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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Platz und schweigend, unschön, ohne Dank beginnt und endet
die Mahlzeit.

So ist es Alltags; einzelnen, für schweres Geld erstande-
nen Glanz- und Prachtstücken, wird die Pflicht des Repräsen-
tirens auferlegt, die Personen entschlagen sich dessen. Es ist un-
bequem. Das Ganze ein bunter Widerstreit von herrschaftlicher
Prätension und bäuerlicher Gewohnheit.

Die Festtage des Hauses ändern das Bild, aber sie bessern
es nicht. Ich habe hier Taufen und Hochzeiten beigewohnt, die
mir unvergeßlich bleiben werden. Eine seltsame Mischung des
alten Bauernhochzeitsstyls mit dem Apparat vornehmer Leute.
Wirth und Gäste wetteifern in Staat. Wagen auf Wagen
rollt vor: Chaisen mit niedergeschlagenem Verdeck; die wohl-
genährten Pferde tragen Geschirr mit Silber reich beschlagen,
der Kutscher ist in Livree und die Damen, die aussteigen, sind
in Sammt und Seide. Musici spielen und die Tische brechen
unter der Last der Speisen; die Champagnerpfropfen knallen,
der Flur ist mit Zucker bestreut, um die Fliegen von den Ta-
felgästen möglichst fern zu halten; dann wildes Juchen; dazu
Lichter, halberstickt in Tabaksqualm. Spiel und Tanz und
Lärm, und ein Faustschlag auf den Tisch, machen den Schluß
des Festes. Bauernhochzeiten zeichnen sich freilich überall durch
eine gewisse Reichthums-Entfaltung aus, aber diese selbstbewußte,
zur Schau getragene Opulenz, hält sich an andern Orten in-
nerhalb gewisser bäuerlicher Traditionen. Hier sind diese Tra-
ditionen durchbrochen und jeder versucht es, gleichsam auf eigne
Hand, seiner Eitelkeit, und meist nur dieser, ein Genüge zu thun.

Auch Gutem und Tüchtigem bin ich in diesen Dörfern
vielfach begegnet; aber zumeist doch jener Kraft und jener Tüch-
tigkeit nur, die aus einem starken Egoismus, aus richtigen In-
stinkten hervorgeht, aus jener Beschränktheit, die, weil sie eine
nah gesteckte Linie nicht überschreitet, auch nicht in Gefahr
kommt, sich zu verirren. Die Wurzeln aller Kräfte, die hier
thätig sind (gute und böse) sind Selbstsucht und Selbst-

Platz und ſchweigend, unſchön, ohne Dank beginnt und endet
die Mahlzeit.

So iſt es Alltags; einzelnen, für ſchweres Geld erſtande-
nen Glanz- und Prachtſtücken, wird die Pflicht des Repräſen-
tirens auferlegt, die Perſonen entſchlagen ſich deſſen. Es iſt un-
bequem. Das Ganze ein bunter Widerſtreit von herrſchaftlicher
Prätenſion und bäuerlicher Gewohnheit.

Die Feſttage des Hauſes ändern das Bild, aber ſie beſſern
es nicht. Ich habe hier Taufen und Hochzeiten beigewohnt, die
mir unvergeßlich bleiben werden. Eine ſeltſame Miſchung des
alten Bauernhochzeitsſtyls mit dem Apparat vornehmer Leute.
Wirth und Gäſte wetteifern in Staat. Wagen auf Wagen
rollt vor: Chaiſen mit niedergeſchlagenem Verdeck; die wohl-
genährten Pferde tragen Geſchirr mit Silber reich beſchlagen,
der Kutſcher iſt in Livrée und die Damen, die ausſteigen, ſind
in Sammt und Seide. Muſici ſpielen und die Tiſche brechen
unter der Laſt der Speiſen; die Champagnerpfropfen knallen,
der Flur iſt mit Zucker beſtreut, um die Fliegen von den Ta-
felgäſten möglichſt fern zu halten; dann wildes Juchen; dazu
Lichter, halberſtickt in Tabaksqualm. Spiel und Tanz und
Lärm, und ein Fauſtſchlag auf den Tiſch, machen den Schluß
des Feſtes. Bauernhochzeiten zeichnen ſich freilich überall durch
eine gewiſſe Reichthums-Entfaltung aus, aber dieſe ſelbſtbewußte,
zur Schau getragene Opulenz, hält ſich an andern Orten in-
nerhalb gewiſſer bäuerlicher Traditionen. Hier ſind dieſe Tra-
ditionen durchbrochen und jeder verſucht es, gleichſam auf eigne
Hand, ſeiner Eitelkeit, und meiſt nur dieſer, ein Genüge zu thun.

Auch Gutem und Tüchtigem bin ich in dieſen Dörfern
vielfach begegnet; aber zumeiſt doch jener Kraft und jener Tüch-
tigkeit nur, die aus einem ſtarken Egoismus, aus richtigen In-
ſtinkten hervorgeht, aus jener Beſchränktheit, die, weil ſie eine
nah geſteckte Linie nicht überſchreitet, auch nicht in Gefahr
kommt, ſich zu verirren. Die Wurzeln aller Kräfte, die hier
thätig ſind (gute und böſe) ſind Selbſtſucht und Selbſt-

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[222/0234] Platz und ſchweigend, unſchön, ohne Dank beginnt und endet die Mahlzeit. So iſt es Alltags; einzelnen, für ſchweres Geld erſtande- nen Glanz- und Prachtſtücken, wird die Pflicht des Repräſen- tirens auferlegt, die Perſonen entſchlagen ſich deſſen. Es iſt un- bequem. Das Ganze ein bunter Widerſtreit von herrſchaftlicher Prätenſion und bäuerlicher Gewohnheit. Die Feſttage des Hauſes ändern das Bild, aber ſie beſſern es nicht. Ich habe hier Taufen und Hochzeiten beigewohnt, die mir unvergeßlich bleiben werden. Eine ſeltſame Miſchung des alten Bauernhochzeitsſtyls mit dem Apparat vornehmer Leute. Wirth und Gäſte wetteifern in Staat. Wagen auf Wagen rollt vor: Chaiſen mit niedergeſchlagenem Verdeck; die wohl- genährten Pferde tragen Geſchirr mit Silber reich beſchlagen, der Kutſcher iſt in Livrée und die Damen, die ausſteigen, ſind in Sammt und Seide. Muſici ſpielen und die Tiſche brechen unter der Laſt der Speiſen; die Champagnerpfropfen knallen, der Flur iſt mit Zucker beſtreut, um die Fliegen von den Ta- felgäſten möglichſt fern zu halten; dann wildes Juchen; dazu Lichter, halberſtickt in Tabaksqualm. Spiel und Tanz und Lärm, und ein Fauſtſchlag auf den Tiſch, machen den Schluß des Feſtes. Bauernhochzeiten zeichnen ſich freilich überall durch eine gewiſſe Reichthums-Entfaltung aus, aber dieſe ſelbſtbewußte, zur Schau getragene Opulenz, hält ſich an andern Orten in- nerhalb gewiſſer bäuerlicher Traditionen. Hier ſind dieſe Tra- ditionen durchbrochen und jeder verſucht es, gleichſam auf eigne Hand, ſeiner Eitelkeit, und meiſt nur dieſer, ein Genüge zu thun. Auch Gutem und Tüchtigem bin ich in dieſen Dörfern vielfach begegnet; aber zumeiſt doch jener Kraft und jener Tüch- tigkeit nur, die aus einem ſtarken Egoismus, aus richtigen In- ſtinkten hervorgeht, aus jener Beſchränktheit, die, weil ſie eine nah geſteckte Linie nicht überſchreitet, auch nicht in Gefahr kommt, ſich zu verirren. Die Wurzeln aller Kräfte, die hier thätig ſind (gute und böſe) ſind Selbſtſucht und Selbſt-

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/234>, abgerufen am 28.04.2024.