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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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wenig correkten Lebenswandel der Prinzessin Anstoß genommen
habe, doch ist es nicht unwahrscheinlich, daß andere Empfindungen
mit in's Spiel kamen und den Ausschlag gaben. Die Seitenlinie
Brandenburg-Schwedt, die, zum wenigsten was ihre Besitzverhält-
nisse anging, erst den Einflüsterungen und Machinationen der zwei-
ten Gemahlin des großen Kurfürsten ihre Entstehung verdankte,
wurde vom großen König mit demselben Mangel an Sympathie
betrachtet, den sein Vater und namentlich sein Großvater (Fried-
rich
I.) gegen dieselbe unterhalten hatte und "wie es in den Wald
hinein schallte, so schallte es, aller Wahrscheinlichkeit nach, wieder
heraus." So groß jene Zeit in vielen Stücken war, so war sie
es doch keineswegs in allen und Klatsch, Intrigue und Chro-
nique scandaleuse hatten ein unglaublich großes Feld. Wir werden
kaum irren, wenn wir annehmen, daß Prinzessin Henriette Ma-
rie
ihre Zunge weniger im Zaum gehalten habe, als wünschens-
werth gewesen wäre und daß dieser Umstand zur unfreiwilligen
Muße von Coepenick führte: um über Schweigens Weisheit nach-
zudenken. Daß die Prinzessin dem nachgekommen sei und in Schloß
Coepenick dreißig Jahre lang die Kunst des Schweigens geübt
habe, haben wir nicht die geringste Ursach anzunehmen, gegentheils
scheint es, daß man sich die einsamen Tage in Coepenick durch
pikante Plaudereinen nach Möglichkeit vertrieben und die Mesquine-
rieen eines kleinen Hofes, als bestes Mittel die Zeit hinzubringen,
mit leidlicher Virtuosität geübt habe. Ueber das damalige Leben in
Schloß Coepenick (die Zeiten der Wolfsjagden und der Kriegs-
gerichte waren vorüber) geben einige Notizen Aufschluß, denen wir
in einer Biographie des Freiherrn von Krohne, der sich König-
lich Polnischer Wirklicher Geheimerath nannte, begegnen. Dieser
Abenteurer, der überall im Trüben zu fischen und an kleinen Hö-
fen sein "Fortune" zu machen suchte, kam auch an den Hof des
Markgrafen Friedrich Wilhelm von Schwedt, des regieren-
den Bruders unsrer Henriette Marie, deren Hofstaat der Mark-
graf aus den Revenuen seines Schwedter Markgrafenthums zu
unterhalten hatte. Prinzessin-Schwester brauchte mehr als Mark-

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wenig correkten Lebenswandel der Prinzeſſin Anſtoß genommen
habe, doch iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß andere Empfindungen
mit in’s Spiel kamen und den Ausſchlag gaben. Die Seitenlinie
Brandenburg-Schwedt, die, zum wenigſten was ihre Beſitzverhält-
niſſe anging, erſt den Einflüſterungen und Machinationen der zwei-
ten Gemahlin des großen Kurfürſten ihre Entſtehung verdankte,
wurde vom großen König mit demſelben Mangel an Sympathie
betrachtet, den ſein Vater und namentlich ſein Großvater (Fried-
rich
I.) gegen dieſelbe unterhalten hatte und „wie es in den Wald
hinein ſchallte, ſo ſchallte es, aller Wahrſcheinlichkeit nach, wieder
heraus.“ So groß jene Zeit in vielen Stücken war, ſo war ſie
es doch keineswegs in allen und Klatſch, Intrigue und Chro-
nique ſcandaleuſe hatten ein unglaublich großes Feld. Wir werden
kaum irren, wenn wir annehmen, daß Prinzeſſin Henriette Ma-
rie
ihre Zunge weniger im Zaum gehalten habe, als wünſchens-
werth geweſen wäre und daß dieſer Umſtand zur unfreiwilligen
Muße von Coepenick führte: um über Schweigens Weisheit nach-
zudenken. Daß die Prinzeſſin dem nachgekommen ſei und in Schloß
Coepenick dreißig Jahre lang die Kunſt des Schweigens geübt
habe, haben wir nicht die geringſte Urſach anzunehmen, gegentheils
ſcheint es, daß man ſich die einſamen Tage in Coepenick durch
pikante Plaudereinen nach Möglichkeit vertrieben und die Mesquine-
rieen eines kleinen Hofes, als beſtes Mittel die Zeit hinzubringen,
mit leidlicher Virtuoſität geübt habe. Ueber das damalige Leben in
Schloß Coepenick (die Zeiten der Wolfsjagden und der Kriegs-
gerichte waren vorüber) geben einige Notizen Aufſchluß, denen wir
in einer Biographie des Freiherrn von Krohne, der ſich König-
lich Polniſcher Wirklicher Geheimerath nannte, begegnen. Dieſer
Abenteurer, der überall im Trüben zu fiſchen und an kleinen Hö-
fen ſein „Fortune“ zu machen ſuchte, kam auch an den Hof des
Markgrafen Friedrich Wilhelm von Schwedt, des regieren-
den Bruders unſrer Henriette Marie, deren Hofſtaat der Mark-
graf aus den Revenuen ſeines Schwedter Markgrafenthums zu
unterhalten hatte. Prinzeſſin-Schweſter brauchte mehr als Mark-

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[355/0373] wenig correkten Lebenswandel der Prinzeſſin Anſtoß genommen habe, doch iſt es nicht unwahrſcheinlich, daß andere Empfindungen mit in’s Spiel kamen und den Ausſchlag gaben. Die Seitenlinie Brandenburg-Schwedt, die, zum wenigſten was ihre Beſitzverhält- niſſe anging, erſt den Einflüſterungen und Machinationen der zwei- ten Gemahlin des großen Kurfürſten ihre Entſtehung verdankte, wurde vom großen König mit demſelben Mangel an Sympathie betrachtet, den ſein Vater und namentlich ſein Großvater (Fried- rich I.) gegen dieſelbe unterhalten hatte und „wie es in den Wald hinein ſchallte, ſo ſchallte es, aller Wahrſcheinlichkeit nach, wieder heraus.“ So groß jene Zeit in vielen Stücken war, ſo war ſie es doch keineswegs in allen und Klatſch, Intrigue und Chro- nique ſcandaleuſe hatten ein unglaublich großes Feld. Wir werden kaum irren, wenn wir annehmen, daß Prinzeſſin Henriette Ma- rie ihre Zunge weniger im Zaum gehalten habe, als wünſchens- werth geweſen wäre und daß dieſer Umſtand zur unfreiwilligen Muße von Coepenick führte: um über Schweigens Weisheit nach- zudenken. Daß die Prinzeſſin dem nachgekommen ſei und in Schloß Coepenick dreißig Jahre lang die Kunſt des Schweigens geübt habe, haben wir nicht die geringſte Urſach anzunehmen, gegentheils ſcheint es, daß man ſich die einſamen Tage in Coepenick durch pikante Plaudereinen nach Möglichkeit vertrieben und die Mesquine- rieen eines kleinen Hofes, als beſtes Mittel die Zeit hinzubringen, mit leidlicher Virtuoſität geübt habe. Ueber das damalige Leben in Schloß Coepenick (die Zeiten der Wolfsjagden und der Kriegs- gerichte waren vorüber) geben einige Notizen Aufſchluß, denen wir in einer Biographie des Freiherrn von Krohne, der ſich König- lich Polniſcher Wirklicher Geheimerath nannte, begegnen. Dieſer Abenteurer, der überall im Trüben zu fiſchen und an kleinen Hö- fen ſein „Fortune“ zu machen ſuchte, kam auch an den Hof des Markgrafen Friedrich Wilhelm von Schwedt, des regieren- den Bruders unſrer Henriette Marie, deren Hofſtaat der Mark- graf aus den Revenuen ſeines Schwedter Markgrafenthums zu unterhalten hatte. Prinzeſſin-Schweſter brauchte mehr als Mark- 23*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/373>, abgerufen am 25.11.2024.