chen etwa halbwegs zwischen Tilsit und Riga, und nur fünf Mei- len noch von der kurischen Grenze (damals schwedisch) entfernt. Hier beschloß Horn, der ohnehin mit Beschämung wahrgenommen haben mochte, daß der verfolgende Gegner um vieles schwächer war als er selbst, das Glück der Waffen noch einmal zu versuchen, und ziemlich unvermuthet, wie es scheint, sahen sich Schöning und seine Brandenburger plötzlich einem standhaltenden Gegner gegen- über, den man sich gewöhnt hatte, auf diesen Schneefeldern zu verfolgen, nicht zu bekämpfen. Vom Augenblick ab, wo sich Horn zu dem Entschluß eines Widerstandes aufraffte, war die Lage Schönings eine sehr bedrohte. Nichtsiegen war gleichbedeutend mit völligem Zugrundegehen. So kam es zum Gefecht bei Telcze.
Horn hatte von seinen 16,000 noch etwa 3000 Mann und eine ziemliche Anzahl von Geschützen; Schöning, da die bittere Kälte viel Menschenleben gekostet hatte, verfügte über wenig mehr als 1200 Reiter und Dragoner. Die Aufstellung, die er nahm, war kurz folgende: die Reiterei in zwei Treffen, in Front des Feindes; die Dragoner, nachdem sie abgesessen, in ein links und rechts gelegenes Gehölz, um im entscheidenden Moment die Schwe- den in beiden Flanken nehmen zu können. Diese glückliche Terrain- benutzung entschied den Tag. Oberst von Dewitz (ein Schwieger- sohn Derfflingers) eröffnete den Angriff und warf einige Com- pagnien schwedischen Fußvolks über den Haufen; aber er drang nicht durch und die Gegner ihrerseits machten jetzt Miene, zum Angriff überzugehen. In diesem Augenblick ließ Schöning die Dragoner aufsitzen und brach von zwei Seiten her mit Ungestüm in die vorrückenden Schweden ein. Ein Gemetzel begann, da jeder instinktmäßig fühlte, daß fliehen verderblicher sei als fechten, und erst die hereinbrechende Nacht machte dem Kampf ein Ende. Keiner hatte ein Recht, sich den Sieg zuzuschreiben, aber die Schweden zogen sich in der Dunkelheit zurück und erklärten sich dadurch für geschlagen. Die Verluste waren auf beiden Seiten ungeheuer; die feindlichen Offiziere hatten, während des ganzen Kampfes, immer in langer Linie vor der Front ihrer eigenen Leute gefochten und
chen etwa halbwegs zwiſchen Tilſit und Riga, und nur fünf Mei- len noch von der kuriſchen Grenze (damals ſchwediſch) entfernt. Hier beſchloß Horn, der ohnehin mit Beſchämung wahrgenommen haben mochte, daß der verfolgende Gegner um vieles ſchwächer war als er ſelbſt, das Glück der Waffen noch einmal zu verſuchen, und ziemlich unvermuthet, wie es ſcheint, ſahen ſich Schöning und ſeine Brandenburger plötzlich einem ſtandhaltenden Gegner gegen- über, den man ſich gewöhnt hatte, auf dieſen Schneefeldern zu verfolgen, nicht zu bekämpfen. Vom Augenblick ab, wo ſich Horn zu dem Entſchluß eines Widerſtandes aufraffte, war die Lage Schönings eine ſehr bedrohte. Nichtſiegen war gleichbedeutend mit völligem Zugrundegehen. So kam es zum Gefecht bei Telcze.
Horn hatte von ſeinen 16,000 noch etwa 3000 Mann und eine ziemliche Anzahl von Geſchützen; Schöning, da die bittere Kälte viel Menſchenleben gekoſtet hatte, verfügte über wenig mehr als 1200 Reiter und Dragoner. Die Aufſtellung, die er nahm, war kurz folgende: die Reiterei in zwei Treffen, in Front des Feindes; die Dragoner, nachdem ſie abgeſeſſen, in ein links und rechts gelegenes Gehölz, um im entſcheidenden Moment die Schwe- den in beiden Flanken nehmen zu können. Dieſe glückliche Terrain- benutzung entſchied den Tag. Oberſt von Dewitz (ein Schwieger- ſohn Derfflingers) eröffnete den Angriff und warf einige Com- pagnien ſchwediſchen Fußvolks über den Haufen; aber er drang nicht durch und die Gegner ihrerſeits machten jetzt Miene, zum Angriff überzugehen. In dieſem Augenblick ließ Schöning die Dragoner aufſitzen und brach von zwei Seiten her mit Ungeſtüm in die vorrückenden Schweden ein. Ein Gemetzel begann, da jeder inſtinktmäßig fühlte, daß fliehen verderblicher ſei als fechten, und erſt die hereinbrechende Nacht machte dem Kampf ein Ende. Keiner hatte ein Recht, ſich den Sieg zuzuſchreiben, aber die Schweden zogen ſich in der Dunkelheit zurück und erklärten ſich dadurch für geſchlagen. Die Verluſte waren auf beiden Seiten ungeheuer; die feindlichen Offiziere hatten, während des ganzen Kampfes, immer in langer Linie vor der Front ihrer eigenen Leute gefochten und
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chen etwa halbwegs zwiſchen Tilſit und Riga, und nur fünf Mei-
len noch von der kuriſchen Grenze (damals ſchwediſch) entfernt.
Hier beſchloß Horn, der ohnehin mit Beſchämung wahrgenommen
haben mochte, daß der verfolgende Gegner um vieles ſchwächer
war als er ſelbſt, das Glück der Waffen noch einmal zu verſuchen,
und ziemlich unvermuthet, wie es ſcheint, ſahen ſich Schöning und
ſeine Brandenburger plötzlich einem ſtandhaltenden Gegner gegen-
über, den man ſich gewöhnt hatte, auf dieſen Schneefeldern zu
verfolgen, nicht zu bekämpfen. Vom Augenblick ab, wo ſich Horn
zu dem Entſchluß eines Widerſtandes aufraffte, war die Lage
Schönings eine ſehr bedrohte. Nichtſiegen war gleichbedeutend mit
völligem Zugrundegehen. So kam es zum Gefecht bei Telcze.
Horn hatte von ſeinen 16,000 noch etwa 3000 Mann und
eine ziemliche Anzahl von Geſchützen; Schöning, da die bittere
Kälte viel Menſchenleben gekoſtet hatte, verfügte über wenig mehr
als 1200 Reiter und Dragoner. Die Aufſtellung, die er nahm,
war kurz folgende: die Reiterei in zwei Treffen, in Front des
Feindes; die Dragoner, nachdem ſie abgeſeſſen, in ein links und
rechts gelegenes Gehölz, um im entſcheidenden Moment die Schwe-
den in beiden Flanken nehmen zu können. Dieſe glückliche Terrain-
benutzung entſchied den Tag. Oberſt von Dewitz (ein Schwieger-
ſohn Derfflingers) eröffnete den Angriff und warf einige Com-
pagnien ſchwediſchen Fußvolks über den Haufen; aber er drang
nicht durch und die Gegner ihrerſeits machten jetzt Miene, zum
Angriff überzugehen. In dieſem Augenblick ließ Schöning die
Dragoner aufſitzen und brach von zwei Seiten her mit Ungeſtüm
in die vorrückenden Schweden ein. Ein Gemetzel begann, da jeder
inſtinktmäßig fühlte, daß fliehen verderblicher ſei als fechten, und
erſt die hereinbrechende Nacht machte dem Kampf ein Ende. Keiner
hatte ein Recht, ſich den Sieg zuzuſchreiben, aber die Schweden
zogen ſich in der Dunkelheit zurück und erklärten ſich dadurch für
geſchlagen. Die Verluſte waren auf beiden Seiten ungeheuer; die
feindlichen Offiziere hatten, während des ganzen Kampfes, immer
in langer Linie vor der Front ihrer eigenen Leute gefochten und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/36>, abgerufen am 26.11.2024.
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