Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.Ich glaub' es auch nicht, aber man kann doch nicht wissen. Ne, weeten kann man et nich. De seggen ooch, Oll-Sparr Adieu Papa, und seht Euch vor. Wovör? Vor'm alten Sparr. Er lachte und rief mir freundlich nach: Nee, nee; he kümmt Es war, wie der Alte gesagt hatte, Prenden versteckte sich *) Es ist sehr interessant zu verfolgen, in welcher Weise und nach
welchen Gesetzen das Volk sich seine Helden ausstaffirt. Es verfährt dabei lediglich nach einem dunkeln Drange, nach einem tief einwohnenden ro- mantischen Bedürfniß und ist gegen nichts gleichgültiger, als gegen den wirklichen historischen Sachverhalt. Der alte Sparr, wie meine Schilde- rung gezeigt haben wird, hat wenig oder nichts gemein mit dem Sparr, wie er in den Prenden'schen Spinnstuben lebt. Otto Christoph v. Sparr war in den letzten zehn Jahren seines Lebens ein frommer Kriegsheld; hätte seine Frömmigkeit sich bis zu einer frappirenden That (also etwa bis zum Stylitenthum, oder sonst einer Handlung äußerster Ascese) verstiegen, so würde diese eklatante That für das Sagenbedürfniß der Prendener den Stoff und die Anlehnung geboten haben; -- da aber Sparr's Frömmig- keit die Ascese vermied und keine Wunder that, so war sie für die Pren- dener so gut wie gar nicht vorhanden und sie befragten sein Leben nach Zügen, die mehr in die Augen sprangen. Da hörten sie von Türken- zügen, vom Niederschießen des Marienkirchthurms, von Kettenkugeln, von seinen sonstigen Wundern als Artillerie-General und -- der Zauberer war fertig. Er hat nun, er mag wollen oder nicht, Faust's Mantel und fährt über die Kirchthürme hin. Ganz dieselben Dinge wiederholen sich beim alten Derfflinger in Gusow -- der eine läßt die Peitsche, der andre die Theerbutte am Kirchthurme des Nachbarortes zurück. Was den Stein mit den Krampen und Ketten und den vier Sklaven angeht, so ist er- sichtlich, daß das Standbild des großen Kurfürsten, mit den vier Gefesselten am Sockel, zu dieser wie zu ähnlichen Sagen Veranlassung gegeben hat. Ich glaub’ es auch nicht, aber man kann doch nicht wiſſen. Ne, weeten kann man et nich. De ſeggen ooch, Oll-Sparr Adieu Papa, und ſeht Euch vor. Wovör? Vor’m alten Sparr. Er lachte und rief mir freundlich nach: Nee, nee; he kümmt Es war, wie der Alte geſagt hatte, Prenden verſteckte ſich *) Es iſt ſehr intereſſant zu verfolgen, in welcher Weiſe und nach
welchen Geſetzen das Volk ſich ſeine Helden ausſtaffirt. Es verfährt dabei lediglich nach einem dunkeln Drange, nach einem tief einwohnenden ro- mantiſchen Bedürfniß und iſt gegen nichts gleichgültiger, als gegen den wirklichen hiſtoriſchen Sachverhalt. Der alte Sparr, wie meine Schilde- rung gezeigt haben wird, hat wenig oder nichts gemein mit dem Sparr, wie er in den Prenden’ſchen Spinnſtuben lebt. Otto Chriſtoph v. Sparr war in den letzten zehn Jahren ſeines Lebens ein frommer Kriegsheld; hätte ſeine Frömmigkeit ſich bis zu einer frappirenden That (alſo etwa bis zum Stylitenthum, oder ſonſt einer Handlung äußerſter Asceſe) verſtiegen, ſo würde dieſe eklatante That für das Sagenbedürfniß der Prendener den Stoff und die Anlehnung geboten haben; — da aber Sparr’s Frömmig- keit die Asceſe vermied und keine Wunder that, ſo war ſie für die Pren- dener ſo gut wie gar nicht vorhanden und ſie befragten ſein Leben nach Zügen, die mehr in die Augen ſprangen. Da hörten ſie von Türken- zügen, vom Niederſchießen des Marienkirchthurms, von Kettenkugeln, von ſeinen ſonſtigen Wundern als Artillerie-General und — der Zauberer war fertig. Er hat nun, er mag wollen oder nicht, Fauſt’s Mantel und fährt über die Kirchthürme hin. Ganz dieſelben Dinge wiederholen ſich beim alten Derfflinger in Guſow — der eine läßt die Peitſche, der andre die Theerbutte am Kirchthurme des Nachbarortes zurück. Was den Stein mit den Krampen und Ketten und den vier Sklaven angeht, ſo iſt er- ſichtlich, daß das Standbild des großen Kurfürſten, mit den vier Gefeſſelten am Sockel, zu dieſer wie zu ähnlichen Sagen Veranlaſſung gegeben hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0331" n="313"/> <p>Ich glaub’ es auch nicht, aber man kann doch nicht wiſſen.</p><lb/> <p>Ne, weeten kann man et nich. De ſeggen ooch, Oll-Sparr<lb/> ſpökt hier, hier in diſſen Wald. Ick hebb’ ooch all ſo watt hürt<lb/> hier, Pietſchenknallen un Pruſten und as ob een’ lachen däht, —<lb/> ne, weeten kann man et nich.</p><lb/> <p>Adieu Papa, und ſeht Euch vor.</p><lb/> <p>Wovör?</p><lb/> <p>Vor’m alten Sparr.</p><lb/> <p>Er lachte und rief mir freundlich nach: Nee, nee; he kümmt<lb/> nich an’n hellen lichten Dag. <note place="foot" n="*)">Es iſt ſehr intereſſant zu verfolgen, in welcher Weiſe und nach<lb/> welchen Geſetzen das Volk ſich ſeine Helden ausſtaffirt. Es verfährt dabei<lb/> lediglich nach einem dunkeln Drange, nach einem tief einwohnenden ro-<lb/> mantiſchen Bedürfniß und iſt gegen nichts gleichgültiger, als gegen den<lb/> wirklichen hiſtoriſchen Sachverhalt. Der alte Sparr, wie meine Schilde-<lb/> rung gezeigt haben wird, hat wenig oder nichts gemein mit <hi rendition="#g">dem</hi> Sparr,<lb/> wie er in den Prenden’ſchen Spinnſtuben lebt. Otto Chriſtoph v. Sparr<lb/> war in den letzten zehn Jahren ſeines Lebens ein frommer Kriegsheld;<lb/> hätte ſeine Frömmigkeit ſich bis zu einer frappirenden That (alſo etwa bis<lb/> zum Stylitenthum, oder ſonſt einer Handlung äußerſter Asceſe) verſtiegen,<lb/> ſo würde dieſe eklatante That für das Sagenbedürfniß der Prendener den<lb/> Stoff und die Anlehnung geboten haben; — da aber Sparr’s Frömmig-<lb/> keit die Asceſe vermied und keine Wunder that, ſo war ſie für die Pren-<lb/> dener ſo gut wie gar nicht vorhanden und ſie befragten ſein Leben nach<lb/> Zügen, die <hi rendition="#g">mehr</hi> in die Augen ſprangen. Da hörten ſie von Türken-<lb/> zügen, vom Niederſchießen des Marienkirchthurms, von Kettenkugeln, von<lb/> ſeinen ſonſtigen Wundern als Artillerie-General und — der <hi rendition="#g">Zauberer</hi><lb/> war fertig. Er hat nun, er mag wollen oder nicht, Fauſt’s Mantel und<lb/> fährt über die Kirchthürme hin. Ganz dieſelben Dinge wiederholen ſich<lb/> beim alten Derfflinger in Guſow — der eine läßt die Peitſche, der andre<lb/> die Theerbutte am Kirchthurme des Nachbarortes zurück. Was den Stein<lb/> mit den Krampen und Ketten und den vier Sklaven angeht, ſo iſt er-<lb/> ſichtlich, daß das Standbild des großen Kurfürſten, mit den vier Gefeſſelten<lb/> am Sockel, zu dieſer wie zu ähnlichen Sagen Veranlaſſung gegeben hat.</note></p><lb/> <p>Es war, wie der Alte geſagt hatte, Prenden verſteckte ſich<lb/> tief im Grunde, und als ich aus dem Walde trat, lag zunächſt<lb/> noch ein Plateau vor mir, deſſen fruchtbarer Boden zu beiden<lb/> Seiten beackert war. In ziemlicher Ferne drehte ſich eine Mühle<lb/> langſam im Winde; dort mußte es ſein.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [313/0331]
Ich glaub’ es auch nicht, aber man kann doch nicht wiſſen.
Ne, weeten kann man et nich. De ſeggen ooch, Oll-Sparr
ſpökt hier, hier in diſſen Wald. Ick hebb’ ooch all ſo watt hürt
hier, Pietſchenknallen un Pruſten und as ob een’ lachen däht, —
ne, weeten kann man et nich.
Adieu Papa, und ſeht Euch vor.
Wovör?
Vor’m alten Sparr.
Er lachte und rief mir freundlich nach: Nee, nee; he kümmt
nich an’n hellen lichten Dag. *)
Es war, wie der Alte geſagt hatte, Prenden verſteckte ſich
tief im Grunde, und als ich aus dem Walde trat, lag zunächſt
noch ein Plateau vor mir, deſſen fruchtbarer Boden zu beiden
Seiten beackert war. In ziemlicher Ferne drehte ſich eine Mühle
langſam im Winde; dort mußte es ſein.
*) Es iſt ſehr intereſſant zu verfolgen, in welcher Weiſe und nach
welchen Geſetzen das Volk ſich ſeine Helden ausſtaffirt. Es verfährt dabei
lediglich nach einem dunkeln Drange, nach einem tief einwohnenden ro-
mantiſchen Bedürfniß und iſt gegen nichts gleichgültiger, als gegen den
wirklichen hiſtoriſchen Sachverhalt. Der alte Sparr, wie meine Schilde-
rung gezeigt haben wird, hat wenig oder nichts gemein mit dem Sparr,
wie er in den Prenden’ſchen Spinnſtuben lebt. Otto Chriſtoph v. Sparr
war in den letzten zehn Jahren ſeines Lebens ein frommer Kriegsheld;
hätte ſeine Frömmigkeit ſich bis zu einer frappirenden That (alſo etwa bis
zum Stylitenthum, oder ſonſt einer Handlung äußerſter Asceſe) verſtiegen,
ſo würde dieſe eklatante That für das Sagenbedürfniß der Prendener den
Stoff und die Anlehnung geboten haben; — da aber Sparr’s Frömmig-
keit die Asceſe vermied und keine Wunder that, ſo war ſie für die Pren-
dener ſo gut wie gar nicht vorhanden und ſie befragten ſein Leben nach
Zügen, die mehr in die Augen ſprangen. Da hörten ſie von Türken-
zügen, vom Niederſchießen des Marienkirchthurms, von Kettenkugeln, von
ſeinen ſonſtigen Wundern als Artillerie-General und — der Zauberer
war fertig. Er hat nun, er mag wollen oder nicht, Fauſt’s Mantel und
fährt über die Kirchthürme hin. Ganz dieſelben Dinge wiederholen ſich
beim alten Derfflinger in Guſow — der eine läßt die Peitſche, der andre
die Theerbutte am Kirchthurme des Nachbarortes zurück. Was den Stein
mit den Krampen und Ketten und den vier Sklaven angeht, ſo iſt er-
ſichtlich, daß das Standbild des großen Kurfürſten, mit den vier Gefeſſelten
am Sockel, zu dieſer wie zu ähnlichen Sagen Veranlaſſung gegeben hat.
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