Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.graf-Bruder zu zahlen liebte und so wurde denn Freiherr von *) Hofprediger St. Aubin erhielt von der Prinzessin die kleine rei-
zende Besitzung geschenkt, die, in unmittelbarer Nähe Coepenicks gelegen, den Namen "Bellevue" führt. Dies Bellevue ist ein Garten mitten im Sande, eine Oase in mehr als einer Beziehung. Mr. St. Aubin er- baute sich daselbst ein Herrenhaus, ein "Schlößchen" mit Speisehalle und Gartensaal, mit Bibliothek und Empfangszimmern. Der gegenwärtige Be- sitzer des Guts ist Pastor Pabst, früher Gesandtschaftsprediger in Rom ("Rom hatte damals zwei Päbste"). Vor ihm besaß es Bernhard von Lepel, der hier, in poetischer Zurückgezogenheit, einige seiner besten Sachen dichtete, z. B. "die Zauberin Kirke." 1852 war "Bellevue" der Sommer- aufenthalt Franz Kuglers und Paul Heyse's. Comfort, Kunst und Dichtung waren, so scheint es, immer an dieser Stelle zu Haus und nie- mand gewann Hausrecht hier, der nicht zuvor in Rom gewesen war. Der Verf. hat die Zimmer des Schlößchens nie anders gesehn, als im Schmuck italienischer Bilder und oft lagen mehr Pinienäpfel auf den Schränken und Kommoden des Gartensaals umher, als Tannäpfel in den Steigen des Gartens. graf-Bruder zu zahlen liebte und ſo wurde denn Freiherr von *) Hofprediger St. Aubin erhielt von der Prinzeſſin die kleine rei-
zende Beſitzung geſchenkt, die, in unmittelbarer Nähe Coepenicks gelegen, den Namen „Bellevue“ führt. Dies Bellevue iſt ein Garten mitten im Sande, eine Oaſe in mehr als einer Beziehung. Mr. St. Aubin er- baute ſich daſelbſt ein Herrenhaus, ein „Schlößchen“ mit Speiſehalle und Gartenſaal, mit Bibliothek und Empfangszimmern. Der gegenwärtige Be- ſitzer des Guts iſt Paſtor Pabſt, früher Geſandtſchaftsprediger in Rom („Rom hatte damals zwei Päbſte“). Vor ihm beſaß es Bernhard von Lepel, der hier, in poetiſcher Zurückgezogenheit, einige ſeiner beſten Sachen dichtete, z. B. „die Zauberin Kirke.“ 1852 war „Bellevue“ der Sommer- aufenthalt Franz Kuglers und Paul Heyſe’s. Comfort, Kunſt und Dichtung waren, ſo ſcheint es, immer an dieſer Stelle zu Haus und nie- mand gewann Hausrecht hier, der nicht zuvor in Rom geweſen war. Der Verf. hat die Zimmer des Schlößchens nie anders geſehn, als im Schmuck italieniſcher Bilder und oft lagen mehr Pinienäpfel auf den Schränken und Kommoden des Gartenſaals umher, als Tannäpfel in den Steigen des Gartens. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0374" n="356"/> graf-Bruder zu zahlen liebte und ſo wurde denn Freiherr <hi rendition="#g">von<lb/> Krohne</hi>, der eben ſeine Dienſte angeboten hatte, an den Coepe-<lb/> nicker Hof geſchickt, vorgeblich um der Prinzeſſin als Kammerherr<lb/> zu Dienſten zu ſein, in Wahrheit aber um die Ausgaben, zu denen<lb/> ihre Freigiebigkeit oder ihre Verſchwendung führte, zu controliren.<lb/> Freiherr <hi rendition="#g">von Krohne</hi> traf ein, debütirte mit Geſchick, wußte einen<lb/> Hofrath, der ihm in Schwedt als Hauptträger des Verſchwendungs-<lb/> Syſtems bezeichnet worden war, glücklich zu entfernen und ſtand<lb/> bereits auf dem Punkt, ſich als erſter Miniſter und Plenipotentiair<lb/> am Hofe zu Coepenick zu etabliren, als die beiden alten Günſt-<lb/> linge der Prinzeſſin, die bis dahin auf gegneriſchem Fuße geſtanden<lb/> und einander die Waage gehalten hatten, ſich zum Untergang des<lb/> Eindringlings verſchworen. Kammerherr <hi rendition="#g">von Wangenheim</hi> und<lb/> Hofprediger <hi rendition="#g">St. Aubin</hi> <note place="foot" n="*)">Hofprediger <hi rendition="#g">St. Aubin</hi> erhielt von der Prinzeſſin die kleine rei-<lb/> zende Beſitzung geſchenkt, die, in unmittelbarer Nähe Coepenicks gelegen,<lb/> den Namen „Bellevue“ führt. Dies Bellevue iſt ein Garten mitten im<lb/> Sande, eine Oaſe in mehr als einer Beziehung. Mr. <hi rendition="#g">St. Aubin</hi> er-<lb/> baute ſich daſelbſt ein Herrenhaus, ein „Schlößchen“ mit Speiſehalle und<lb/> Gartenſaal, mit Bibliothek und Empfangszimmern. Der gegenwärtige Be-<lb/> ſitzer des Guts iſt Paſtor <hi rendition="#g">Pabſt</hi>, früher Geſandtſchaftsprediger in Rom<lb/> („Rom hatte damals zwei Päbſte“). Vor ihm beſaß es <hi rendition="#g">Bernhard von<lb/> Lepel</hi>, der hier, in poetiſcher Zurückgezogenheit, einige ſeiner beſten Sachen<lb/> dichtete, z. B. „die Zauberin Kirke.“ 1852 war „Bellevue“ der Sommer-<lb/> aufenthalt <hi rendition="#g">Franz Kuglers</hi> und <hi rendition="#g">Paul Heyſe</hi>’s. Comfort, Kunſt und<lb/> Dichtung waren, ſo ſcheint es, immer an dieſer Stelle zu Haus und nie-<lb/> mand gewann Hausrecht hier, der nicht zuvor in <hi rendition="#g">Rom</hi> geweſen war. Der<lb/> Verf. hat die Zimmer des Schlößchens nie anders geſehn, als im Schmuck<lb/> italieniſcher Bilder und oft lagen mehr Pinienäpfel auf den Schränken<lb/> und Kommoden des Gartenſaals umher, als Tannäpfel in den Steigen<lb/> des Gartens.</note> ſchloſſen Frieden, entlarvten den immer<lb/> mächtiger werdenden Freiherrn als eine Kreatur des Schwedter<lb/> Hofes und ſtürzten ihn auf der Stelle. Kammerherr <hi rendition="#g">von Wan-<lb/> genheim</hi>, von dem eigends hervorgehoben wird, daß er ein ſehr<lb/> ſtarker Mann geweſen ſei, übernahm zu größerer Sicherheit die<lb/> Executive ſeiner eigenen Maßregeln und ſchaffte den geſtürzten<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [356/0374]
graf-Bruder zu zahlen liebte und ſo wurde denn Freiherr von
Krohne, der eben ſeine Dienſte angeboten hatte, an den Coepe-
nicker Hof geſchickt, vorgeblich um der Prinzeſſin als Kammerherr
zu Dienſten zu ſein, in Wahrheit aber um die Ausgaben, zu denen
ihre Freigiebigkeit oder ihre Verſchwendung führte, zu controliren.
Freiherr von Krohne traf ein, debütirte mit Geſchick, wußte einen
Hofrath, der ihm in Schwedt als Hauptträger des Verſchwendungs-
Syſtems bezeichnet worden war, glücklich zu entfernen und ſtand
bereits auf dem Punkt, ſich als erſter Miniſter und Plenipotentiair
am Hofe zu Coepenick zu etabliren, als die beiden alten Günſt-
linge der Prinzeſſin, die bis dahin auf gegneriſchem Fuße geſtanden
und einander die Waage gehalten hatten, ſich zum Untergang des
Eindringlings verſchworen. Kammerherr von Wangenheim und
Hofprediger St. Aubin *) ſchloſſen Frieden, entlarvten den immer
mächtiger werdenden Freiherrn als eine Kreatur des Schwedter
Hofes und ſtürzten ihn auf der Stelle. Kammerherr von Wan-
genheim, von dem eigends hervorgehoben wird, daß er ein ſehr
ſtarker Mann geweſen ſei, übernahm zu größerer Sicherheit die
Executive ſeiner eigenen Maßregeln und ſchaffte den geſtürzten
*) Hofprediger St. Aubin erhielt von der Prinzeſſin die kleine rei-
zende Beſitzung geſchenkt, die, in unmittelbarer Nähe Coepenicks gelegen,
den Namen „Bellevue“ führt. Dies Bellevue iſt ein Garten mitten im
Sande, eine Oaſe in mehr als einer Beziehung. Mr. St. Aubin er-
baute ſich daſelbſt ein Herrenhaus, ein „Schlößchen“ mit Speiſehalle und
Gartenſaal, mit Bibliothek und Empfangszimmern. Der gegenwärtige Be-
ſitzer des Guts iſt Paſtor Pabſt, früher Geſandtſchaftsprediger in Rom
(„Rom hatte damals zwei Päbſte“). Vor ihm beſaß es Bernhard von
Lepel, der hier, in poetiſcher Zurückgezogenheit, einige ſeiner beſten Sachen
dichtete, z. B. „die Zauberin Kirke.“ 1852 war „Bellevue“ der Sommer-
aufenthalt Franz Kuglers und Paul Heyſe’s. Comfort, Kunſt und
Dichtung waren, ſo ſcheint es, immer an dieſer Stelle zu Haus und nie-
mand gewann Hausrecht hier, der nicht zuvor in Rom geweſen war. Der
Verf. hat die Zimmer des Schlößchens nie anders geſehn, als im Schmuck
italieniſcher Bilder und oft lagen mehr Pinienäpfel auf den Schränken
und Kommoden des Gartenſaals umher, als Tannäpfel in den Steigen
des Gartens.
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