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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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auf einem der Kritik verwandten, auf dem der philosophisch-theolo-
gischen Untersuchung. Thaer selbst schreibt über diese später (in et-
was veränderter Gestalt) so berühmt gewordene Arbeit: "Ich er-
schuf mir damals -- gleich wenig mit den Orthodoxen, wie mit
den neuern sogenannten "Berliner Theologen" einverstanden --
ein selbstständiges, religions-philosophisches System und brachte es
flüchtig zu Papier. Es ward wider meinen Willen abgeschrieben,
fiel in die Hände eines großen Mannes, der den Styl etwas um-
änderte und einen Theil davon, als Fragment eines unbekannten
Verfassers, herausgab. Bis jetzt wissen es nur drei lebende Men-
schen, daß ich der Urheber bin." In diesen Worten Thaer's wird
weder Lessing genannt, noch mit Bestimmtheit angegeben, welches
der "Fragmente eines Wolfenbüttelschen Unbekannten" Thaer für sich
in Anspruch nimmt; es ist aber nach den scharfsichtigen und sehr
eingehenden Untersuchungen W. Körtes, des Thaer'schen Anver-
wandten und Biographen, sehr wahrscheinlich, daß die kleine, bis
dahin Lessing zugeschriebene Schrift "über die Erziehung des
Menschengeschlechts" eine Jugendarbeit Albrecht Thaer's ist, die,
von Leisewitz an Lessing übergeben, von diesem theils überarbeitet,
theils fortgesetzt wurde.

Fast gleichzeitig mit diesem Aufsatz schrieb Thaer seine Doc-
tor-Dissertation. Sie erschien 1774 zu Göttingen unter dem Titel:
"De actione Systematis nervosi in febribus"; bald darauf
kehrte er in seine Vaterstadt (nach Celle) zurück, um sich daselbst
als praktischer Arzt niederzulassen.

Hier hatte er zunächst durch eine harte Schule zu gehen.
Weder gefiel die Stadt ihm, noch er der Stadt. Ihm erschien
Alles klein, beschränkt, krähwinklig; er erschien Allen eitel und ein-
gebildet. Seine Jugend und das noch Unentwickelte seiner Erschei-
nung ließen ihn, bei den Ansprüchen, die er erhob, fast in komi-
schem Lichte erscheinen und an die Stelle der Auszeichnungen, die,
ihm in Göttingen so reich zu Theil geworden waren, traten nun
Kränkungen. Der Prophet galt nichts in der Heimath.

Jahre vergingen in Unmuth und Unbefriedigtheit, aber seine

auf einem der Kritik verwandten, auf dem der philoſophiſch-theolo-
giſchen Unterſuchung. Thaer ſelbſt ſchreibt über dieſe ſpäter (in et-
was veränderter Geſtalt) ſo berühmt gewordene Arbeit: „Ich er-
ſchuf mir damals — gleich wenig mit den Orthodoxen, wie mit
den neuern ſogenannten „Berliner Theologen“ einverſtanden —
ein ſelbſtſtändiges, religions-philoſophiſches Syſtem und brachte es
flüchtig zu Papier. Es ward wider meinen Willen abgeſchrieben,
fiel in die Hände eines großen Mannes, der den Styl etwas um-
änderte und einen Theil davon, als Fragment eines unbekannten
Verfaſſers, herausgab. Bis jetzt wiſſen es nur drei lebende Men-
ſchen, daß ich der Urheber bin.“ In dieſen Worten Thaer’s wird
weder Leſſing genannt, noch mit Beſtimmtheit angegeben, welches
der „Fragmente eines Wolfenbüttelſchen Unbekannten“ Thaer für ſich
in Anſpruch nimmt; es iſt aber nach den ſcharfſichtigen und ſehr
eingehenden Unterſuchungen W. Körtes, des Thaer’ſchen Anver-
wandten und Biographen, ſehr wahrſcheinlich, daß die kleine, bis
dahin Leſſing zugeſchriebene Schrift „über die Erziehung des
Menſchengeſchlechts“ eine Jugendarbeit Albrecht Thaer’s iſt, die,
von Leiſewitz an Leſſing übergeben, von dieſem theils überarbeitet,
theils fortgeſetzt wurde.

Faſt gleichzeitig mit dieſem Aufſatz ſchrieb Thaer ſeine Doc-
tor-Diſſertation. Sie erſchien 1774 zu Göttingen unter dem Titel:
„De actione Systematis nervosi in febribus“; bald darauf
kehrte er in ſeine Vaterſtadt (nach Celle) zurück, um ſich daſelbſt
als praktiſcher Arzt niederzulaſſen.

Hier hatte er zunächſt durch eine harte Schule zu gehen.
Weder gefiel die Stadt ihm, noch er der Stadt. Ihm erſchien
Alles klein, beſchränkt, krähwinklig; er erſchien Allen eitel und ein-
gebildet. Seine Jugend und das noch Unentwickelte ſeiner Erſchei-
nung ließen ihn, bei den Anſprüchen, die er erhob, faſt in komi-
ſchem Lichte erſcheinen und an die Stelle der Auszeichnungen, die,
ihm in Göttingen ſo reich zu Theil geworden waren, traten nun
Kränkungen. Der Prophet galt nichts in der Heimath.

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[228/0240] auf einem der Kritik verwandten, auf dem der philoſophiſch-theolo- giſchen Unterſuchung. Thaer ſelbſt ſchreibt über dieſe ſpäter (in et- was veränderter Geſtalt) ſo berühmt gewordene Arbeit: „Ich er- ſchuf mir damals — gleich wenig mit den Orthodoxen, wie mit den neuern ſogenannten „Berliner Theologen“ einverſtanden — ein ſelbſtſtändiges, religions-philoſophiſches Syſtem und brachte es flüchtig zu Papier. Es ward wider meinen Willen abgeſchrieben, fiel in die Hände eines großen Mannes, der den Styl etwas um- änderte und einen Theil davon, als Fragment eines unbekannten Verfaſſers, herausgab. Bis jetzt wiſſen es nur drei lebende Men- ſchen, daß ich der Urheber bin.“ In dieſen Worten Thaer’s wird weder Leſſing genannt, noch mit Beſtimmtheit angegeben, welches der „Fragmente eines Wolfenbüttelſchen Unbekannten“ Thaer für ſich in Anſpruch nimmt; es iſt aber nach den ſcharfſichtigen und ſehr eingehenden Unterſuchungen W. Körtes, des Thaer’ſchen Anver- wandten und Biographen, ſehr wahrſcheinlich, daß die kleine, bis dahin Leſſing zugeſchriebene Schrift „über die Erziehung des Menſchengeſchlechts“ eine Jugendarbeit Albrecht Thaer’s iſt, die, von Leiſewitz an Leſſing übergeben, von dieſem theils überarbeitet, theils fortgeſetzt wurde. Faſt gleichzeitig mit dieſem Aufſatz ſchrieb Thaer ſeine Doc- tor-Diſſertation. Sie erſchien 1774 zu Göttingen unter dem Titel: „De actione Systematis nervosi in febribus“; bald darauf kehrte er in ſeine Vaterſtadt (nach Celle) zurück, um ſich daſelbſt als praktiſcher Arzt niederzulaſſen. Hier hatte er zunächſt durch eine harte Schule zu gehen. Weder gefiel die Stadt ihm, noch er der Stadt. Ihm erſchien Alles klein, beſchränkt, krähwinklig; er erſchien Allen eitel und ein- gebildet. Seine Jugend und das noch Unentwickelte ſeiner Erſchei- nung ließen ihn, bei den Anſprüchen, die er erhob, faſt in komi- ſchem Lichte erſcheinen und an die Stelle der Auszeichnungen, die, ihm in Göttingen ſo reich zu Theil geworden waren, traten nun Kränkungen. Der Prophet galt nichts in der Heimath. Jahre vergingen in Unmuth und Unbefriedigtheit, aber ſeine

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/240>, abgerufen am 24.11.2024.