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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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nen) nach Celle, um an Ort und Stelle die Methode und die
Erfolge der Thaerschen Bestellungsart kennen zu lernen. Sie blie-
ben den ganzen Sommer über. Um diese jungen Leute nicht un-
beschäftigt zu lassen, entschloß sich Thaer ihnen Vorlesungen über
Landwirthschaft zu halten und einigen Unterricht in der Natur-
kunde, Chemie und Botanik hinzuzufügen. Der Fleiß und Eifer,
womit man ihm entgegenkam, übertrafen seine Erwartung, aus
den zwanglosen Vorlesungen wurde ein "Institut", das, im Klei-
nen, bereits all die Züge der später so berühmt gewordenen
Mögliner Akademie besaß.

So kam das Jahr 1804, das unsern Thaer nach Preußen
führte.

Schon 1799 und 1801 hatte er Reisen in die Mark, be-
sonders in die Oderbruchgegenden gemacht und dabei die Frau
von Friedland (Tochter des Generals von Lestwitz, der die
Schlacht von Torgau entschied), sowie deren Tochter und Schwie-
gersohn, den Landrath Grafen von Itzenplitz kennen gelernt.
Der Aufenthalt in Kunersdorf, dem schönen Gute der Frau von
Friedland, wo diese ausgezeichnete, mit allen Details der Wirth-
schaftsführung vertraute Frau lebte, war ihm genuß- und lehr-
reich gewesen und vielfach belehrt, erstarkt, ermuthigt, war er nach
seinem Landgütchen an der Aller zurückgekehrt. Die Hauptbedeut-
samkeit dieser Reisen lag aber darin, daß es die während seines
Aufenthalts in Kunersdorf angeknüpften Beziehungen (besonders
zum Grafen Itzenplitz) waren, die bald darauf zu seiner Ueber-
siedelung nach Preußen führten.

Die nächste Veranlassung zu dieser Uebersiedelung entsproß
aus der politischen Lage, aus den damaligen großen Weltverhält-
nissen. Der Wiederausbruch des Krieges zwischen Frankreich und
England hatte zur Besetzung Hannovers (damals englisch) durch
die Franzosen geführt. Die Noth des Landes schmerzte ihn tief;
zwar hatte er persönlich unter der französischen Okkupation nicht
zu leiden, da er durch General Mortiers Anordnungen (der Ge-
neral behandelte ihn als Verfasser der "Englischen Landwirth-

nen) nach Celle, um an Ort und Stelle die Methode und die
Erfolge der Thaerſchen Beſtellungsart kennen zu lernen. Sie blie-
ben den ganzen Sommer über. Um dieſe jungen Leute nicht un-
beſchäftigt zu laſſen, entſchloß ſich Thaer ihnen Vorleſungen über
Landwirthſchaft zu halten und einigen Unterricht in der Natur-
kunde, Chemie und Botanik hinzuzufügen. Der Fleiß und Eifer,
womit man ihm entgegenkam, übertrafen ſeine Erwartung, aus
den zwangloſen Vorleſungen wurde ein „Inſtitut“, das, im Klei-
nen, bereits all die Züge der ſpäter ſo berühmt gewordenen
Mögliner Akademie beſaß.

So kam das Jahr 1804, das unſern Thaer nach Preußen
führte.

Schon 1799 und 1801 hatte er Reiſen in die Mark, be-
ſonders in die Oderbruchgegenden gemacht und dabei die Frau
von Friedland (Tochter des Generals von Leſtwitz, der die
Schlacht von Torgau entſchied), ſowie deren Tochter und Schwie-
gerſohn, den Landrath Grafen von Itzenplitz kennen gelernt.
Der Aufenthalt in Kunersdorf, dem ſchönen Gute der Frau von
Friedland, wo dieſe ausgezeichnete, mit allen Details der Wirth-
ſchaftsführung vertraute Frau lebte, war ihm genuß- und lehr-
reich geweſen und vielfach belehrt, erſtarkt, ermuthigt, war er nach
ſeinem Landgütchen an der Aller zurückgekehrt. Die Hauptbedeut-
ſamkeit dieſer Reiſen lag aber darin, daß es die während ſeines
Aufenthalts in Kunersdorf angeknüpften Beziehungen (beſonders
zum Grafen Itzenplitz) waren, die bald darauf zu ſeiner Ueber-
ſiedelung nach Preußen führten.

Die nächſte Veranlaſſung zu dieſer Ueberſiedelung entſproß
aus der politiſchen Lage, aus den damaligen großen Weltverhält-
niſſen. Der Wiederausbruch des Krieges zwiſchen Frankreich und
England hatte zur Beſetzung Hannovers (damals engliſch) durch
die Franzoſen geführt. Die Noth des Landes ſchmerzte ihn tief;
zwar hatte er perſönlich unter der franzöſiſchen Okkupation nicht
zu leiden, da er durch General Mortiers Anordnungen (der Ge-
neral behandelte ihn als Verfaſſer der „Engliſchen Landwirth-

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[237/0249] nen) nach Celle, um an Ort und Stelle die Methode und die Erfolge der Thaerſchen Beſtellungsart kennen zu lernen. Sie blie- ben den ganzen Sommer über. Um dieſe jungen Leute nicht un- beſchäftigt zu laſſen, entſchloß ſich Thaer ihnen Vorleſungen über Landwirthſchaft zu halten und einigen Unterricht in der Natur- kunde, Chemie und Botanik hinzuzufügen. Der Fleiß und Eifer, womit man ihm entgegenkam, übertrafen ſeine Erwartung, aus den zwangloſen Vorleſungen wurde ein „Inſtitut“, das, im Klei- nen, bereits all die Züge der ſpäter ſo berühmt gewordenen Mögliner Akademie beſaß. So kam das Jahr 1804, das unſern Thaer nach Preußen führte. Schon 1799 und 1801 hatte er Reiſen in die Mark, be- ſonders in die Oderbruchgegenden gemacht und dabei die Frau von Friedland (Tochter des Generals von Leſtwitz, der die Schlacht von Torgau entſchied), ſowie deren Tochter und Schwie- gerſohn, den Landrath Grafen von Itzenplitz kennen gelernt. Der Aufenthalt in Kunersdorf, dem ſchönen Gute der Frau von Friedland, wo dieſe ausgezeichnete, mit allen Details der Wirth- ſchaftsführung vertraute Frau lebte, war ihm genuß- und lehr- reich geweſen und vielfach belehrt, erſtarkt, ermuthigt, war er nach ſeinem Landgütchen an der Aller zurückgekehrt. Die Hauptbedeut- ſamkeit dieſer Reiſen lag aber darin, daß es die während ſeines Aufenthalts in Kunersdorf angeknüpften Beziehungen (beſonders zum Grafen Itzenplitz) waren, die bald darauf zu ſeiner Ueber- ſiedelung nach Preußen führten. Die nächſte Veranlaſſung zu dieſer Ueberſiedelung entſproß aus der politiſchen Lage, aus den damaligen großen Weltverhält- niſſen. Der Wiederausbruch des Krieges zwiſchen Frankreich und England hatte zur Beſetzung Hannovers (damals engliſch) durch die Franzoſen geführt. Die Noth des Landes ſchmerzte ihn tief; zwar hatte er perſönlich unter der franzöſiſchen Okkupation nicht zu leiden, da er durch General Mortiers Anordnungen (der Ge- neral behandelte ihn als Verfaſſer der „Engliſchen Landwirth-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 237. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/249>, abgerufen am 27.04.2024.