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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Inzwischen ist es heller geworden, die Nebel haben der Sonne
Platz gemacht und mit dem Sonnenschein zugleich dringen, von
rechts her, Glockenklänge zu uns herüber. Dorf und Kirche aber
sind nicht sichtbar. Ich horche eine Weile; dann wend' ich mich zu
meinem Nachbar und frage: wo klingt das her?

Das ist die 7centnerige von Groß-Rade; -- mein besonderer
Liebling.

Was tausend, fahr' ich fort, kennen Sie die Glocken hier herum
so genau? Ach, mein Herr, ich kenne sie alle. Viele davon sind
meine eignen Kinder, und hat man selber erst Kinder, so kümmert
man sich auch um die Kinder andrer Leute.

Wie das? haben Sie denn die Glocken gegossen? sind sie
Gürtler oder Glockengießer? Oder sind Sie's gewesen?

Ach, mein Herr, ich bin sehr vieles gewesen: Tischler, Korb-
macher, dazwischen Soldat, dann Former, dann Glockengießer, nun
gieß ich Gips. Es hat mir alles nicht recht gefallen, aber das
Glockengießen ist schön.

Da wundert's mich doppelt, daß sie vom Erz auf den Gips
gekommen sind.

Mich wundert es nicht, aber es thut mir leid. Wenn der
"Zink" nicht wäre, so göss' ich noch Glocken bis diesen Tag.

Wie so?

Seit der Zink da ist, ist es mit dem reellen Glockenguß vor-
bei. In alten Zeiten hieß es "Kupfer und Zinn", und waren's
die rechten Leute, gab's auch wohl ein Stück Silber mit hinein.
Damit ist's vorbei. Jetzt wird abgezwackt; von Silber ist keine
Rede mehr; wer's billig macht, der hat's. Der Zink regiert die
Welt und die Glocken dazu. Aber dafür klappern sie auch wie
die Bunzlauer Töpfe. Ich kam bald zu kurz; die Elle wurde
länger als der Kram; wer noch für Zinn ist, der kann nicht be-
stehen, denn Zinn ist theuer und Zink ist billig.

Wie viel Glocken haben Sie wohl gegossen?

Nicht viele, aber doch sieben oder acht; die Groß-Radener ist
meine beste.


Inzwiſchen iſt es heller geworden, die Nebel haben der Sonne
Platz gemacht und mit dem Sonnenſchein zugleich dringen, von
rechts her, Glockenklänge zu uns herüber. Dorf und Kirche aber
ſind nicht ſichtbar. Ich horche eine Weile; dann wend’ ich mich zu
meinem Nachbar und frage: wo klingt das her?

Das iſt die 7centnerige von Groß-Rade; — mein beſonderer
Liebling.

Was tauſend, fahr’ ich fort, kennen Sie die Glocken hier herum
ſo genau? Ach, mein Herr, ich kenne ſie alle. Viele davon ſind
meine eignen Kinder, und hat man ſelber erſt Kinder, ſo kümmert
man ſich auch um die Kinder andrer Leute.

Wie das? haben Sie denn die Glocken gegoſſen? ſind ſie
Gürtler oder Glockengießer? Oder ſind Sie’s geweſen?

Ach, mein Herr, ich bin ſehr vieles geweſen: Tiſchler, Korb-
macher, dazwiſchen Soldat, dann Former, dann Glockengießer, nun
gieß ich Gips. Es hat mir alles nicht recht gefallen, aber das
Glockengießen iſt ſchön.

Da wundert’s mich doppelt, daß ſie vom Erz auf den Gips
gekommen ſind.

Mich wundert es nicht, aber es thut mir leid. Wenn der
„Zink“ nicht wäre, ſo göſſ’ ich noch Glocken bis dieſen Tag.

Wie ſo?

Seit der Zink da iſt, iſt es mit dem reellen Glockenguß vor-
bei. In alten Zeiten hieß es „Kupfer und Zinn“, und waren’s
die rechten Leute, gab’s auch wohl ein Stück Silber mit hinein.
Damit iſt’s vorbei. Jetzt wird abgezwackt; von Silber iſt keine
Rede mehr; wer’s billig macht, der hat’s. Der Zink regiert die
Welt und die Glocken dazu. Aber dafür klappern ſie auch wie
die Bunzlauer Töpfe. Ich kam bald zu kurz; die Elle wurde
länger als der Kram; wer noch für Zinn iſt, der kann nicht be-
ſtehen, denn Zinn iſt theuer und Zink iſt billig.

Wie viel Glocken haben Sie wohl gegoſſen?

Nicht viele, aber doch ſieben oder acht; die Groß-Radener iſt
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[8/0020] Inzwiſchen iſt es heller geworden, die Nebel haben der Sonne Platz gemacht und mit dem Sonnenſchein zugleich dringen, von rechts her, Glockenklänge zu uns herüber. Dorf und Kirche aber ſind nicht ſichtbar. Ich horche eine Weile; dann wend’ ich mich zu meinem Nachbar und frage: wo klingt das her? Das iſt die 7centnerige von Groß-Rade; — mein beſonderer Liebling. Was tauſend, fahr’ ich fort, kennen Sie die Glocken hier herum ſo genau? Ach, mein Herr, ich kenne ſie alle. Viele davon ſind meine eignen Kinder, und hat man ſelber erſt Kinder, ſo kümmert man ſich auch um die Kinder andrer Leute. Wie das? haben Sie denn die Glocken gegoſſen? ſind ſie Gürtler oder Glockengießer? Oder ſind Sie’s geweſen? Ach, mein Herr, ich bin ſehr vieles geweſen: Tiſchler, Korb- macher, dazwiſchen Soldat, dann Former, dann Glockengießer, nun gieß ich Gips. Es hat mir alles nicht recht gefallen, aber das Glockengießen iſt ſchön. Da wundert’s mich doppelt, daß ſie vom Erz auf den Gips gekommen ſind. Mich wundert es nicht, aber es thut mir leid. Wenn der „Zink“ nicht wäre, ſo göſſ’ ich noch Glocken bis dieſen Tag. Wie ſo? Seit der Zink da iſt, iſt es mit dem reellen Glockenguß vor- bei. In alten Zeiten hieß es „Kupfer und Zinn“, und waren’s die rechten Leute, gab’s auch wohl ein Stück Silber mit hinein. Damit iſt’s vorbei. Jetzt wird abgezwackt; von Silber iſt keine Rede mehr; wer’s billig macht, der hat’s. Der Zink regiert die Welt und die Glocken dazu. Aber dafür klappern ſie auch wie die Bunzlauer Töpfe. Ich kam bald zu kurz; die Elle wurde länger als der Kram; wer noch für Zinn iſt, der kann nicht be- ſtehen, denn Zinn iſt theuer und Zink iſt billig. Wie viel Glocken haben Sie wohl gegoſſen? Nicht viele, aber doch ſieben oder acht; die Groß-Radener iſt meine beſte.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/20>, abgerufen am 25.11.2024.