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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.

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Glanzes und seines Verfalls. Die Frage bleibt noch übrig: haben
die letzten hundert Jahre Alles zerstört? Haben Krieg und Feuer,
Retorte und Siedepfanne von dem alten Glanze auch keine Ahnung
übrig gelassen? Ist Alles hin, bis auf die letzte Spur? Der Pie-
tät des hohen Herrn, der nun vor'm Altar seiner Friedenskirche
in Frieden ruht, der Pietät Friedrich Wilhelms IV., dem es so
oft zum Verbrechen angerechnet wurde, daß er das wahren und
halten wollte, was des Wahrens und Haltens werth war, diesem
hohen Liebessinne, der auf das Erhalten gerichtet war, haben
wir allein es zu danken, daß wir der aufgeworfenen Frage mit
einem "Nein" entgegentreten können, -- es ist nicht Alles hin,
es existiren noch Spuren, gerettete Ueberbleibsel aus alter Zeit her
und ihnen gilt zum Schluß unser Besuch.

Wir verweilen nicht bei zerstreuten Einzelheiten, die da, wo
sie zufällig verloren gingen, auch zufällig aufgelesen und in die
Wand oder den Fußboden des einen oder andern Zimmers wie
ein Basrelief oder ein Mosaikstück eingelegt wurden, -- wir gehen
an diesen Einzelheiten ohne Aufenthalt vorüber und treten in den
nach West und Norden zu gelegenen Hinterflügel ein, wo wir noch
-- auf Anordnung Friedrich Wilhelm IV. vor der nivellirenden
Hand des Seminar-Nutz-Baues gerettet -- einer zusammenhängen-
den Zimmerreihe aus der Zeit König Friedrichs I. begegnen. (Dar-
aus, daß das vorzüglichste dieser Zimmer an den vier Ecken des
Plafonds mit eben so vielen Sternen des Hosenbandordens
geschmückt ist, ein Orden, auf dessen Besitz König Friedrich I. be-
kanntlich einen ganz besonders hohen Werth legte, würde sich mit
ziemlicher Bestimmtheit ableiten lassen, wann diese Zimmerreihe
überhaupt angelegt wurde.) Es sind sechs Zimmer, von denen zu-
nächst zwei durch ihre Ausschmückung unser Interesse in Anspruch
nehmen. Sie bilden die beiden Grenzpunkte der ganzen Reihe, so
daß das eine (das kleinere) dem corps de logis, dem großen
Mittelpunkt des Schlosses zu, gelegen ist, während das andere am
äußersten Ende des Flügels liegt und den Blick ins Freie auf
Fluß und Wiesen hat. Das kleinere Zimmer bildete entweder einen

Glanzes und ſeines Verfalls. Die Frage bleibt noch übrig: haben
die letzten hundert Jahre Alles zerſtört? Haben Krieg und Feuer,
Retorte und Siedepfanne von dem alten Glanze auch keine Ahnung
übrig gelaſſen? Iſt Alles hin, bis auf die letzte Spur? Der Pie-
tät des hohen Herrn, der nun vor’m Altar ſeiner Friedenskirche
in Frieden ruht, der Pietät Friedrich Wilhelms IV., dem es ſo
oft zum Verbrechen angerechnet wurde, daß er das wahren und
halten wollte, was des Wahrens und Haltens werth war, dieſem
hohen Liebesſinne, der auf das Erhalten gerichtet war, haben
wir allein es zu danken, daß wir der aufgeworfenen Frage mit
einem „Nein“ entgegentreten können, — es iſt nicht Alles hin,
es exiſtiren noch Spuren, gerettete Ueberbleibſel aus alter Zeit her
und ihnen gilt zum Schluß unſer Beſuch.

Wir verweilen nicht bei zerſtreuten Einzelheiten, die da, wo
ſie zufällig verloren gingen, auch zufällig aufgeleſen und in die
Wand oder den Fußboden des einen oder andern Zimmers wie
ein Basrelief oder ein Moſaikſtück eingelegt wurden, — wir gehen
an dieſen Einzelheiten ohne Aufenthalt vorüber und treten in den
nach Weſt und Norden zu gelegenen Hinterflügel ein, wo wir noch
— auf Anordnung Friedrich Wilhelm IV. vor der nivellirenden
Hand des Seminar-Nutz-Baues gerettet — einer zuſammenhängen-
den Zimmerreihe aus der Zeit König Friedrichs I. begegnen. (Dar-
aus, daß das vorzüglichſte dieſer Zimmer an den vier Ecken des
Plafonds mit eben ſo vielen Sternen des Hoſenbandordens
geſchmückt iſt, ein Orden, auf deſſen Beſitz König Friedrich I. be-
kanntlich einen ganz beſonders hohen Werth legte, würde ſich mit
ziemlicher Beſtimmtheit ableiten laſſen, wann dieſe Zimmerreihe
überhaupt angelegt wurde.) Es ſind ſechs Zimmer, von denen zu-
nächſt zwei durch ihre Ausſchmückung unſer Intereſſe in Anſpruch
nehmen. Sie bilden die beiden Grenzpunkte der ganzen Reihe, ſo
daß das eine (das kleinere) dem corps de logis, dem großen
Mittelpunkt des Schloſſes zu, gelegen iſt, während das andere am
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[231/0249] Glanzes und ſeines Verfalls. Die Frage bleibt noch übrig: haben die letzten hundert Jahre Alles zerſtört? Haben Krieg und Feuer, Retorte und Siedepfanne von dem alten Glanze auch keine Ahnung übrig gelaſſen? Iſt Alles hin, bis auf die letzte Spur? Der Pie- tät des hohen Herrn, der nun vor’m Altar ſeiner Friedenskirche in Frieden ruht, der Pietät Friedrich Wilhelms IV., dem es ſo oft zum Verbrechen angerechnet wurde, daß er das wahren und halten wollte, was des Wahrens und Haltens werth war, dieſem hohen Liebesſinne, der auf das Erhalten gerichtet war, haben wir allein es zu danken, daß wir der aufgeworfenen Frage mit einem „Nein“ entgegentreten können, — es iſt nicht Alles hin, es exiſtiren noch Spuren, gerettete Ueberbleibſel aus alter Zeit her und ihnen gilt zum Schluß unſer Beſuch. Wir verweilen nicht bei zerſtreuten Einzelheiten, die da, wo ſie zufällig verloren gingen, auch zufällig aufgeleſen und in die Wand oder den Fußboden des einen oder andern Zimmers wie ein Basrelief oder ein Moſaikſtück eingelegt wurden, — wir gehen an dieſen Einzelheiten ohne Aufenthalt vorüber und treten in den nach Weſt und Norden zu gelegenen Hinterflügel ein, wo wir noch — auf Anordnung Friedrich Wilhelm IV. vor der nivellirenden Hand des Seminar-Nutz-Baues gerettet — einer zuſammenhängen- den Zimmerreihe aus der Zeit König Friedrichs I. begegnen. (Dar- aus, daß das vorzüglichſte dieſer Zimmer an den vier Ecken des Plafonds mit eben ſo vielen Sternen des Hoſenbandordens geſchmückt iſt, ein Orden, auf deſſen Beſitz König Friedrich I. be- kanntlich einen ganz beſonders hohen Werth legte, würde ſich mit ziemlicher Beſtimmtheit ableiten laſſen, wann dieſe Zimmerreihe überhaupt angelegt wurde.) Es ſind ſechs Zimmer, von denen zu- nächſt zwei durch ihre Ausſchmückung unſer Intereſſe in Anſpruch nehmen. Sie bilden die beiden Grenzpunkte der ganzen Reihe, ſo daß das eine (das kleinere) dem corps de logis, dem großen Mittelpunkt des Schloſſes zu, gelegen iſt, während das andere am äußerſten Ende des Flügels liegt und den Blick ins Freie auf Fluß und Wieſen hat. Das kleinere Zimmer bildete entweder einen

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/249>, abgerufen am 17.05.2024.