Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite
Schloß Cossenblatt.

Aber führt der Weg den Wandrer
An den Ort, den ich besinge,
Kann er nicht dem Bangen wehren,
Daß es ihm das Herz durchdringe.

Lenau.

Der Weg nach Cossenblatt führt über Fürstenwalde und Bees-
kow. Fürstenwalde ist allerliebst und verdient ein Kapitel für sich;
heut aber erreichen wir es spät und begnügen uns mit dem Ein-
druck, den die halb im Dunkel liegende Stadt und die freundlich
erleuchtete Passagierstube auf uns machen.

Passagierstuben sind ein selten trügender Barometer für die
Stimmung, das geistige Leben, das in den verschiedenen Städten
herrscht, und es hat eine Bedeutung, ob "Schwerins Tod" oder
ein altes Postreglement über dem Sopha hängt. Die Fürstenwal-
der Passagierstube zeigt noch auf "schön Wetter". Es herrscht etwas
Anheimelndes in dem Zimmer überhaupt und die gute Stimmung
wächst im Hinblick auf eine Gruppe von älteren Männern, die,
ein Glas Bier vor sich, am Sophatische Platz genommen haben.

Es sind ihrer drei, zwei Bürger und der Wirth. Der letztere
bestreitet wie billig die Kosten der Unterhaltung und bemerkt mit
freundlicher Würde: "Sie glauben nicht, was alles vorkommt,
meine Herren. Bahnhof ist Bahnhof und Post ist Post, aber die
Menschen thun immer, als ob Bahnhof und Post all ein und
dasselbe wäre. Schreibt mir vorgestern ein Mann aus Dresden,
er habe seinen Ueberzieher hier liegen lassen, "über einer Stuhl-

Schloß Coſſenblatt.

Aber führt der Weg den Wandrer
An den Ort, den ich beſinge,
Kann er nicht dem Bangen wehren,
Daß es ihm das Herz durchdringe.

Lenau.

Der Weg nach Coſſenblatt führt über Fürſtenwalde und Bees-
kow. Fürſtenwalde iſt allerliebſt und verdient ein Kapitel für ſich;
heut aber erreichen wir es ſpät und begnügen uns mit dem Ein-
druck, den die halb im Dunkel liegende Stadt und die freundlich
erleuchtete Paſſagierſtube auf uns machen.

Paſſagierſtuben ſind ein ſelten trügender Barometer für die
Stimmung, das geiſtige Leben, das in den verſchiedenen Städten
herrſcht, und es hat eine Bedeutung, ob „Schwerins Tod“ oder
ein altes Poſtreglement über dem Sopha hängt. Die Fürſtenwal-
der Paſſagierſtube zeigt noch auf „ſchön Wetter“. Es herrſcht etwas
Anheimelndes in dem Zimmer überhaupt und die gute Stimmung
wächſt im Hinblick auf eine Gruppe von älteren Männern, die,
ein Glas Bier vor ſich, am Sophatiſche Platz genommen haben.

Es ſind ihrer drei, zwei Bürger und der Wirth. Der letztere
beſtreitet wie billig die Koſten der Unterhaltung und bemerkt mit
freundlicher Würde: „Sie glauben nicht, was alles vorkommt,
meine Herren. Bahnhof iſt Bahnhof und Poſt iſt Poſt, aber die
Menſchen thun immer, als ob Bahnhof und Poſt all ein und
daſſelbe wäre. Schreibt mir vorgeſtern ein Mann aus Dresden,
er habe ſeinen Ueberzieher hier liegen laſſen, „über einer Stuhl-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0113" n="[101]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Schloß Co&#x017F;&#x017F;enblatt.</hi> </head><lb/>
        <cit rendition="#et">
          <quote>             Aber führt der Weg den Wandrer<lb/>
An den Ort, den ich be&#x017F;inge,<lb/>
Kann er nicht dem Bangen wehren,<lb/>
Daß es ihm das Herz durchdringe.</quote><lb/>
          <bibl> <hi rendition="#b">Lenau.</hi> </bibl>
        </cit><lb/>
        <p><hi rendition="#in">D</hi>er Weg nach Co&#x017F;&#x017F;enblatt führt über Für&#x017F;tenwalde und Bees-<lb/>
kow. Für&#x017F;tenwalde i&#x017F;t allerlieb&#x017F;t und verdient ein Kapitel für &#x017F;ich;<lb/>
heut aber erreichen wir es &#x017F;pät und begnügen uns mit dem Ein-<lb/>
druck, den die halb im Dunkel liegende Stadt und die freundlich<lb/>
erleuchtete Pa&#x017F;&#x017F;agier&#x017F;tube auf uns machen.</p><lb/>
        <p>Pa&#x017F;&#x017F;agier&#x017F;tuben &#x017F;ind ein &#x017F;elten trügender Barometer für die<lb/>
Stimmung, das gei&#x017F;tige Leben, das in den ver&#x017F;chiedenen Städten<lb/>
herr&#x017F;cht, und es hat eine Bedeutung, ob &#x201E;Schwerins Tod&#x201C; oder<lb/>
ein altes Po&#x017F;treglement über dem Sopha hängt. Die Für&#x017F;tenwal-<lb/>
der Pa&#x017F;&#x017F;agier&#x017F;tube zeigt noch auf &#x201E;&#x017F;chön Wetter&#x201C;. Es herr&#x017F;cht etwas<lb/>
Anheimelndes in dem Zimmer überhaupt und die gute Stimmung<lb/>
wäch&#x017F;t im Hinblick auf eine Gruppe von älteren Männern, die,<lb/>
ein Glas Bier vor &#x017F;ich, am Sophati&#x017F;che Platz genommen haben.</p><lb/>
        <p>Es &#x017F;ind ihrer drei, zwei Bürger und der Wirth. Der letztere<lb/>
be&#x017F;treitet wie billig die Ko&#x017F;ten der Unterhaltung und bemerkt mit<lb/>
freundlicher Würde: &#x201E;Sie glauben nicht, was alles vorkommt,<lb/>
meine Herren. Bahnhof i&#x017F;t Bahnhof und Po&#x017F;t i&#x017F;t Po&#x017F;t, aber die<lb/>
Men&#x017F;chen thun immer, als ob <hi rendition="#g">Bahnhof</hi> und <hi rendition="#g">Po&#x017F;t</hi> all ein und<lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe wäre. Schreibt mir vorge&#x017F;tern ein Mann aus Dresden,<lb/>
er habe &#x017F;einen Ueberzieher hier liegen la&#x017F;&#x017F;en, &#x201E;über einer Stuhl-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[[101]/0113] Schloß Coſſenblatt. Aber führt der Weg den Wandrer An den Ort, den ich beſinge, Kann er nicht dem Bangen wehren, Daß es ihm das Herz durchdringe. Lenau. Der Weg nach Coſſenblatt führt über Fürſtenwalde und Bees- kow. Fürſtenwalde iſt allerliebſt und verdient ein Kapitel für ſich; heut aber erreichen wir es ſpät und begnügen uns mit dem Ein- druck, den die halb im Dunkel liegende Stadt und die freundlich erleuchtete Paſſagierſtube auf uns machen. Paſſagierſtuben ſind ein ſelten trügender Barometer für die Stimmung, das geiſtige Leben, das in den verſchiedenen Städten herrſcht, und es hat eine Bedeutung, ob „Schwerins Tod“ oder ein altes Poſtreglement über dem Sopha hängt. Die Fürſtenwal- der Paſſagierſtube zeigt noch auf „ſchön Wetter“. Es herrſcht etwas Anheimelndes in dem Zimmer überhaupt und die gute Stimmung wächſt im Hinblick auf eine Gruppe von älteren Männern, die, ein Glas Bier vor ſich, am Sophatiſche Platz genommen haben. Es ſind ihrer drei, zwei Bürger und der Wirth. Der letztere beſtreitet wie billig die Koſten der Unterhaltung und bemerkt mit freundlicher Würde: „Sie glauben nicht, was alles vorkommt, meine Herren. Bahnhof iſt Bahnhof und Poſt iſt Poſt, aber die Menſchen thun immer, als ob Bahnhof und Poſt all ein und daſſelbe wäre. Schreibt mir vorgeſtern ein Mann aus Dresden, er habe ſeinen Ueberzieher hier liegen laſſen, „über einer Stuhl-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/113
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. [101]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/113>, abgerufen am 06.05.2024.