er konnte sich auch sehr wesentlich über diese Spielereien, über dies rein äußerlich Beschreibende erheben und trotz der Anklänge an Bürger's "Pfarrerstochter zu Taubenhayn" zählen wir z. B. fol- gende Strophe zu den gelungensten Schilderungen einer herbst- lichen Landschafts-Stimmung:
Es sauste der Herbstwind durch Felder und Busch, Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wusch, Es flohen die Schwalben von dannen, Es zogen die Störche weit über das Meer, Da ward es im Lande öd und leer Und die traurigen Tage begannen.
Am vorzüglichsten war er da, wo er in classischer Einfachheit und in nie zu bekrittelnder Wahrheit die märkische Natur be- schrieb und den Ton schlichter, gemüthlicher Wahrhaftigkeit traf, ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen. Unter seinen früheren Sachen finden sich nicht wenige, die diesen Charakter tragen, und wer sich der Mühe unterziehen wollte, die Spreu vom Weizen zu sondern, der würde im Stande sein, dem Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gang und gäben An- sichten über den Dorfpoeten von Werneuchen sehr wesentlich modi- ficiren würde. Ich gebe nur eine solche Stelle, und zwar aus dem schon früher erwähnten Gedichte: "An das Dorf Fahrland," jenes Dorf, in dem er geboren war.
Ach, ich kenne dich noch, als hätt' ich dich gestern verlassen, Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach, Kenne die Balken des Giebels, wo längst der Regen den Kalk schon Losgewaschen, die Thür mit großen Nägeln beschlagen, Kenne das Gärtchen vorn mit dem spitzen Stacket, und die Laube Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken Ulme des Nachbars umstreut, den gierig die Hühner sich pickten.
Und weiter dann:
O, wie warst du so schön, wenn die Fliegen der Stub' im September Starben, und roth die Ebreschen am Hause des Jägers sich färbten;
er konnte ſich auch ſehr weſentlich über dieſe Spielereien, über dies rein äußerlich Beſchreibende erheben und trotz der Anklänge an Bürger’s „Pfarrerstochter zu Taubenhayn“ zählen wir z. B. fol- gende Strophe zu den gelungenſten Schilderungen einer herbſt- lichen Landſchafts-Stimmung:
Es ſauſte der Herbſtwind durch Felder und Buſch, Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wuſch, Es flohen die Schwalben von dannen, Es zogen die Störche weit über das Meer, Da ward es im Lande öd und leer Und die traurigen Tage begannen.
Am vorzüglichſten war er da, wo er in claſſiſcher Einfachheit und in nie zu bekrittelnder Wahrheit die märkiſche Natur be- ſchrieb und den Ton ſchlichter, gemüthlicher Wahrhaftigkeit traf, ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen. Unter ſeinen früheren Sachen finden ſich nicht wenige, die dieſen Charakter tragen, und wer ſich der Mühe unterziehen wollte, die Spreu vom Weizen zu ſondern, der würde im Stande ſein, dem Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gang und gäben An- ſichten über den Dorfpoeten von Werneuchen ſehr weſentlich modi- ficiren würde. Ich gebe nur eine ſolche Stelle, und zwar aus dem ſchon früher erwähnten Gedichte: „An das Dorf Fahrland,“ jenes Dorf, in dem er geboren war.
Ach, ich kenne dich noch, als hätt’ ich dich geſtern verlaſſen, Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach, Kenne die Balken des Giebels, wo längſt der Regen den Kalk ſchon Losgewaſchen, die Thür mit großen Nägeln beſchlagen, Kenne das Gärtchen vorn mit dem ſpitzen Stacket, und die Laube Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken Ulme des Nachbars umſtreut, den gierig die Hühner ſich pickten.
Und weiter dann:
O, wie warſt du ſo ſchön, wenn die Fliegen der Stub’ im September Starben, und roth die Ebreſchen am Hauſe des Jägers ſich färbten;
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0311"n="293"/><p>er konnte ſich auch ſehr weſentlich über dieſe Spielereien, über dies<lb/>
rein äußerlich Beſchreibende erheben und trotz der Anklänge an<lb/>
Bürger’s „Pfarrerstochter zu Taubenhayn“ zählen wir z. B. fol-<lb/>
gende Strophe zu den gelungenſten Schilderungen einer herbſt-<lb/>
lichen Landſchafts-Stimmung:</p><lb/><lgtype="poem"><l>Es ſauſte der Herbſtwind durch Felder und Buſch,</l><lb/><l>Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wuſch,</l><lb/><l>Es flohen die Schwalben von dannen,</l><lb/><l>Es zogen die Störche weit über das Meer,</l><lb/><l>Da ward es im Lande öd und leer</l><lb/><l>Und die traurigen Tage begannen.</l></lg><lb/><p>Am vorzüglichſten war er da, wo er in claſſiſcher Einfachheit<lb/>
und in nie zu bekrittelnder Wahrheit die <hirendition="#g">märkiſche</hi> Natur be-<lb/>ſchrieb und den Ton ſchlichter, gemüthlicher Wahrhaftigkeit traf,<lb/><hirendition="#g">ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen</hi>.<lb/>
Unter ſeinen früheren Sachen finden ſich nicht wenige, die dieſen<lb/>
Charakter tragen, und wer ſich der Mühe unterziehen wollte, die<lb/>
Spreu vom Weizen zu ſondern, der würde im Stande ſein, dem<lb/>
Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gang und gäben An-<lb/>ſichten über den Dorfpoeten von Werneuchen ſehr weſentlich modi-<lb/>
ficiren würde. Ich gebe nur eine ſolche Stelle, und zwar aus dem<lb/>ſchon früher erwähnten Gedichte: „An das Dorf Fahrland,“ jenes<lb/>
Dorf, in dem er geboren war.</p><lb/><lgtype="poem"><l>Ach, ich kenne dich noch, als hätt’ ich dich geſtern verlaſſen,</l><lb/><l>Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach,</l><lb/><l>Kenne die Balken des Giebels, wo längſt der Regen den Kalk ſchon</l><lb/><l>Losgewaſchen, die Thür mit großen Nägeln beſchlagen,</l><lb/><l>Kenne das Gärtchen vorn mit dem ſpitzen Stacket, und die Laube</l><lb/><l>Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken</l><lb/><l>Ulme des Nachbars umſtreut, den gierig die Hühner ſich pickten.</l></lg><lb/><p>Und weiter dann:</p><lb/><lgtype="poem"><l>O, wie warſt du ſo ſchön, wenn die Fliegen der Stub’ im September</l><lb/><l>Starben, und roth die Ebreſchen am Hauſe des Jägers ſich färbten;</l><lb/></lg></div></div></body></text></TEI>
[293/0311]
er konnte ſich auch ſehr weſentlich über dieſe Spielereien, über dies
rein äußerlich Beſchreibende erheben und trotz der Anklänge an
Bürger’s „Pfarrerstochter zu Taubenhayn“ zählen wir z. B. fol-
gende Strophe zu den gelungenſten Schilderungen einer herbſt-
lichen Landſchafts-Stimmung:
Es ſauſte der Herbſtwind durch Felder und Buſch,
Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wuſch,
Es flohen die Schwalben von dannen,
Es zogen die Störche weit über das Meer,
Da ward es im Lande öd und leer
Und die traurigen Tage begannen.
Am vorzüglichſten war er da, wo er in claſſiſcher Einfachheit
und in nie zu bekrittelnder Wahrheit die märkiſche Natur be-
ſchrieb und den Ton ſchlichter, gemüthlicher Wahrhaftigkeit traf,
ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen.
Unter ſeinen früheren Sachen finden ſich nicht wenige, die dieſen
Charakter tragen, und wer ſich der Mühe unterziehen wollte, die
Spreu vom Weizen zu ſondern, der würde im Stande ſein, dem
Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gang und gäben An-
ſichten über den Dorfpoeten von Werneuchen ſehr weſentlich modi-
ficiren würde. Ich gebe nur eine ſolche Stelle, und zwar aus dem
ſchon früher erwähnten Gedichte: „An das Dorf Fahrland,“ jenes
Dorf, in dem er geboren war.
Ach, ich kenne dich noch, als hätt’ ich dich geſtern verlaſſen,
Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach,
Kenne die Balken des Giebels, wo längſt der Regen den Kalk ſchon
Losgewaſchen, die Thür mit großen Nägeln beſchlagen,
Kenne das Gärtchen vorn mit dem ſpitzen Stacket, und die Laube
Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken
Ulme des Nachbars umſtreut, den gierig die Hühner ſich pickten.
Und weiter dann:
O, wie warſt du ſo ſchön, wenn die Fliegen der Stub’ im September
Starben, und roth die Ebreſchen am Hauſe des Jägers ſich färbten;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/311>, abgerufen am 03.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.