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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Und dort war es wirklich. Kaum, daß ich die Mühle im
Rücken hatte, so stand ich abermals an einem jener vielen Thal-
einschnitte, die hier das Hügelland durchziehen, und sah über die
Kronen der untenstehenden Bäume hinweg in Dorf Prenden hin-
ein. Ich werde dieses Anblicks nicht leicht vergessen. Nach rechts
hin dehnte sich ein stiller, graublauer See mit breitem Sandufer,
die Ufer hüben und drüben mit ansteigendem Fichtenwald eingefaßt;
nach links hin plätscherte ein Fließ durch Gartenland und bestellte
Aecker, bis es sich in Wald und Wiese verlor; zwischen den beiden
Landschaftsbildern aber, dem Lauf des Thales nicht folgend, son-
dern die Längslinie desselben quer durchschneidend, lag, wie eine
Haselruthe, die sich den Biegungen anschmiegt, Dorf Prenden selbst,
an seinen zwei höchsten Punkten Schloß und Kirche tragend, das
Schloß am Eingang, die Kirche am Ausgang des Dorfes. Die
stillen Farben eines ersten Herbsttages lagen über dem Bilde und
steigerten seinen Reiz.

Ich passirte das Dorf in seiner ganzen Länge, um zuerst die
Kirche nach ihren etwaigen Schätzen zu befragen. Ich erwartete
nicht viel, aber ich fand noch weniger, als ich erwartet hatte.
Konnte nicht Edell Sparr, die Mutter des Feldmarschalls, ein
Grabmal in der Kirche, einen Denkstein auf dem Friedhof haben?
Konnte nicht irgendwo in das alte Mauerwerk ein Stein, eine
Tafel eingelassen sein, um wenigstens den Namen des berühmten
Geschlechtes festzuhalten, das hier Jahrhunderte lang zu eigenem
Ansehen und endlich (vor seinem Hinscheiden) zum Ruhme des
Landes selbst gelebt? Die Erwartung war gerechtfertigt, aber so
natürlich sie war, sie blieb unerfüllt. Ich habe selten einen freud-
loseren Platz betreten. Malerisch hatte mich die Kirche von der
andern Seite des Hügels aus gegrüßt; nun sah ich, daß sie eine
bloße Landschafts-Coulisse gewesen war. Das Innere kahl, der
Kirchhof verödet -- kein Andenken da, als das eine, das sich der
Feldmarschall selber gestiftet: zwei schöne Glocken, deren Inschriften
unter einer Kruste von Schwalben-Guano meiner Entzifferungs-

Und dort war es wirklich. Kaum, daß ich die Mühle im
Rücken hatte, ſo ſtand ich abermals an einem jener vielen Thal-
einſchnitte, die hier das Hügelland durchziehen, und ſah über die
Kronen der untenſtehenden Bäume hinweg in Dorf Prenden hin-
ein. Ich werde dieſes Anblicks nicht leicht vergeſſen. Nach rechts
hin dehnte ſich ein ſtiller, graublauer See mit breitem Sandufer,
die Ufer hüben und drüben mit anſteigendem Fichtenwald eingefaßt;
nach links hin plätſcherte ein Fließ durch Gartenland und beſtellte
Aecker, bis es ſich in Wald und Wieſe verlor; zwiſchen den beiden
Landſchaftsbildern aber, dem Lauf des Thales nicht folgend, ſon-
dern die Längslinie deſſelben quer durchſchneidend, lag, wie eine
Haſelruthe, die ſich den Biegungen anſchmiegt, Dorf Prenden ſelbſt,
an ſeinen zwei höchſten Punkten Schloß und Kirche tragend, das
Schloß am Eingang, die Kirche am Ausgang des Dorfes. Die
ſtillen Farben eines erſten Herbſttages lagen über dem Bilde und
ſteigerten ſeinen Reiz.

Ich paſſirte das Dorf in ſeiner ganzen Länge, um zuerſt die
Kirche nach ihren etwaigen Schätzen zu befragen. Ich erwartete
nicht viel, aber ich fand noch weniger, als ich erwartet hatte.
Konnte nicht Edell Sparr, die Mutter des Feldmarſchalls, ein
Grabmal in der Kirche, einen Denkſtein auf dem Friedhof haben?
Konnte nicht irgendwo in das alte Mauerwerk ein Stein, eine
Tafel eingelaſſen ſein, um wenigſtens den Namen des berühmten
Geſchlechtes feſtzuhalten, das hier Jahrhunderte lang zu eigenem
Anſehen und endlich (vor ſeinem Hinſcheiden) zum Ruhme des
Landes ſelbſt gelebt? Die Erwartung war gerechtfertigt, aber ſo
natürlich ſie war, ſie blieb unerfüllt. Ich habe ſelten einen freud-
loſeren Platz betreten. Maleriſch hatte mich die Kirche von der
andern Seite des Hügels aus gegrüßt; nun ſah ich, daß ſie eine
bloße Landſchafts-Couliſſe geweſen war. Das Innere kahl, der
Kirchhof verödet — kein Andenken da, als das eine, das ſich der
Feldmarſchall ſelber geſtiftet: zwei ſchöne Glocken, deren Inſchriften
unter einer Kruſte von Schwalben-Guano meiner Entzifferungs-

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[314/0332] Und dort war es wirklich. Kaum, daß ich die Mühle im Rücken hatte, ſo ſtand ich abermals an einem jener vielen Thal- einſchnitte, die hier das Hügelland durchziehen, und ſah über die Kronen der untenſtehenden Bäume hinweg in Dorf Prenden hin- ein. Ich werde dieſes Anblicks nicht leicht vergeſſen. Nach rechts hin dehnte ſich ein ſtiller, graublauer See mit breitem Sandufer, die Ufer hüben und drüben mit anſteigendem Fichtenwald eingefaßt; nach links hin plätſcherte ein Fließ durch Gartenland und beſtellte Aecker, bis es ſich in Wald und Wieſe verlor; zwiſchen den beiden Landſchaftsbildern aber, dem Lauf des Thales nicht folgend, ſon- dern die Längslinie deſſelben quer durchſchneidend, lag, wie eine Haſelruthe, die ſich den Biegungen anſchmiegt, Dorf Prenden ſelbſt, an ſeinen zwei höchſten Punkten Schloß und Kirche tragend, das Schloß am Eingang, die Kirche am Ausgang des Dorfes. Die ſtillen Farben eines erſten Herbſttages lagen über dem Bilde und ſteigerten ſeinen Reiz. Ich paſſirte das Dorf in ſeiner ganzen Länge, um zuerſt die Kirche nach ihren etwaigen Schätzen zu befragen. Ich erwartete nicht viel, aber ich fand noch weniger, als ich erwartet hatte. Konnte nicht Edell Sparr, die Mutter des Feldmarſchalls, ein Grabmal in der Kirche, einen Denkſtein auf dem Friedhof haben? Konnte nicht irgendwo in das alte Mauerwerk ein Stein, eine Tafel eingelaſſen ſein, um wenigſtens den Namen des berühmten Geſchlechtes feſtzuhalten, das hier Jahrhunderte lang zu eigenem Anſehen und endlich (vor ſeinem Hinſcheiden) zum Ruhme des Landes ſelbſt gelebt? Die Erwartung war gerechtfertigt, aber ſo natürlich ſie war, ſie blieb unerfüllt. Ich habe ſelten einen freud- loſeren Platz betreten. Maleriſch hatte mich die Kirche von der andern Seite des Hügels aus gegrüßt; nun ſah ich, daß ſie eine bloße Landſchafts-Couliſſe geweſen war. Das Innere kahl, der Kirchhof verödet — kein Andenken da, als das eine, das ſich der Feldmarſchall ſelber geſtiftet: zwei ſchöne Glocken, deren Inſchriften unter einer Kruſte von Schwalben-Guano meiner Entzifferungs-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/332>, abgerufen am 27.11.2024.