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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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sie sich auf einem Gebiet, das einem lebendigen Organismus gleicht,
von selbst verstehn.

Moeglin war Muster, Celle war Modell, aber (den
räumlichen Unterschied bei Seite gelassen) liefen beide Wirthschaften
in ihren Prinzipien und Qualitäten auf dasselbe hinaus. Deshalb
werden wir hier, nachdem wir die Celler Wirthschaft und die Prin-
zipien, die sie zur Geltung bringen sollte, so ausführlich bespro-
chen haben, bei der Moegliner Wirthschaft nur kurz verweilen und
nur dasjenige betonen, wodurch sich dieselbe, nicht quantitativ, son-
dern sachlich und qualitativ von der Celler Wirtschaft unterschied.

Es war dies vorzüglich die Einführung einer veredelten
Schafzucht
, die Herstellung, mittelst kunstvoller Kreuzung, einer
ausgezeichneten Wolle, der besten, die bis dahin in Deutschland
producirt worden war. Die Kunst, die Thaer zwanzig oder drei-
ßig Jahre früher, halb spielend, geübt hatte, als es sich in seinem
Garten zu Celle (lange bevor er eine Wirthschaft hatte) um Ge-
winnung immer neuer, immer schönerer Nelken- und Aurikel-Arten
gehandelt hatte, -- diese Kunst der Kreuzung kam ihm jetzt treff-
lich zu Statten. Was ihm innerhalb der vegetabilischen Welt
überraschend geglückt war, glückte ihm innerhalb der animalischen
doppelt und dreifach. Er schien wie auserwählt für diesen wichti-
gen Zweig landwirthschaftlicher Thätigkeit: physiologisches Wissen,
angeborene feine Instinkte und eine glückliche Hand -- alles ver-
einigte sich bei ihm, um zu den überraschendsten Resultaten zu
führen.

Nicht gleich in den ersten Jahren seines Moegliner Aufent-
halts, vielmehr erst 1811--13, nachdem Koppe als Gehülfe und
Wirthschaftsführer bei ihm eingetreten war, hatte Thaer eine
Schäferei -- wozu er Merinoschafe aus Sachsen erhielt -- ein-
zurichten begonnen. Es ging auch nicht von Anfang an alles vor-
trefflich, aber schon 1815 und 16 wurde seine Wolle auf dem
Berliner Wollmarkt für die beste erklärt. 1817 schrieb er an seine
Frau: "für mich ist der diesmalige Wollmarkt (in Berlin) zwar
nicht der pekuniär beste, aber der gloriöseste, den ich erlebt habe.

ſie ſich auf einem Gebiet, das einem lebendigen Organismus gleicht,
von ſelbſt verſtehn.

Moeglin war Muſter, Celle war Modell, aber (den
räumlichen Unterſchied bei Seite gelaſſen) liefen beide Wirthſchaften
in ihren Prinzipien und Qualitäten auf daſſelbe hinaus. Deshalb
werden wir hier, nachdem wir die Celler Wirthſchaft und die Prin-
zipien, die ſie zur Geltung bringen ſollte, ſo ausführlich beſpro-
chen haben, bei der Moegliner Wirthſchaft nur kurz verweilen und
nur dasjenige betonen, wodurch ſich dieſelbe, nicht quantitativ, ſon-
dern ſachlich und qualitativ von der Celler Wirtſchaft unterſchied.

Es war dies vorzüglich die Einführung einer veredelten
Schafzucht
, die Herſtellung, mittelſt kunſtvoller Kreuzung, einer
ausgezeichneten Wolle, der beſten, die bis dahin in Deutſchland
producirt worden war. Die Kunſt, die Thaer zwanzig oder drei-
ßig Jahre früher, halb ſpielend, geübt hatte, als es ſich in ſeinem
Garten zu Celle (lange bevor er eine Wirthſchaft hatte) um Ge-
winnung immer neuer, immer ſchönerer Nelken- und Aurikel-Arten
gehandelt hatte, — dieſe Kunſt der Kreuzung kam ihm jetzt treff-
lich zu Statten. Was ihm innerhalb der vegetabiliſchen Welt
überraſchend geglückt war, glückte ihm innerhalb der animaliſchen
doppelt und dreifach. Er ſchien wie auserwählt für dieſen wichti-
gen Zweig landwirthſchaftlicher Thätigkeit: phyſiologiſches Wiſſen,
angeborene feine Inſtinkte und eine glückliche Hand — alles ver-
einigte ſich bei ihm, um zu den überraſchendſten Reſultaten zu
führen.

Nicht gleich in den erſten Jahren ſeines Moegliner Aufent-
halts, vielmehr erſt 1811—13, nachdem Koppe als Gehülfe und
Wirthſchaftsführer bei ihm eingetreten war, hatte Thaer eine
Schäferei — wozu er Merinoſchafe aus Sachſen erhielt — ein-
zurichten begonnen. Es ging auch nicht von Anfang an alles vor-
trefflich, aber ſchon 1815 und 16 wurde ſeine Wolle auf dem
Berliner Wollmarkt für die beſte erklärt. 1817 ſchrieb er an ſeine
Frau: „für mich iſt der diesmalige Wollmarkt (in Berlin) zwar
nicht der pekuniär beſte, aber der gloriöſeſte, den ich erlebt habe.

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[240/0252] ſie ſich auf einem Gebiet, das einem lebendigen Organismus gleicht, von ſelbſt verſtehn. Moeglin war Muſter, Celle war Modell, aber (den räumlichen Unterſchied bei Seite gelaſſen) liefen beide Wirthſchaften in ihren Prinzipien und Qualitäten auf daſſelbe hinaus. Deshalb werden wir hier, nachdem wir die Celler Wirthſchaft und die Prin- zipien, die ſie zur Geltung bringen ſollte, ſo ausführlich beſpro- chen haben, bei der Moegliner Wirthſchaft nur kurz verweilen und nur dasjenige betonen, wodurch ſich dieſelbe, nicht quantitativ, ſon- dern ſachlich und qualitativ von der Celler Wirtſchaft unterſchied. Es war dies vorzüglich die Einführung einer veredelten Schafzucht, die Herſtellung, mittelſt kunſtvoller Kreuzung, einer ausgezeichneten Wolle, der beſten, die bis dahin in Deutſchland producirt worden war. Die Kunſt, die Thaer zwanzig oder drei- ßig Jahre früher, halb ſpielend, geübt hatte, als es ſich in ſeinem Garten zu Celle (lange bevor er eine Wirthſchaft hatte) um Ge- winnung immer neuer, immer ſchönerer Nelken- und Aurikel-Arten gehandelt hatte, — dieſe Kunſt der Kreuzung kam ihm jetzt treff- lich zu Statten. Was ihm innerhalb der vegetabiliſchen Welt überraſchend geglückt war, glückte ihm innerhalb der animaliſchen doppelt und dreifach. Er ſchien wie auserwählt für dieſen wichti- gen Zweig landwirthſchaftlicher Thätigkeit: phyſiologiſches Wiſſen, angeborene feine Inſtinkte und eine glückliche Hand — alles ver- einigte ſich bei ihm, um zu den überraſchendſten Reſultaten zu führen. Nicht gleich in den erſten Jahren ſeines Moegliner Aufent- halts, vielmehr erſt 1811—13, nachdem Koppe als Gehülfe und Wirthſchaftsführer bei ihm eingetreten war, hatte Thaer eine Schäferei — wozu er Merinoſchafe aus Sachſen erhielt — ein- zurichten begonnen. Es ging auch nicht von Anfang an alles vor- trefflich, aber ſchon 1815 und 16 wurde ſeine Wolle auf dem Berliner Wollmarkt für die beſte erklärt. 1817 ſchrieb er an ſeine Frau: „für mich iſt der diesmalige Wollmarkt (in Berlin) zwar nicht der pekuniär beſte, aber der gloriöſeſte, den ich erlebt habe.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/252>, abgerufen am 09.05.2024.