Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Band folgte 1800 und 1801, der dritte Band 1804. In der-
selben Zeit, von 1799--1804 erschienen die "Annalen der
Niedersächsischen Landwirthschaft
" (Sechs Jahrgänge).

Das Aufsehen, das diese Bücher und Schriften machten, war
ein ganz außerordentliches. Man begreift diesen Erfolg nur, wenn
man im Auge behält, daß sich ganz Deutschland eben damals
nach einem besseren Ackerbausystem sehnte. "Wie ein leitendes Ge-
stirn erschienen diese Werke am Horizont, freudig begrüßt von der
landwirthschaftlichen Welt." Nicht nur in Schriften, sondern auch
in den Salons der Residenzen und in den Wein- und Bierstu-
ben der Marktstädte, ward mit Enthusiasmus dafür, mit Wuth
(denn auch an Gegnern fehlte es nicht) dagegen gestritten, oft von
beiden Seiten gleich unverständig. Seine eignen Erfolge, die von
Jahr zu Jahr wuchsen, unterstützten sein Ansehn, so daß ihm ein
großer hannöverscher Grundbesitzer schrieb: "wenn ich diesen Abend
einen Brief von Ihnen erhalte, daß ich meine Gebäude anstecken
soll, so stehen sie vor Nacht schon in Flammen." Alles verlangte
seinen Rath, erbat seine oberste Leitung, so daß demselben Manne
(dazu noch immer "Leibmedieus"), dessen eignes Guts-Areal sich auf
kaum 130 Morgen belief, 100,000 Morgen des verschiedensten Bo-
dens derart zur Verfügung standen, daß er, in Ansehung der Be-
wirthschaftung
, damit schaltete und waltete wie mit seinem
Eigenthum. Sein Buch aber gewährte ihm vor allem die Befrie-
digung: "das Nachdenken besserer Köpfe über Landwirthschaft ge-
weckt und zu energischerer Thätigkeit angespornt zu haben."

Im Jahre 1802 traten auch die Anfänge seiner "land-
wirthschaftlichen Akademie
" in's Leben. Diese Akademie er-
wuchs organisch zwanglos; sie machte sich von selbst und ging
mehr aus einem glücklichen Ohngefähr, als aus einem festen Ent-
schluß hervor, wiewohl Thaer in seinen Schriften bereits auf das
Wünschenswerthe eines landwirthschaftlichen Lehrinstituts hingewie-
sen und seine Ideen darüber geäußert hatte. Im genannten Jahre
kamen mehrere junge Männer (darunter der später, durch sein
Buch "der isolirte Staat", so berühmt gewordene Herr von Thü-

Band folgte 1800 und 1801, der dritte Band 1804. In der-
ſelben Zeit, von 1799—1804 erſchienen die „Annalen der
Niederſächſiſchen Landwirthſchaft
“ (Sechs Jahrgänge).

Das Aufſehen, das dieſe Bücher und Schriften machten, war
ein ganz außerordentliches. Man begreift dieſen Erfolg nur, wenn
man im Auge behält, daß ſich ganz Deutſchland eben damals
nach einem beſſeren Ackerbauſyſtem ſehnte. „Wie ein leitendes Ge-
ſtirn erſchienen dieſe Werke am Horizont, freudig begrüßt von der
landwirthſchaftlichen Welt.“ Nicht nur in Schriften, ſondern auch
in den Salons der Reſidenzen und in den Wein- und Bierſtu-
ben der Marktſtädte, ward mit Enthuſiasmus dafür, mit Wuth
(denn auch an Gegnern fehlte es nicht) dagegen geſtritten, oft von
beiden Seiten gleich unverſtändig. Seine eignen Erfolge, die von
Jahr zu Jahr wuchſen, unterſtützten ſein Anſehn, ſo daß ihm ein
großer hannöverſcher Grundbeſitzer ſchrieb: „wenn ich dieſen Abend
einen Brief von Ihnen erhalte, daß ich meine Gebäude anſtecken
ſoll, ſo ſtehen ſie vor Nacht ſchon in Flammen.“ Alles verlangte
ſeinen Rath, erbat ſeine oberſte Leitung, ſo daß demſelben Manne
(dazu noch immer „Leibmedieus“), deſſen eignes Guts-Areal ſich auf
kaum 130 Morgen belief, 100,000 Morgen des verſchiedenſten Bo-
dens derart zur Verfügung ſtanden, daß er, in Anſehung der Be-
wirthſchaftung
, damit ſchaltete und waltete wie mit ſeinem
Eigenthum. Sein Buch aber gewährte ihm vor allem die Befrie-
digung: „das Nachdenken beſſerer Köpfe über Landwirthſchaft ge-
weckt und zu energiſcherer Thätigkeit angeſpornt zu haben.“

Im Jahre 1802 traten auch die Anfänge ſeiner „land-
wirthſchaftlichen Akademie
“ in’s Leben. Dieſe Akademie er-
wuchs organiſch zwanglos; ſie machte ſich von ſelbſt und ging
mehr aus einem glücklichen Ohngefähr, als aus einem feſten Ent-
ſchluß hervor, wiewohl Thaer in ſeinen Schriften bereits auf das
Wünſchenswerthe eines landwirthſchaftlichen Lehrinſtituts hingewie-
ſen und ſeine Ideen darüber geäußert hatte. Im genannten Jahre
kamen mehrere junge Männer (darunter der ſpäter, durch ſein
Buch „der iſolirte Staat“, ſo berühmt gewordene Herr von Thü-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0248" n="236"/>
Band folgte 1800 und 1801, der <hi rendition="#g">dritte</hi> Band 1804. In der-<lb/>
&#x017F;elben Zeit, von 1799&#x2014;1804 er&#x017F;chienen die &#x201E;<hi rendition="#g">Annalen der<lb/>
Nieder&#x017F;äch&#x017F;i&#x017F;chen Landwirth&#x017F;chaft</hi>&#x201C; (Sechs Jahrgänge).</p><lb/>
          <p>Das Auf&#x017F;ehen, das die&#x017F;e Bücher und Schriften machten, war<lb/>
ein ganz außerordentliches. Man begreift die&#x017F;en Erfolg nur, wenn<lb/>
man im Auge behält, daß &#x017F;ich ganz Deut&#x017F;chland eben damals<lb/>
nach einem be&#x017F;&#x017F;eren Ackerbau&#x017F;y&#x017F;tem &#x017F;ehnte. &#x201E;Wie ein leitendes Ge-<lb/>
&#x017F;tirn er&#x017F;chienen die&#x017F;e Werke am Horizont, freudig begrüßt von der<lb/>
landwirth&#x017F;chaftlichen Welt.&#x201C; Nicht nur in Schriften, &#x017F;ondern auch<lb/>
in den Salons der Re&#x017F;idenzen und in den Wein- und Bier&#x017F;tu-<lb/>
ben der Markt&#x017F;tädte, ward mit Enthu&#x017F;iasmus dafür, mit Wuth<lb/>
(denn auch an Gegnern fehlte es nicht) dagegen ge&#x017F;tritten, oft von<lb/>
beiden Seiten gleich unver&#x017F;tändig. Seine eignen Erfolge, die von<lb/>
Jahr zu Jahr wuch&#x017F;en, unter&#x017F;tützten &#x017F;ein An&#x017F;ehn, &#x017F;o daß ihm ein<lb/>
großer hannöver&#x017F;cher Grundbe&#x017F;itzer &#x017F;chrieb: &#x201E;wenn ich die&#x017F;en Abend<lb/>
einen Brief von Ihnen erhalte, daß ich meine Gebäude an&#x017F;tecken<lb/>
&#x017F;oll, &#x017F;o &#x017F;tehen &#x017F;ie vor Nacht &#x017F;chon in Flammen.&#x201C; Alles verlangte<lb/>
&#x017F;einen Rath, erbat &#x017F;eine ober&#x017F;te Leitung, &#x017F;o daß dem&#x017F;elben Manne<lb/>
(dazu noch immer &#x201E;Leibmedieus&#x201C;), de&#x017F;&#x017F;en eignes Guts-Areal &#x017F;ich auf<lb/>
kaum 130 Morgen belief, 100,000 Morgen des ver&#x017F;chieden&#x017F;ten Bo-<lb/>
dens derart zur Verfügung &#x017F;tanden, daß er, in An&#x017F;ehung der <hi rendition="#g">Be-<lb/>
wirth&#x017F;chaftung</hi>, damit &#x017F;chaltete und waltete wie mit &#x017F;einem<lb/>
Eigenthum. Sein Buch aber gewährte ihm vor allem die Befrie-<lb/>
digung: &#x201E;das Nachdenken be&#x017F;&#x017F;erer Köpfe über Landwirth&#x017F;chaft ge-<lb/>
weckt und zu energi&#x017F;cherer Thätigkeit ange&#x017F;pornt zu haben.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Im Jahre 1802 traten auch die Anfänge &#x017F;einer &#x201E;<hi rendition="#g">land-<lb/>
wirth&#x017F;chaftlichen Akademie</hi>&#x201C; in&#x2019;s Leben. Die&#x017F;e Akademie er-<lb/>
wuchs organi&#x017F;ch zwanglos; &#x017F;ie machte &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t und ging<lb/>
mehr aus einem glücklichen Ohngefähr, als aus einem fe&#x017F;ten Ent-<lb/>
&#x017F;chluß hervor, wiewohl Thaer in &#x017F;einen Schriften bereits auf das<lb/>
Wün&#x017F;chenswerthe eines landwirth&#x017F;chaftlichen Lehrin&#x017F;tituts hingewie-<lb/>
&#x017F;en und &#x017F;eine Ideen darüber geäußert hatte. Im genannten Jahre<lb/>
kamen mehrere junge Männer (darunter der &#x017F;päter, durch &#x017F;ein<lb/>
Buch &#x201E;der i&#x017F;olirte Staat&#x201C;, &#x017F;o berühmt gewordene Herr von <hi rendition="#g">Thü-<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[236/0248] Band folgte 1800 und 1801, der dritte Band 1804. In der- ſelben Zeit, von 1799—1804 erſchienen die „Annalen der Niederſächſiſchen Landwirthſchaft“ (Sechs Jahrgänge). Das Aufſehen, das dieſe Bücher und Schriften machten, war ein ganz außerordentliches. Man begreift dieſen Erfolg nur, wenn man im Auge behält, daß ſich ganz Deutſchland eben damals nach einem beſſeren Ackerbauſyſtem ſehnte. „Wie ein leitendes Ge- ſtirn erſchienen dieſe Werke am Horizont, freudig begrüßt von der landwirthſchaftlichen Welt.“ Nicht nur in Schriften, ſondern auch in den Salons der Reſidenzen und in den Wein- und Bierſtu- ben der Marktſtädte, ward mit Enthuſiasmus dafür, mit Wuth (denn auch an Gegnern fehlte es nicht) dagegen geſtritten, oft von beiden Seiten gleich unverſtändig. Seine eignen Erfolge, die von Jahr zu Jahr wuchſen, unterſtützten ſein Anſehn, ſo daß ihm ein großer hannöverſcher Grundbeſitzer ſchrieb: „wenn ich dieſen Abend einen Brief von Ihnen erhalte, daß ich meine Gebäude anſtecken ſoll, ſo ſtehen ſie vor Nacht ſchon in Flammen.“ Alles verlangte ſeinen Rath, erbat ſeine oberſte Leitung, ſo daß demſelben Manne (dazu noch immer „Leibmedieus“), deſſen eignes Guts-Areal ſich auf kaum 130 Morgen belief, 100,000 Morgen des verſchiedenſten Bo- dens derart zur Verfügung ſtanden, daß er, in Anſehung der Be- wirthſchaftung, damit ſchaltete und waltete wie mit ſeinem Eigenthum. Sein Buch aber gewährte ihm vor allem die Befrie- digung: „das Nachdenken beſſerer Köpfe über Landwirthſchaft ge- weckt und zu energiſcherer Thätigkeit angeſpornt zu haben.“ Im Jahre 1802 traten auch die Anfänge ſeiner „land- wirthſchaftlichen Akademie“ in’s Leben. Dieſe Akademie er- wuchs organiſch zwanglos; ſie machte ſich von ſelbſt und ging mehr aus einem glücklichen Ohngefähr, als aus einem feſten Ent- ſchluß hervor, wiewohl Thaer in ſeinen Schriften bereits auf das Wünſchenswerthe eines landwirthſchaftlichen Lehrinſtituts hingewie- ſen und ſeine Ideen darüber geäußert hatte. Im genannten Jahre kamen mehrere junge Männer (darunter der ſpäter, durch ſein Buch „der iſolirte Staat“, ſo berühmt gewordene Herr von Thü-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/248
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/248>, abgerufen am 28.04.2024.