erst der weitere Verlauf des Kampfes führte auch Schöning auf die Bühne.
Das Gefecht bei Heidekrug hatte über die Schweden entschie- den, und in schleunigem Rückzug ging es nördlich, durch die lit- thauischen Schneefelder hin, auf Riga zu. Die Frage für den Kurfürsten war, ob er den Rückzug ruhig gestatten, oder die Flie- henden verfolgend, einen gefährlichen Feind wo möglich vernichten sollte. Er entschied sich für das letztere. Die schwierige Aufgabe der Verfolgung, des Nacheilens durch verschneite Wüsteneien hin, fiel Schöning zu. Mit 1600 Reitern brach er auf. Diese beschei- dene Anzahl würde der schwedischen Armee gegenüber, die immer noch nach Tausenden zählte, sicherlich in eine sehr bedenkliche Lage (wie später wirklich geschah) gekommen sein, wenn nicht die verfolgenden Brandenburger in der litthauischen Bevölke- rung, die wenigstens damals aus geschworenen Feinden der Schwe- den bestand, einen kaum erwarteten Bundesgenossen gefunden hät- ten. Kälte und Bevölkerung schienen sich zu einer völligen Ver- nichtung der Schweden verschworen zu haben. Oberst Truchseß, den Schöning auf diesem Zuge mit einer Meldung an den in Königs- berg weilenden Kurfürsten zurückschickte, traf mit den Worten im Hauptquartier ein: "die Brandenburger hätten keine Wegweiser nöthig, um dem Feinde zu folgen, weil der ganze Weg mit todten Schweden bedeckt sei. Viele kommen vor Kälte um, aber die mei- sten fallen von den Händen der Landesbewohner; die litthauischen Bauern schlagen die Schweden mit Keulen todt und legen die Keulen alsdann auf den erschlagenen Körper."
So war die Lage des schwedischen Heeres, dem Schöning folgte. Aber wir würden irren, wenn wir daraus den Schluß ziehen woll- ten, daß es ein Leichtes gewesen sei, einem solchen Gegner nachzu- ziehen. Das Nachziehen selbst, ganz abgesehen von Kampf und Krieg, war ein Schreckniß. Die Kälte stieg oft auf 26 Grad, vie- len erfroren ganze Gliedmaßen, niemand hatte Geld, und die we- nigen, die noch eine Münze in der Tasche hatten, konnten meist nichts dafür erstehen. So näherte man sich Telcze, einem Städt-
erſt der weitere Verlauf des Kampfes führte auch Schöning auf die Bühne.
Das Gefecht bei Heidekrug hatte über die Schweden entſchie- den, und in ſchleunigem Rückzug ging es nördlich, durch die lit- thauiſchen Schneefelder hin, auf Riga zu. Die Frage für den Kurfürſten war, ob er den Rückzug ruhig geſtatten, oder die Flie- henden verfolgend, einen gefährlichen Feind wo möglich vernichten ſollte. Er entſchied ſich für das letztere. Die ſchwierige Aufgabe der Verfolgung, des Nacheilens durch verſchneite Wüſteneien hin, fiel Schöning zu. Mit 1600 Reitern brach er auf. Dieſe beſchei- dene Anzahl würde der ſchwediſchen Armee gegenüber, die immer noch nach Tauſenden zählte, ſicherlich in eine ſehr bedenkliche Lage (wie ſpäter wirklich geſchah) gekommen ſein, wenn nicht die verfolgenden Brandenburger in der litthauiſchen Bevölke- rung, die wenigſtens damals aus geſchworenen Feinden der Schwe- den beſtand, einen kaum erwarteten Bundesgenoſſen gefunden hät- ten. Kälte und Bevölkerung ſchienen ſich zu einer völligen Ver- nichtung der Schweden verſchworen zu haben. Oberſt Truchſeß, den Schöning auf dieſem Zuge mit einer Meldung an den in Königs- berg weilenden Kurfürſten zurückſchickte, traf mit den Worten im Hauptquartier ein: „die Brandenburger hätten keine Wegweiſer nöthig, um dem Feinde zu folgen, weil der ganze Weg mit todten Schweden bedeckt ſei. Viele kommen vor Kälte um, aber die mei- ſten fallen von den Händen der Landesbewohner; die litthauiſchen Bauern ſchlagen die Schweden mit Keulen todt und legen die Keulen alsdann auf den erſchlagenen Körper.“
So war die Lage des ſchwediſchen Heeres, dem Schöning folgte. Aber wir würden irren, wenn wir daraus den Schluß ziehen woll- ten, daß es ein Leichtes geweſen ſei, einem ſolchen Gegner nachzu- ziehen. Das Nachziehen ſelbſt, ganz abgeſehen von Kampf und Krieg, war ein Schreckniß. Die Kälte ſtieg oft auf 26 Grad, vie- len erfroren ganze Gliedmaßen, niemand hatte Geld, und die we- nigen, die noch eine Münze in der Taſche hatten, konnten meiſt nichts dafür erſtehen. So näherte man ſich Telcze, einem Städt-
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erſt der weitere Verlauf des Kampfes führte auch Schöning auf
die Bühne.
Das Gefecht bei Heidekrug hatte über die Schweden entſchie-
den, und in ſchleunigem Rückzug ging es nördlich, durch die lit-
thauiſchen Schneefelder hin, auf Riga zu. Die Frage für den
Kurfürſten war, ob er den Rückzug ruhig geſtatten, oder die Flie-
henden verfolgend, einen gefährlichen Feind wo möglich vernichten
ſollte. Er entſchied ſich für das letztere. Die ſchwierige Aufgabe
der Verfolgung, des Nacheilens durch verſchneite Wüſteneien hin,
fiel Schöning zu. Mit 1600 Reitern brach er auf. Dieſe beſchei-
dene Anzahl würde der ſchwediſchen Armee gegenüber, die immer
noch nach Tauſenden zählte, ſicherlich in eine ſehr bedenkliche
Lage (wie ſpäter wirklich geſchah) gekommen ſein, wenn nicht
die verfolgenden Brandenburger in der litthauiſchen Bevölke-
rung, die wenigſtens damals aus geſchworenen Feinden der Schwe-
den beſtand, einen kaum erwarteten Bundesgenoſſen gefunden hät-
ten. Kälte und Bevölkerung ſchienen ſich zu einer völligen Ver-
nichtung der Schweden verſchworen zu haben. Oberſt Truchſeß, den
Schöning auf dieſem Zuge mit einer Meldung an den in Königs-
berg weilenden Kurfürſten zurückſchickte, traf mit den Worten im
Hauptquartier ein: „die Brandenburger hätten keine Wegweiſer
nöthig, um dem Feinde zu folgen, weil der ganze Weg mit todten
Schweden bedeckt ſei. Viele kommen vor Kälte um, aber die mei-
ſten fallen von den Händen der Landesbewohner; die litthauiſchen
Bauern ſchlagen die Schweden mit Keulen todt und legen die
Keulen alsdann auf den erſchlagenen Körper.“
So war die Lage des ſchwediſchen Heeres, dem Schöning folgte.
Aber wir würden irren, wenn wir daraus den Schluß ziehen woll-
ten, daß es ein Leichtes geweſen ſei, einem ſolchen Gegner nachzu-
ziehen. Das Nachziehen ſelbſt, ganz abgeſehen von Kampf und
Krieg, war ein Schreckniß. Die Kälte ſtieg oft auf 26 Grad, vie-
len erfroren ganze Gliedmaßen, niemand hatte Geld, und die we-
nigen, die noch eine Münze in der Taſche hatten, konnten meiſt
nichts dafür erſtehen. So näherte man ſich Telcze, einem Städt-
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/35>, abgerufen am 26.11.2024.
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