Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

Bild:
<< vorherige Seite

er konnte sich auch sehr wesentlich über diese Spielereien, über dies
rein äußerlich Beschreibende erheben und trotz der Anklänge an
Bürger's "Pfarrerstochter zu Taubenhayn" zählen wir z. B. fol-
gende Strophe zu den gelungensten Schilderungen einer herbst-
lichen Landschafts-Stimmung:

Es sauste der Herbstwind durch Felder und Busch,
Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wusch,
Es flohen die Schwalben von dannen,
Es zogen die Störche weit über das Meer,
Da ward es im Lande öd und leer
Und die traurigen Tage begannen.

Am vorzüglichsten war er da, wo er in classischer Einfachheit
und in nie zu bekrittelnder Wahrheit die märkische Natur be-
schrieb und den Ton schlichter, gemüthlicher Wahrhaftigkeit traf,
ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen.
Unter seinen früheren Sachen finden sich nicht wenige, die diesen
Charakter tragen, und wer sich der Mühe unterziehen wollte, die
Spreu vom Weizen zu sondern, der würde im Stande sein, dem
Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gang und gäben An-
sichten über den Dorfpoeten von Werneuchen sehr wesentlich modi-
ficiren würde. Ich gebe nur eine solche Stelle, und zwar aus dem
schon früher erwähnten Gedichte: "An das Dorf Fahrland," jenes
Dorf, in dem er geboren war.

Ach, ich kenne dich noch, als hätt' ich dich gestern verlassen,
Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach,
Kenne die Balken des Giebels, wo längst der Regen den Kalk schon
Losgewaschen, die Thür mit großen Nägeln beschlagen,
Kenne das Gärtchen vorn mit dem spitzen Stacket, und die Laube
Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken
Ulme des Nachbars umstreut, den gierig die Hühner sich pickten.

Und weiter dann:

O, wie warst du so schön, wenn die Fliegen der Stub' im September
Starben, und roth die Ebreschen am Hause des Jägers sich färbten;

er konnte ſich auch ſehr weſentlich über dieſe Spielereien, über dies
rein äußerlich Beſchreibende erheben und trotz der Anklänge an
Bürger’s „Pfarrerstochter zu Taubenhayn“ zählen wir z. B. fol-
gende Strophe zu den gelungenſten Schilderungen einer herbſt-
lichen Landſchafts-Stimmung:

Es ſauſte der Herbſtwind durch Felder und Buſch,
Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wuſch,
Es flohen die Schwalben von dannen,
Es zogen die Störche weit über das Meer,
Da ward es im Lande öd und leer
Und die traurigen Tage begannen.

Am vorzüglichſten war er da, wo er in claſſiſcher Einfachheit
und in nie zu bekrittelnder Wahrheit die märkiſche Natur be-
ſchrieb und den Ton ſchlichter, gemüthlicher Wahrhaftigkeit traf,
ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen.
Unter ſeinen früheren Sachen finden ſich nicht wenige, die dieſen
Charakter tragen, und wer ſich der Mühe unterziehen wollte, die
Spreu vom Weizen zu ſondern, der würde im Stande ſein, dem
Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gang und gäben An-
ſichten über den Dorfpoeten von Werneuchen ſehr weſentlich modi-
ficiren würde. Ich gebe nur eine ſolche Stelle, und zwar aus dem
ſchon früher erwähnten Gedichte: „An das Dorf Fahrland,“ jenes
Dorf, in dem er geboren war.

Ach, ich kenne dich noch, als hätt’ ich dich geſtern verlaſſen,
Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach,
Kenne die Balken des Giebels, wo längſt der Regen den Kalk ſchon
Losgewaſchen, die Thür mit großen Nägeln beſchlagen,
Kenne das Gärtchen vorn mit dem ſpitzen Stacket, und die Laube
Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken
Ulme des Nachbars umſtreut, den gierig die Hühner ſich pickten.

Und weiter dann:

O, wie warſt du ſo ſchön, wenn die Fliegen der Stub’ im September
Starben, und roth die Ebreſchen am Hauſe des Jägers ſich färbten;
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0311" n="293"/>
          <p>er konnte &#x017F;ich auch &#x017F;ehr we&#x017F;entlich über die&#x017F;e Spielereien, über dies<lb/>
rein äußerlich Be&#x017F;chreibende erheben und trotz der Anklänge an<lb/>
Bürger&#x2019;s &#x201E;Pfarrerstochter zu Taubenhayn&#x201C; zählen wir z. B. fol-<lb/>
gende Strophe zu den gelungen&#x017F;ten Schilderungen einer herb&#x017F;t-<lb/>
lichen Land&#x017F;chafts-Stimmung:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Es &#x017F;au&#x017F;te der Herb&#x017F;twind durch Felder und Bu&#x017F;ch,</l><lb/>
            <l>Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wu&#x017F;ch,</l><lb/>
            <l>Es flohen die Schwalben von dannen,</l><lb/>
            <l>Es zogen die Störche weit über das Meer,</l><lb/>
            <l>Da ward es im Lande öd und leer</l><lb/>
            <l>Und die traurigen Tage begannen.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Am vorzüglich&#x017F;ten war er da, wo er in cla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;cher Einfachheit<lb/>
und in nie zu bekrittelnder Wahrheit die <hi rendition="#g">märki&#x017F;che</hi> Natur be-<lb/>
&#x017F;chrieb und den Ton &#x017F;chlichter, gemüthlicher Wahrhaftigkeit traf,<lb/><hi rendition="#g">ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen</hi>.<lb/>
Unter &#x017F;einen früheren Sachen finden &#x017F;ich nicht wenige, die die&#x017F;en<lb/>
Charakter tragen, und wer &#x017F;ich der Mühe unterziehen wollte, die<lb/>
Spreu vom Weizen zu &#x017F;ondern, der würde im Stande &#x017F;ein, dem<lb/>
Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gang und gäben An-<lb/>
&#x017F;ichten über den Dorfpoeten von Werneuchen &#x017F;ehr we&#x017F;entlich modi-<lb/>
ficiren würde. Ich gebe nur eine &#x017F;olche Stelle, und zwar aus dem<lb/>
&#x017F;chon früher erwähnten Gedichte: &#x201E;An das Dorf Fahrland,&#x201C; jenes<lb/>
Dorf, in dem er geboren war.</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>Ach, ich kenne dich noch, als hätt&#x2019; ich dich ge&#x017F;tern verla&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach,</l><lb/>
            <l>Kenne die Balken des Giebels, wo läng&#x017F;t der Regen den Kalk &#x017F;chon</l><lb/>
            <l>Losgewa&#x017F;chen, die Thür mit großen Nägeln be&#x017F;chlagen,</l><lb/>
            <l>Kenne das Gärtchen vorn mit dem &#x017F;pitzen Stacket, und die Laube</l><lb/>
            <l>Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken</l><lb/>
            <l>Ulme des Nachbars um&#x017F;treut, den gierig die Hühner &#x017F;ich pickten.</l>
          </lg><lb/>
          <p>Und weiter dann:</p><lb/>
          <lg type="poem">
            <l>O, wie war&#x017F;t du &#x017F;o &#x017F;chön, wenn die Fliegen der Stub&#x2019; im September</l><lb/>
            <l>Starben, und roth die Ebre&#x017F;chen am Hau&#x017F;e des Jägers &#x017F;ich färbten;</l><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[293/0311] er konnte ſich auch ſehr weſentlich über dieſe Spielereien, über dies rein äußerlich Beſchreibende erheben und trotz der Anklänge an Bürger’s „Pfarrerstochter zu Taubenhayn“ zählen wir z. B. fol- gende Strophe zu den gelungenſten Schilderungen einer herbſt- lichen Landſchafts-Stimmung: Es ſauſte der Herbſtwind durch Felder und Buſch, Der Regen die Blätter vom Schlehdorn wuſch, Es flohen die Schwalben von dannen, Es zogen die Störche weit über das Meer, Da ward es im Lande öd und leer Und die traurigen Tage begannen. Am vorzüglichſten war er da, wo er in claſſiſcher Einfachheit und in nie zu bekrittelnder Wahrheit die märkiſche Natur be- ſchrieb und den Ton ſchlichter, gemüthlicher Wahrhaftigkeit traf, ohne in Trivialität oder Sentimentalität zu verfallen. Unter ſeinen früheren Sachen finden ſich nicht wenige, die dieſen Charakter tragen, und wer ſich der Mühe unterziehen wollte, die Spreu vom Weizen zu ſondern, der würde im Stande ſein, dem Publicum ein Büchelchen zu bieten, das die gang und gäben An- ſichten über den Dorfpoeten von Werneuchen ſehr weſentlich modi- ficiren würde. Ich gebe nur eine ſolche Stelle, und zwar aus dem ſchon früher erwähnten Gedichte: „An das Dorf Fahrland,“ jenes Dorf, in dem er geboren war. Ach, ich kenne dich noch, als hätt’ ich dich geſtern verlaſſen, Kenne das hangende Pfarrhaus noch mit verwittertem Rohrdach, Kenne die Balken des Giebels, wo längſt der Regen den Kalk ſchon Losgewaſchen, die Thür mit großen Nägeln beſchlagen, Kenne das Gärtchen vorn mit dem ſpitzen Stacket, und die Laube Schräg mit Latten benagelt, und rings vom Samen der dicken Ulme des Nachbars umſtreut, den gierig die Hühner ſich pickten. Und weiter dann: O, wie warſt du ſo ſchön, wenn die Fliegen der Stub’ im September Starben, und roth die Ebreſchen am Hauſe des Jägers ſich färbten;

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/311
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/311>, abgerufen am 23.11.2024.