Ruin herbei, ohne seinen Lieblingswunsch erfüllt zu sehen. Seine Erben hatten später ihrer Mißbilligung dieses frommen Eifers kein Hehl und ließen nach dem Tode des Feldmarschalls auf eine Kupfertafel die Worte des Evangelisten Lucas (Capitel 14, Vers 28--31) schreiben: Wer ist aber unter Euch, der einen Thurm bauen will, und sitzet nicht zuvor und überschlägt die Kosten, ob er's habe hinauszuführen? Auf daß nicht, wo er den Grund geleget hat und kann's nicht hinausführen, alle, die es sehen, fangen an seiner zu spotten, und sagen: dieser Mensch hub an zu bauen und kann's nicht hinausführen. Oder, welcher König will sich begeben in einen Streit wider einen andern König, und sitzet nicht zuvor und rathschlaget, ob er könne mit zehntausend begeg- nen dem, der über ihn kommt mit zwanzigtausend?"
Hand in Hand mit dem Thurmbau, der seine Mittel ver- zehrte und Armuth hinterließ, wo Reichthum gewesen war, ging die Erbauung des Sparr'schen Erbbegräbnisses, dessen ich schon erwähnt habe, -- bis diesen Augenblick eine Zierde der Marien- kirche und zugleich ihre größte Sehenswürdigkeit. Ob es ihm ver- gönnt war, sein gebeugt Gemüth an der Schönheit des prächtigen Marmorbildes aufzurichten, das (muthmaßlich von der Hand des Artus Quellinus) den Eingang zur eigentlichen Gruft umgiebt, oder ob er hinstarb, eh dies Bildwerk *) -- das bei Weitem schönste, das Berlin aus jener Vor-Schlüterschen Zeit aufzuweisen hat -- vollendet war, sind Fragen, die wir unentschieden lassen müssen. Krank an Körper und Seele verließ er im Frühjahr 1668 die Hauptstadt, um sie mit Augen nicht wieder zu sehen. Er mochte fühlen, daß sein Ende nahe sei. Am 3. Mai vermachte er der Freifrau Luise Hedwig v. Blumenthal, der Tochter seines Freun- des Otto v. Schwerin, sein Stadthaus in der Spandauer Straße; sechs Tage später schied er aus dieser Welt, am 9. Mai 1668 auf seinem Lieblingsschloß zu Prenden. Der reiche Mann, der
*) Die Beschreibung dieses Bildwerks, wie des Sparrschen Erbbe- gräbnisses überhaupt, siehe in den Anmerkungen.
Ruin herbei, ohne ſeinen Lieblingswunſch erfüllt zu ſehen. Seine Erben hatten ſpäter ihrer Mißbilligung dieſes frommen Eifers kein Hehl und ließen nach dem Tode des Feldmarſchalls auf eine Kupfertafel die Worte des Evangeliſten Lucas (Capitel 14, Vers 28—31) ſchreiben: Wer iſt aber unter Euch, der einen Thurm bauen will, und ſitzet nicht zuvor und überſchlägt die Koſten, ob er’s habe hinauszuführen? Auf daß nicht, wo er den Grund geleget hat und kann’s nicht hinausführen, alle, die es ſehen, fangen an ſeiner zu ſpotten, und ſagen: dieſer Menſch hub an zu bauen und kann’s nicht hinausführen. Oder, welcher König will ſich begeben in einen Streit wider einen andern König, und ſitzet nicht zuvor und rathſchlaget, ob er könne mit zehntauſend begeg- nen dem, der über ihn kommt mit zwanzigtauſend?“
Hand in Hand mit dem Thurmbau, der ſeine Mittel ver- zehrte und Armuth hinterließ, wo Reichthum geweſen war, ging die Erbauung des Sparr’ſchen Erbbegräbniſſes, deſſen ich ſchon erwähnt habe, — bis dieſen Augenblick eine Zierde der Marien- kirche und zugleich ihre größte Sehenswürdigkeit. Ob es ihm ver- gönnt war, ſein gebeugt Gemüth an der Schönheit des prächtigen Marmorbildes aufzurichten, das (muthmaßlich von der Hand des Artus Quellinus) den Eingang zur eigentlichen Gruft umgiebt, oder ob er hinſtarb, eh dies Bildwerk *) — das bei Weitem ſchönſte, das Berlin aus jener Vor-Schlüterſchen Zeit aufzuweiſen hat — vollendet war, ſind Fragen, die wir unentſchieden laſſen müſſen. Krank an Körper und Seele verließ er im Frühjahr 1668 die Hauptſtadt, um ſie mit Augen nicht wieder zu ſehen. Er mochte fühlen, daß ſein Ende nahe ſei. Am 3. Mai vermachte er der Freifrau Luiſe Hedwig v. Blumenthal, der Tochter ſeines Freun- des Otto v. Schwerin, ſein Stadthaus in der Spandauer Straße; ſechs Tage ſpäter ſchied er aus dieſer Welt, am 9. Mai 1668 auf ſeinem Lieblingsſchloß zu Prenden. Der reiche Mann, der
*) Die Beſchreibung dieſes Bildwerks, wie des Sparrſchen Erbbe- gräbniſſes überhaupt, ſiehe in den Anmerkungen.
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Ruin herbei, ohne ſeinen Lieblingswunſch erfüllt zu ſehen. Seine
Erben hatten ſpäter ihrer Mißbilligung dieſes frommen Eifers kein
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Kupfertafel die Worte des Evangeliſten Lucas (Capitel 14, Vers
28—31) ſchreiben: Wer iſt aber unter Euch, der einen Thurm
bauen will, und ſitzet nicht zuvor und überſchlägt die Koſten, ob
er’s habe hinauszuführen? Auf daß nicht, wo er den Grund
geleget hat und kann’s nicht hinausführen, alle, die es ſehen,
fangen an ſeiner zu ſpotten, und ſagen: dieſer Menſch hub an zu
bauen und kann’s nicht hinausführen. Oder, welcher König will
ſich begeben in einen Streit wider einen andern König, und ſitzet
nicht zuvor und rathſchlaget, ob er könne mit zehntauſend begeg-
nen dem, der über ihn kommt mit zwanzigtauſend?“
Hand in Hand mit dem Thurmbau, der ſeine Mittel ver-
zehrte und Armuth hinterließ, wo Reichthum geweſen war, ging
die Erbauung des Sparr’ſchen Erbbegräbniſſes, deſſen ich ſchon
erwähnt habe, — bis dieſen Augenblick eine Zierde der Marien-
kirche und zugleich ihre größte Sehenswürdigkeit. Ob es ihm ver-
gönnt war, ſein gebeugt Gemüth an der Schönheit des prächtigen
Marmorbildes aufzurichten, das (muthmaßlich von der Hand des
Artus Quellinus) den Eingang zur eigentlichen Gruft umgiebt,
oder ob er hinſtarb, eh dies Bildwerk *) — das bei Weitem
ſchönſte, das Berlin aus jener Vor-Schlüterſchen Zeit aufzuweiſen
hat — vollendet war, ſind Fragen, die wir unentſchieden laſſen
müſſen. Krank an Körper und Seele verließ er im Frühjahr 1668
die Hauptſtadt, um ſie mit Augen nicht wieder zu ſehen. Er mochte
fühlen, daß ſein Ende nahe ſei. Am 3. Mai vermachte er der
Freifrau Luiſe Hedwig v. Blumenthal, der Tochter ſeines Freun-
des Otto v. Schwerin, ſein Stadthaus in der Spandauer Straße;
ſechs Tage ſpäter ſchied er aus dieſer Welt, am 9. Mai 1668
auf ſeinem Lieblingsſchloß zu Prenden. Der reiche Mann, der
*) Die Beſchreibung dieſes Bildwerks, wie des Sparrſchen Erbbe-
gräbniſſes überhaupt, ſiehe in den Anmerkungen.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/327>, abgerufen am 23.11.2024.
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