beendet war, führte die Wiedereröffnung der Feindseligkeiten zwi- schen Frankreich und dem Kaiser (im Sommer 1734) unsern Kronprinzen an den Rhein. Am 7. Juli war er in Wiesenthal, wo der General-Lieutenant v. Röder mit den preußischen Truppen im Lager stand. Aber "im Kaiserlichen Heere war nur noch der Schatten des großen Eugen;" der einundsiebenzigjährige Held hatte sich überlebt. Philippsburg ging verloren; das thatenlose Hin- und Herziehen wurde unerträglich, und gegen Ende October erblicken wir den Prinzen wieder daheim, in seiner "geliebten Garnison."
Zweierlei hatte ihm dieser lorbeerarme Kriegszug eingetragen: zunächst und allgemein einen Einblick in die Schwächen der Kaiser- lichen Armee, daneben speciell und allerpersönlichst -- einen Freund. Dieser Freund war Chasot.
Wie das Jahr 1734 einen längern Aufenthalt am Rhein gebracht hatte, so brachte das folgende Jahr eine mehrmonatliche Reise nach Ostpreußen. Uns aber beschäftigen diese Ausflüge nicht länger, sondern wir halten uns innerhalb der Bannmeile von Ruppin und suchen uns ein Bild dieser spätern Ruppiner Tage zu entwerfen.
Das Rheinsberger Schloß schmückt und erweitert sich mehr und mehr, aber der Tag der Uebersiedelung ist noch fern und die bescheidenen Ruppiner Räume müssen zunächst noch genügen. Die Stadtwohnung läßt viel zu wünschen übrig; aber die Sommer- monate gehören dem "Garten am Wall." Hier lebt er heitere, mußevolle Stunden, die Vorläufer jener berühmt gewordenen Tage von Rheinsberg und Sanssouci. Allabendlich, nach der Schwere des Dienstes, zieht es ihn nach seinem "Amalthea" *) hinaus. Der Weg durch die unsaubern Straßen der alten Stadt ist ihm un- bequem, so hat er denn für ein Mauerpförtchen Sorge getragen, das ihn unmittelbar aus dem Hofe seines "Palais" auf den Wall
*) Amalthea, die Nymphe, welche den Jupiter mit der Milch einer Ziege ernährte, auch diese Ziege selbst; also hier etwa Milchwirth- schaft, Meierei.
beendet war, führte die Wiedereröffnung der Feindſeligkeiten zwi- ſchen Frankreich und dem Kaiſer (im Sommer 1734) unſern Kronprinzen an den Rhein. Am 7. Juli war er in Wieſenthal, wo der General-Lieutenant v. Röder mit den preußiſchen Truppen im Lager ſtand. Aber „im Kaiſerlichen Heere war nur noch der Schatten des großen Eugen;“ der einundſiebenzigjährige Held hatte ſich überlebt. Philippsburg ging verloren; das thatenloſe Hin- und Herziehen wurde unerträglich, und gegen Ende October erblicken wir den Prinzen wieder daheim, in ſeiner „geliebten Garniſon.“
Zweierlei hatte ihm dieſer lorbeerarme Kriegszug eingetragen: zunächſt und allgemein einen Einblick in die Schwächen der Kaiſer- lichen Armee, daneben ſpeciell und allerperſönlichſt — einen Freund. Dieſer Freund war Chaſot.
Wie das Jahr 1734 einen längern Aufenthalt am Rhein gebracht hatte, ſo brachte das folgende Jahr eine mehrmonatliche Reiſe nach Oſtpreußen. Uns aber beſchäftigen dieſe Ausflüge nicht länger, ſondern wir halten uns innerhalb der Bannmeile von Ruppin und ſuchen uns ein Bild dieſer ſpätern Ruppiner Tage zu entwerfen.
Das Rheinsberger Schloß ſchmückt und erweitert ſich mehr und mehr, aber der Tag der Ueberſiedelung iſt noch fern und die beſcheidenen Ruppiner Räume müſſen zunächſt noch genügen. Die Stadtwohnung läßt viel zu wünſchen übrig; aber die Sommer- monate gehören dem „Garten am Wall.“ Hier lebt er heitere, mußevolle Stunden, die Vorläufer jener berühmt gewordenen Tage von Rheinsberg und Sansſouçi. Allabendlich, nach der Schwere des Dienſtes, zieht es ihn nach ſeinem „Amalthea“ *) hinaus. Der Weg durch die unſaubern Straßen der alten Stadt iſt ihm un- bequem, ſo hat er denn für ein Mauerpförtchen Sorge getragen, das ihn unmittelbar aus dem Hofe ſeines „Palais“ auf den Wall
*) Amalthea, die Nymphe, welche den Jupiter mit der Milch einer Ziege ernährte, auch dieſe Ziege ſelbſt; alſo hier etwa Milchwirth- ſchaft, Meierei.
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beendet war, führte die Wiedereröffnung der Feindſeligkeiten zwi-
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Kronprinzen an den Rhein. Am 7. Juli war er in Wieſenthal,
wo der General-Lieutenant v. Röder mit den preußiſchen Truppen
im Lager ſtand. Aber „im Kaiſerlichen Heere war nur noch der
Schatten des großen Eugen;“ der einundſiebenzigjährige Held hatte
ſich überlebt. Philippsburg ging verloren; das thatenloſe Hin- und
Herziehen wurde unerträglich, und gegen Ende October erblicken
wir den Prinzen wieder daheim, in ſeiner „geliebten Garniſon.“
Zweierlei hatte ihm dieſer lorbeerarme Kriegszug eingetragen:
zunächſt und allgemein einen Einblick in die Schwächen der Kaiſer-
lichen Armee, daneben ſpeciell und allerperſönlichſt — einen Freund.
Dieſer Freund war Chaſot.
Wie das Jahr 1734 einen längern Aufenthalt am Rhein
gebracht hatte, ſo brachte das folgende Jahr eine mehrmonatliche
Reiſe nach Oſtpreußen. Uns aber beſchäftigen dieſe Ausflüge nicht
länger, ſondern wir halten uns innerhalb der Bannmeile von
Ruppin und ſuchen uns ein Bild dieſer ſpätern Ruppiner Tage
zu entwerfen.
Das Rheinsberger Schloß ſchmückt und erweitert ſich mehr
und mehr, aber der Tag der Ueberſiedelung iſt noch fern und die
beſcheidenen Ruppiner Räume müſſen zunächſt noch genügen. Die
Stadtwohnung läßt viel zu wünſchen übrig; aber die Sommer-
monate gehören dem „Garten am Wall.“ Hier lebt er heitere,
mußevolle Stunden, die Vorläufer jener berühmt gewordenen Tage
von Rheinsberg und Sansſouçi. Allabendlich, nach der Schwere
des Dienſtes, zieht es ihn nach ſeinem „Amalthea“ *) hinaus. Der
Weg durch die unſaubern Straßen der alten Stadt iſt ihm un-
bequem, ſo hat er denn für ein Mauerpförtchen Sorge getragen,
das ihn unmittelbar aus dem Hofe ſeines „Palais“ auf den Wall
*) Amalthea, die Nymphe, welche den Jupiter mit der Milch einer
Ziege ernährte, auch dieſe Ziege ſelbſt; alſo hier etwa Milchwirth-
ſchaft, Meierei.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 45. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/63>, abgerufen am 24.11.2024.
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