So war es immer, wo Ernstes und Nachhaltiges erstritten wurde. Das bloße sich Verlieben in Prin- zipien, so oder so, bleibt ein energieloses Ding; erst aus dem Ge- fühl verletzten Rechtes geht der heilige Ernst des Kampfes hervor.
Die erwähnten Ereignisse aber, die für Marwitz's späteres Auftreten entscheidend wurden, waren die folgenden.
Hardenberg war entschlossen, die Macht der Stände zu bre- chen, ihre Existenz zu streichen, Schlag auf Schlag fiel gegen die alte Landesinstitution. Er verfuhr nach bester Ueberzeugung, aber völlig revolutionär, alles mit dem Zwang und Drang der Um- stände (nicht ohne Grund) oder mit einer höheren Staatsraison entschuldigend. Aeußerste Dinge geschahen. Königliche Domänen, die an die Stände verkauft waren, also für ständisches Geld stän- disches Eigenthum geworden waren, wurden zum zweitenmal an Privatleute verkauft; ein großer ständischer Fonds, den die Stände unter Friedrich II. aus politischem Eifer gebildet hatten, um die endliche Tilgung landesherrlicher Schulden herbeiführen zu können, wurde eingezogen, aber nichts desto weniger die Pflicht der Schuldentilgung und Verzinsung bei den Ständen belassen; end- lich drangen Regierungsbeamte in Begleitung von Landreitern in das Landschaftshaus ein, erbrachen, als man ihnen die Schlüssel verweigerte, die Kassen des Landarmeninstituts und führten die deponirten Summen ständischen Eigenthums gewaltsam fort. Dies alles war geschehen gegen Recht und Billigkeit, ja im Widerspruch mit einer Anerkenntniß, die man erst vier Monate früher gegen die Loyalität und Opferfreudigkeit der Stände ausgesprochen hatte. Damals hatte es wörtlich, in einem von Hardenberg contrasignirten
24*
aus laut geworden, nirgends als ein Saatkorn in die Gemüther anderer gefallen wären, wenn nicht beſtimmte Ereigniſſe des Jah- res 1811 unſern Marwitz auf die Schaubühne gerufen und in den Vordergrund politiſcher Kämpfe, welche er ſelbſt in’s Leben rief, geſtellt hätten. Wie es immer in ſolchen Fällen ſein muß, ging er, der den Streit aufnahm, vom zunächſt Liegenden auf das Große und Allgemeine über. Der Rechtskampf führte zum Prinzipienkampf. So war es immer, wo Ernſtes und Nachhaltiges erſtritten wurde. Das bloße ſich Verlieben in Prin- zipien, ſo oder ſo, bleibt ein energieloſes Ding; erſt aus dem Ge- fühl verletzten Rechtes geht der heilige Ernſt des Kampfes hervor.
Die erwähnten Ereigniſſe aber, die für Marwitz’s ſpäteres Auftreten entſcheidend wurden, waren die folgenden.
Hardenberg war entſchloſſen, die Macht der Stände zu bre- chen, ihre Exiſtenz zu ſtreichen, Schlag auf Schlag fiel gegen die alte Landesinſtitution. Er verfuhr nach beſter Ueberzeugung, aber völlig revolutionär, alles mit dem Zwang und Drang der Um- ſtände (nicht ohne Grund) oder mit einer höheren Staatsraiſon entſchuldigend. Aeußerſte Dinge geſchahen. Königliche Domänen, die an die Stände verkauft waren, alſo für ſtändiſches Geld ſtän- diſches Eigenthum geworden waren, wurden zum zweitenmal an Privatleute verkauft; ein großer ſtändiſcher Fonds, den die Stände unter Friedrich II. aus politiſchem Eifer gebildet hatten, um die endliche Tilgung landesherrlicher Schulden herbeiführen zu können, wurde eingezogen, aber nichts deſto weniger die Pflicht der Schuldentilgung und Verzinſung bei den Ständen belaſſen; end- lich drangen Regierungsbeamte in Begleitung von Landreitern in das Landſchaftshaus ein, erbrachen, als man ihnen die Schlüſſel verweigerte, die Kaſſen des Landarmeninſtituts und führten die deponirten Summen ſtändiſchen Eigenthums gewaltſam fort. Dies alles war geſchehen gegen Recht und Billigkeit, ja im Widerſpruch mit einer Anerkenntniß, die man erſt vier Monate früher gegen die Loyalität und Opferfreudigkeit der Stände ausgeſprochen hatte. Damals hatte es wörtlich, in einem von Hardenberg contraſignirten
24*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0383"n="371"/>
aus laut geworden, nirgends als ein Saatkorn in die Gemüther<lb/>
anderer gefallen wären, wenn nicht beſtimmte Ereigniſſe des Jah-<lb/>
res 1811 unſern Marwitz auf die Schaubühne gerufen und in<lb/>
den Vordergrund politiſcher Kämpfe, welche er ſelbſt in’s Leben<lb/>
rief, geſtellt hätten. Wie es immer in ſolchen Fällen ſein muß,<lb/>
ging <hirendition="#g">er</hi>, der den Streit aufnahm, vom zunächſt Liegenden auf<lb/>
das Große und Allgemeine über. <hirendition="#g">Der Rechtskampf führte<lb/>
zum Prinzipienkampf</hi>. So war es immer, wo Ernſtes und<lb/>
Nachhaltiges erſtritten wurde. Das bloße ſich Verlieben in Prin-<lb/>
zipien, ſo oder ſo, bleibt ein energieloſes Ding; erſt aus dem Ge-<lb/>
fühl verletzten Rechtes geht der heilige Ernſt des Kampfes hervor.</p><lb/><p>Die erwähnten Ereigniſſe aber, die für Marwitz’s ſpäteres<lb/>
Auftreten entſcheidend wurden, waren die folgenden.</p><lb/><p>Hardenberg war entſchloſſen, die Macht der Stände zu bre-<lb/>
chen, ihre Exiſtenz zu ſtreichen, Schlag auf Schlag fiel gegen die<lb/>
alte Landesinſtitution. Er verfuhr nach beſter Ueberzeugung, aber<lb/>
völlig revolutionär, alles mit dem Zwang und Drang der Um-<lb/>ſtände (nicht ohne Grund) oder mit einer höheren Staatsraiſon<lb/>
entſchuldigend. Aeußerſte Dinge geſchahen. Königliche Domänen,<lb/>
die an die Stände verkauft waren, alſo für ſtändiſches Geld ſtän-<lb/>
diſches Eigenthum geworden waren, wurden zum <hirendition="#g">zweitenmal</hi> an<lb/>
Privatleute verkauft; ein großer ſtändiſcher Fonds, den die Stände<lb/>
unter Friedrich <hirendition="#aq">II.</hi> aus politiſchem Eifer gebildet hatten, um die<lb/>
endliche Tilgung <hirendition="#g">landesherrlicher</hi> Schulden herbeiführen zu<lb/>
können, wurde eingezogen, aber nichts deſto weniger die Pflicht der<lb/>
Schuldentilgung und Verzinſung bei den Ständen belaſſen; end-<lb/>
lich drangen Regierungsbeamte in Begleitung von Landreitern in<lb/>
das Landſchaftshaus ein, erbrachen, als man ihnen die Schlüſſel<lb/>
verweigerte, die Kaſſen des Landarmeninſtituts und führten die<lb/>
deponirten Summen ſtändiſchen Eigenthums gewaltſam fort. Dies<lb/>
alles war geſchehen gegen Recht und Billigkeit, ja im Widerſpruch<lb/>
mit einer Anerkenntniß, die man erſt vier Monate früher gegen<lb/>
die Loyalität und Opferfreudigkeit der Stände ausgeſprochen hatte.<lb/>
Damals hatte es wörtlich, in einem von Hardenberg contraſignirten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">24*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[371/0383]
aus laut geworden, nirgends als ein Saatkorn in die Gemüther
anderer gefallen wären, wenn nicht beſtimmte Ereigniſſe des Jah-
res 1811 unſern Marwitz auf die Schaubühne gerufen und in
den Vordergrund politiſcher Kämpfe, welche er ſelbſt in’s Leben
rief, geſtellt hätten. Wie es immer in ſolchen Fällen ſein muß,
ging er, der den Streit aufnahm, vom zunächſt Liegenden auf
das Große und Allgemeine über. Der Rechtskampf führte
zum Prinzipienkampf. So war es immer, wo Ernſtes und
Nachhaltiges erſtritten wurde. Das bloße ſich Verlieben in Prin-
zipien, ſo oder ſo, bleibt ein energieloſes Ding; erſt aus dem Ge-
fühl verletzten Rechtes geht der heilige Ernſt des Kampfes hervor.
Die erwähnten Ereigniſſe aber, die für Marwitz’s ſpäteres
Auftreten entſcheidend wurden, waren die folgenden.
Hardenberg war entſchloſſen, die Macht der Stände zu bre-
chen, ihre Exiſtenz zu ſtreichen, Schlag auf Schlag fiel gegen die
alte Landesinſtitution. Er verfuhr nach beſter Ueberzeugung, aber
völlig revolutionär, alles mit dem Zwang und Drang der Um-
ſtände (nicht ohne Grund) oder mit einer höheren Staatsraiſon
entſchuldigend. Aeußerſte Dinge geſchahen. Königliche Domänen,
die an die Stände verkauft waren, alſo für ſtändiſches Geld ſtän-
diſches Eigenthum geworden waren, wurden zum zweitenmal an
Privatleute verkauft; ein großer ſtändiſcher Fonds, den die Stände
unter Friedrich II. aus politiſchem Eifer gebildet hatten, um die
endliche Tilgung landesherrlicher Schulden herbeiführen zu
können, wurde eingezogen, aber nichts deſto weniger die Pflicht der
Schuldentilgung und Verzinſung bei den Ständen belaſſen; end-
lich drangen Regierungsbeamte in Begleitung von Landreitern in
das Landſchaftshaus ein, erbrachen, als man ihnen die Schlüſſel
verweigerte, die Kaſſen des Landarmeninſtituts und führten die
deponirten Summen ſtändiſchen Eigenthums gewaltſam fort. Dies
alles war geſchehen gegen Recht und Billigkeit, ja im Widerſpruch
mit einer Anerkenntniß, die man erſt vier Monate früher gegen
die Loyalität und Opferfreudigkeit der Stände ausgeſprochen hatte.
Damals hatte es wörtlich, in einem von Hardenberg contraſignirten
24*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/383>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.