wurde ihr auf der Strecke von Güstebiese bis Hohen-Sathen ein neues Bett und zwar zur Abkürzung ihres Laufs gegraben. Die Oder nahm früher, d. h. also vor den Arbeiten von 1746 bis 53, (7 Jahre, weshalb man von einem in der "Stille ge- führten 7jährigen Krieg" gesprochen hat) auf der eben angegebe- nen Strecke einen andren Lauf als jetzt; sie machte, statt in grader Linie weiter zu fließen, drei Biegungen, und zwar zuerst bei Güstebiese nach Westen, dann bei Wriezen nach Norden, endlich bei Freienwalde nach Osten; so daß sie (dreimal ein Knie bildend) auf ihrem langen Umwege, drei Linien statt einer be- schrieb. Diesem Umwege, der dem raschen Abfluß hinderlich war, sollte abgeholfen werden; mit andern Worten, der Lauf des Flus- ses, der bis dahin etwa diese Gestalt
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gehabt hatte, sollte durch ein neues Bett nunmehr einfach diese Richtung
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erhalten. Der Canal wurde gegraben und die Oder fließt seitdem in einem neuen Bett, das nur 21/2 Meile statt 6 Meilen Länge hat. Dies ist die sogenannte "neue Oder" zwischen Güstebiese und Hohen-Sathen. Aber das alte Bett wurde durch diesen grad- linigen Durchstich, wie sich denken läßt, nicht absolut wasserleer, es blieb vielmehr Wasser genug in der "alten Oder", um den verschiednen an ihr gelegenen Städten und Dörfern mehr oder weniger ihren alten Wasserverkehr zu erhalten. Erst 1832 kam dieser Wasserverkehr in Gefahr. Die Verwallung, wie sie bis da- hin bestand, hatte im Lauf der Jahrzehnte verschiedene Mängel gezeigt, und namentlich war der untre Theil des Niederbruchs, (das sogenannte Mittelbruch) nach wie vor, vielfachen Ueberschwem- mungen ausgesetzt gewesen. Dem vorzubeugen, entwarf der Geh. Ober-Baurath Cochius schon zwischen 1810 und 1818 einen kühnen Plan, der darauf hinausging, die alte Oder bei Güste- biese zu schließen d. h. also einen Riegel vorzuschieben. Dieser vorgeschobene Riegel (ein Damm, eine Zuschüttung) sollte alles Wasser zwingen im Bett der neuen Oder zu bleiben und ein
wurde ihr auf der Strecke von Güſtebieſe bis Hohen-Sathen ein neues Bett und zwar zur Abkürzung ihres Laufs gegraben. Die Oder nahm früher, d. h. alſo vor den Arbeiten von 1746 bis 53, (7 Jahre, weshalb man von einem in der „Stille ge- führten 7jährigen Krieg“ geſprochen hat) auf der eben angegebe- nen Strecke einen andren Lauf als jetzt; ſie machte, ſtatt in grader Linie weiter zu fließen, drei Biegungen, und zwar zuerſt bei Güſtebieſe nach Weſten, dann bei Wriezen nach Norden, endlich bei Freienwalde nach Oſten; ſo daß ſie (dreimal ein Knie bildend) auf ihrem langen Umwege, drei Linien ſtatt einer be- ſchrieb. Dieſem Umwege, der dem raſchen Abfluß hinderlich war, ſollte abgeholfen werden; mit andern Worten, der Lauf des Fluſ- ſes, der bis dahin etwa dieſe Geſtalt
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gehabt hatte, ſollte durch ein neues Bett nunmehr einfach dieſe Richtung
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erhalten. Der Canal wurde gegraben und die Oder fließt ſeitdem in einem neuen Bett, das nur 2½ Meile ſtatt 6 Meilen Länge hat. Dies iſt die ſogenannte „neue Oder“ zwiſchen Güſtebieſe und Hohen-Sathen. Aber das alte Bett wurde durch dieſen grad- linigen Durchſtich, wie ſich denken läßt, nicht abſolut waſſerleer, es blieb vielmehr Waſſer genug in der „alten Oder“, um den verſchiednen an ihr gelegenen Städten und Dörfern mehr oder weniger ihren alten Waſſerverkehr zu erhalten. Erſt 1832 kam dieſer Waſſerverkehr in Gefahr. Die Verwallung, wie ſie bis da- hin beſtand, hatte im Lauf der Jahrzehnte verſchiedene Mängel gezeigt, und namentlich war der untre Theil des Niederbruchs, (das ſogenannte Mittelbruch) nach wie vor, vielfachen Ueberſchwem- mungen ausgeſetzt geweſen. Dem vorzubeugen, entwarf der Geh. Ober-Baurath Cochius ſchon zwiſchen 1810 und 1818 einen kühnen Plan, der darauf hinausging, die alte Oder bei Güſte- bieſe zu ſchließen d. h. alſo einen Riegel vorzuſchieben. Dieſer vorgeſchobene Riegel (ein Damm, eine Zuſchüttung) ſollte alles Waſſer zwingen im Bett der neuen Oder zu bleiben und ein
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wurde ihr auf der Strecke von Güſtebieſe bis Hohen-Sathen ein
neues Bett und zwar zur Abkürzung ihres Laufs gegraben.
Die Oder nahm früher, d. h. alſo vor den Arbeiten von 1746
bis 53, (7 Jahre, weshalb man von einem in der „Stille ge-
führten 7jährigen Krieg“ geſprochen hat) auf der eben angegebe-
nen Strecke einen andren Lauf als jetzt; ſie machte, ſtatt in
grader Linie weiter zu fließen, drei Biegungen, und zwar
zuerſt bei Güſtebieſe nach Weſten, dann bei Wriezen nach Norden,
endlich bei Freienwalde nach Oſten; ſo daß ſie (dreimal ein Knie
bildend) auf ihrem langen Umwege, drei Linien ſtatt einer be-
ſchrieb. Dieſem Umwege, der dem raſchen Abfluß hinderlich war,
ſollte abgeholfen werden; mit andern Worten, der Lauf des Fluſ-
ſes, der bis dahin etwa dieſe Geſtalt
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gehabt hatte, ſollte durch ein neues
Bett nunmehr einfach dieſe Richtung
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erhalten. Der Canal wurde gegraben und die Oder fließt ſeitdem
in einem neuen Bett, das nur 2½ Meile ſtatt 6 Meilen Länge
hat. Dies iſt die ſogenannte „neue Oder“ zwiſchen Güſtebieſe
und Hohen-Sathen. Aber das alte Bett wurde durch dieſen grad-
linigen Durchſtich, wie ſich denken läßt, nicht abſolut waſſerleer,
es blieb vielmehr Waſſer genug in der „alten Oder“, um den
verſchiednen an ihr gelegenen Städten und Dörfern mehr oder
weniger ihren alten Waſſerverkehr zu erhalten. Erſt 1832 kam
dieſer Waſſerverkehr in Gefahr. Die Verwallung, wie ſie bis da-
hin beſtand, hatte im Lauf der Jahrzehnte verſchiedene Mängel
gezeigt, und namentlich war der untre Theil des Niederbruchs,
(das ſogenannte Mittelbruch) nach wie vor, vielfachen Ueberſchwem-
mungen ausgeſetzt geweſen. Dem vorzubeugen, entwarf der Geh.
Ober-Baurath Cochius ſchon zwiſchen 1810 und 1818 einen
kühnen Plan, der darauf hinausging, die alte Oder bei Güſte-
bieſe zu ſchließen d. h. alſo einen Riegel vorzuſchieben. Dieſer
vorgeſchobene Riegel (ein Damm, eine Zuſchüttung) ſollte alles
Waſſer zwingen im Bett der neuen Oder zu bleiben und ein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/212>, abgerufen am 24.11.2024.
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