Bilder, deren Farbenfrische den Sieg über den kalten Marmor und die kalte Symbolik davon trägt. Der Saturn wird zum ge- müthlichen Alten, wenn er ein Medaillonbild in Händen hält, das in allen Farben des Lebens lacht.
Unter solchen Betrachtungen sind wir das Kirchenschiff hin- aufgeschritten und stehen am Altar. Zur Linken erblicken wir nun- mehr das Steinbild des alten Paladin, das zunächst Veranlassung zu unserem Kirchenbesuche gab. Neben ihm, in gleicher Höhe und Größe, ist das Reliefbild seiner Gemahlin, einer geborenen von Schlieben, in den Wandpfeiler eingelassen. Beide Grabsteine lagen früher an anderer Stelle, unmittelbar über der Gruft, und erst bei Renovirung der Kirche hat man sie aufgerichtet und ihnen den Ehrenplatz neben dem Altar gegeben. Vergleicht man dieses Stein- bild des alten Goertzke mit seinem Oelporträt in der Halle, so bemerkt man allerdings Verschiedenheiten. Der Klumpfuß und die Krücke zeigen sich auch hier, eben so tritt einem etwas typisch Märkisches im Ausdruck des Kopfes entgegen, aber hiemit sind die Aehnlichkeiten erschöpft. Wohlwollen, Heiterkeit, Bonhommie nehmen die Stelle des Herben und Martialischen ein, die unverkennbar aus dem Oelbild sprechen. Der Kopf der jungen, schönen Frau (der er sich erst spät vermählte und die er nur kurze Zeit besaß) ist überaus ansprechend und man muß erstaunen, daß es einem Steinmetzen jener Zeit glücken konnte, ein so liebliches Gesicht her- auszumeißeln. Das Charakteristische findet sich immer früher als das Schöne, das hier bereits in deutlichen Anfängen zu uns spricht.
Wir sind in die Mitte des Kirchenschiffs zurückgetreten, halten Umschau und bemerken jetzt, daß das Bild des alten Goertzke nur ein Gast in dieser Kirche ist, ein vornehmer Gast zwar, dem man den Ehrenplatz neben dem Altar gegeben, aber doch immer nur ein Gast. Andere sind hier jetzt zu Haus; den Marwitzen gehört das Feld. Vier Generationen sprechen zu uns; zur Rechten Gestalten und Inschriften, die der Epoche vor dem siebenjährigen Kriege angehören, zur Linken die Namen und Bildnisse derer, die seitdem gekommen und gegangen sind. Da sind zunächst (zur Rechten) die
Bilder, deren Farbenfriſche den Sieg über den kalten Marmor und die kalte Symbolik davon trägt. Der Saturn wird zum ge- müthlichen Alten, wenn er ein Medaillonbild in Händen hält, das in allen Farben des Lebens lacht.
Unter ſolchen Betrachtungen ſind wir das Kirchenſchiff hin- aufgeſchritten und ſtehen am Altar. Zur Linken erblicken wir nun- mehr das Steinbild des alten Paladin, das zunächſt Veranlaſſung zu unſerem Kirchenbeſuche gab. Neben ihm, in gleicher Höhe und Größe, iſt das Reliefbild ſeiner Gemahlin, einer geborenen von Schlieben, in den Wandpfeiler eingelaſſen. Beide Grabſteine lagen früher an anderer Stelle, unmittelbar über der Gruft, und erſt bei Renovirung der Kirche hat man ſie aufgerichtet und ihnen den Ehrenplatz neben dem Altar gegeben. Vergleicht man dieſes Stein- bild des alten Goertzke mit ſeinem Oelporträt in der Halle, ſo bemerkt man allerdings Verſchiedenheiten. Der Klumpfuß und die Krücke zeigen ſich auch hier, eben ſo tritt einem etwas typiſch Märkiſches im Ausdruck des Kopfes entgegen, aber hiemit ſind die Aehnlichkeiten erſchöpft. Wohlwollen, Heiterkeit, Bonhommie nehmen die Stelle des Herben und Martialiſchen ein, die unverkennbar aus dem Oelbild ſprechen. Der Kopf der jungen, ſchönen Frau (der er ſich erſt ſpät vermählte und die er nur kurze Zeit beſaß) iſt überaus anſprechend und man muß erſtaunen, daß es einem Steinmetzen jener Zeit glücken konnte, ein ſo liebliches Geſicht her- auszumeißeln. Das Charakteriſtiſche findet ſich immer früher als das Schöne, das hier bereits in deutlichen Anfängen zu uns ſpricht.
Wir ſind in die Mitte des Kirchenſchiffs zurückgetreten, halten Umſchau und bemerken jetzt, daß das Bild des alten Goertzke nur ein Gaſt in dieſer Kirche iſt, ein vornehmer Gaſt zwar, dem man den Ehrenplatz neben dem Altar gegeben, aber doch immer nur ein Gaſt. Andere ſind hier jetzt zu Haus; den Marwitzen gehört das Feld. Vier Generationen ſprechen zu uns; zur Rechten Geſtalten und Inſchriften, die der Epoche vor dem ſiebenjährigen Kriege angehören, zur Linken die Namen und Bildniſſe derer, die ſeitdem gekommen und gegangen ſind. Da ſind zunächſt (zur Rechten) die
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Bilder, deren Farbenfriſche den Sieg über den kalten Marmor
und die kalte Symbolik davon trägt. Der Saturn wird zum ge-
müthlichen Alten, wenn er ein Medaillonbild in Händen hält, das
in allen Farben des Lebens lacht.
Unter ſolchen Betrachtungen ſind wir das Kirchenſchiff hin-
aufgeſchritten und ſtehen am Altar. Zur Linken erblicken wir nun-
mehr das Steinbild des alten Paladin, das zunächſt Veranlaſſung
zu unſerem Kirchenbeſuche gab. Neben ihm, in gleicher Höhe und
Größe, iſt das Reliefbild ſeiner Gemahlin, einer geborenen von
Schlieben, in den Wandpfeiler eingelaſſen. Beide Grabſteine lagen
früher an anderer Stelle, unmittelbar über der Gruft, und erſt
bei Renovirung der Kirche hat man ſie aufgerichtet und ihnen den
Ehrenplatz neben dem Altar gegeben. Vergleicht man dieſes Stein-
bild des alten Goertzke mit ſeinem Oelporträt in der Halle, ſo
bemerkt man allerdings Verſchiedenheiten. Der Klumpfuß und die
Krücke zeigen ſich auch hier, eben ſo tritt einem etwas typiſch
Märkiſches im Ausdruck des Kopfes entgegen, aber hiemit ſind die
Aehnlichkeiten erſchöpft. Wohlwollen, Heiterkeit, Bonhommie nehmen
die Stelle des Herben und Martialiſchen ein, die unverkennbar
aus dem Oelbild ſprechen. Der Kopf der jungen, ſchönen Frau
(der er ſich erſt ſpät vermählte und die er nur kurze Zeit beſaß)
iſt überaus anſprechend und man muß erſtaunen, daß es einem
Steinmetzen jener Zeit glücken konnte, ein ſo liebliches Geſicht her-
auszumeißeln. Das Charakteriſtiſche findet ſich immer früher als
das Schöne, das hier bereits in deutlichen Anfängen zu uns ſpricht.
Wir ſind in die Mitte des Kirchenſchiffs zurückgetreten, halten
Umſchau und bemerken jetzt, daß das Bild des alten Goertzke nur
ein Gaſt in dieſer Kirche iſt, ein vornehmer Gaſt zwar, dem man
den Ehrenplatz neben dem Altar gegeben, aber doch immer nur ein
Gaſt. Andere ſind hier jetzt zu Haus; den Marwitzen gehört das
Feld. Vier Generationen ſprechen zu uns; zur Rechten Geſtalten
und Inſchriften, die der Epoche vor dem ſiebenjährigen Kriege
angehören, zur Linken die Namen und Bildniſſe derer, die ſeitdem
gekommen und gegangen ſind. Da ſind zunächſt (zur Rechten) die
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/363>, abgerufen am 25.11.2024.
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