Wenn wir diese letzten Jahre seines Lebens um ihren Inhalt befragen, wie er in Bauten und Geschenken, in Gaben und Stif- tungen aller Art zu uns spricht, so erkennen wir nicht ohne eine gewisse Bewegung, wie das Herz des alten Kriegsmannes in wenig Friedensjahren nachholen will, was ein Leben voll Krieg und Unruhe und Zerstörung versäumt hat. Aus Allem spricht das tiefe Verlangen nach Auferbauen, nach Stiften, Gründen, die Sehn- sucht nach Sammlung, nach Ruhe in sich und nach Frieden mit Gott. Unser Sparr ist nicht länger mehr der Oberst Sparr, über den die Küstriner Kammer klagt, daß er den Mühlenknecht in Ketten gelegt und das Volk gedrückt habe; er, dessen Schaaren so manche Kirche erbrochen, stellt sein Herz jetzt auf die Tröstungen der Kirche und sucht ihre Gnaden durch Demuth, Wohlthun und frommen Wandel zu verdienen. Wenn es noch ein Andres dane- ben giebt, ein mehr auf diese Welt Gerichtetes, so ist es der verzeihliche Wunsch, sein eigenes Leben zu einer Abrundung zu bringen und seinen und seines Geschlechtes Ruhm der Nachwelt zu überliefern. Die Stiftung eines Familien-Fideicommisses und die Herstellung eines prachtvollen Erbbegräbnisses beschäftigen ihn; aber seine reichen Mittel und seine Sorgen gehören immer mit Vorliebe dem Allgemeinen. Er baut Kirchen und Thürme, schenkt Glasmalereien und Glocken (z. B. zu Trampe, Hackelberg und Prenden); vor Allem aber ist es die Marienkirche zu Berlin, die sich in jeglicher Weise seiner Hülfe in Noth und Gefahr erfreut. Im Jahre 1661 traf der Blitz die Thurmspitze und die auf- schlagenden Flammen machten alsbald die Befürchtung rege, daß die Kirche selbst ein Raub der Flammen werden würde. Der alte Feldzeugmeister aber wußte Rath und mit einer damals im ganzen Lande angestaunten Kühnheit und Geschicklichkeit, ließ er die bren- nende Thurmspitze herunterschießen. War er so der Retter der Kirche geworden, so war es jetzt nicht minder sein Stolz, auch der Wiedererbauer des zertrümmerten Thurmes zu werden. Er schien dies zu einer Ehrenaufgabe seiner letzten Lebensjahre machen zu wollen, überschätzte aber seine Mittel und führte seinen eigenen
Wenn wir dieſe letzten Jahre ſeines Lebens um ihren Inhalt befragen, wie er in Bauten und Geſchenken, in Gaben und Stif- tungen aller Art zu uns ſpricht, ſo erkennen wir nicht ohne eine gewiſſe Bewegung, wie das Herz des alten Kriegsmannes in wenig Friedensjahren nachholen will, was ein Leben voll Krieg und Unruhe und Zerſtörung verſäumt hat. Aus Allem ſpricht das tiefe Verlangen nach Auferbauen, nach Stiften, Gründen, die Sehn- ſucht nach Sammlung, nach Ruhe in ſich und nach Frieden mit Gott. Unſer Sparr iſt nicht länger mehr der Oberſt Sparr, über den die Küſtriner Kammer klagt, daß er den Mühlenknecht in Ketten gelegt und das Volk gedrückt habe; er, deſſen Schaaren ſo manche Kirche erbrochen, ſtellt ſein Herz jetzt auf die Tröſtungen der Kirche und ſucht ihre Gnaden durch Demuth, Wohlthun und frommen Wandel zu verdienen. Wenn es noch ein Andres dane- ben giebt, ein mehr auf dieſe Welt Gerichtetes, ſo iſt es der verzeihliche Wunſch, ſein eigenes Leben zu einer Abrundung zu bringen und ſeinen und ſeines Geſchlechtes Ruhm der Nachwelt zu überliefern. Die Stiftung eines Familien-Fideicommiſſes und die Herſtellung eines prachtvollen Erbbegräbniſſes beſchäftigen ihn; aber ſeine reichen Mittel und ſeine Sorgen gehören immer mit Vorliebe dem Allgemeinen. Er baut Kirchen und Thürme, ſchenkt Glasmalereien und Glocken (z. B. zu Trampe, Hackelberg und Prenden); vor Allem aber iſt es die Marienkirche zu Berlin, die ſich in jeglicher Weiſe ſeiner Hülfe in Noth und Gefahr erfreut. Im Jahre 1661 traf der Blitz die Thurmſpitze und die auf- ſchlagenden Flammen machten alsbald die Befürchtung rege, daß die Kirche ſelbſt ein Raub der Flammen werden würde. Der alte Feldzeugmeiſter aber wußte Rath und mit einer damals im ganzen Lande angeſtaunten Kühnheit und Geſchicklichkeit, ließ er die bren- nende Thurmſpitze herunterſchießen. War er ſo der Retter der Kirche geworden, ſo war es jetzt nicht minder ſein Stolz, auch der Wiedererbauer des zertrümmerten Thurmes zu werden. Er ſchien dies zu einer Ehrenaufgabe ſeiner letzten Lebensjahre machen zu wollen, überſchätzte aber ſeine Mittel und führte ſeinen eigenen
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Wenn wir dieſe letzten Jahre ſeines Lebens um ihren Inhalt
befragen, wie er in Bauten und Geſchenken, in Gaben und Stif-
tungen aller Art zu uns ſpricht, ſo erkennen wir nicht ohne eine
gewiſſe Bewegung, wie das Herz des alten Kriegsmannes in wenig
Friedensjahren nachholen will, was ein Leben voll Krieg und
Unruhe und Zerſtörung verſäumt hat. Aus Allem ſpricht das tiefe
Verlangen nach Auferbauen, nach Stiften, Gründen, die Sehn-
ſucht nach Sammlung, nach Ruhe in ſich und nach Frieden mit
Gott. Unſer Sparr iſt nicht länger mehr der Oberſt Sparr, über
den die Küſtriner Kammer klagt, daß er den Mühlenknecht in
Ketten gelegt und das Volk gedrückt habe; er, deſſen Schaaren ſo
manche Kirche erbrochen, ſtellt ſein Herz jetzt auf die Tröſtungen
der Kirche und ſucht ihre Gnaden durch Demuth, Wohlthun und
frommen Wandel zu verdienen. Wenn es noch ein Andres dane-
ben giebt, ein mehr auf dieſe Welt Gerichtetes, ſo iſt es der
verzeihliche Wunſch, ſein eigenes Leben zu einer Abrundung zu
bringen und ſeinen und ſeines Geſchlechtes Ruhm der Nachwelt zu
überliefern. Die Stiftung eines Familien-Fideicommiſſes und die
Herſtellung eines prachtvollen Erbbegräbniſſes beſchäftigen ihn;
aber ſeine reichen Mittel und ſeine Sorgen gehören immer mit
Vorliebe dem Allgemeinen. Er baut Kirchen und Thürme, ſchenkt
Glasmalereien und Glocken (z. B. zu Trampe, Hackelberg und
Prenden); vor Allem aber iſt es die Marienkirche zu Berlin, die
ſich in jeglicher Weiſe ſeiner Hülfe in Noth und Gefahr erfreut.
Im Jahre 1661 traf der Blitz die Thurmſpitze und die auf-
ſchlagenden Flammen machten alsbald die Befürchtung rege, daß
die Kirche ſelbſt ein Raub der Flammen werden würde. Der alte
Feldzeugmeiſter aber wußte Rath und mit einer damals im ganzen
Lande angeſtaunten Kühnheit und Geſchicklichkeit, ließ er die bren-
nende Thurmſpitze herunterſchießen. War er ſo der Retter der
Kirche geworden, ſo war es jetzt nicht minder ſein Stolz, auch der
Wiedererbauer des zertrümmerten Thurmes zu werden. Er ſchien
dies zu einer Ehrenaufgabe ſeiner letzten Lebensjahre machen zu
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/326>, abgerufen am 23.11.2024.
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