Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862.skizzirt, aber doch deutlich genug erkennbar, um ein verständliches, Schloß Oranienburg, wie es jetzt vor uns liegt, zeigt nichts *) Pastor Ballhorn, in seiner trefflichen Geschichte Oranienburgs, hat
dieser architektonischen Skizze im Hintergrunde des großen Bildes eine Beweiskraft beigelegt, die sie wohl kaum besitzt. Pastor B. vermuthet, daß das Bild zwischen 1653 und 1654 gemalt worden sei, was aber unmög- lich ist, da der Holländische Maler, Augustin Terwesten, von dem es her- rührt, erst 1649 geboren wurde. Augustin Terwesten (von 1696 ab Di- rektor der Akademie der Künste) kam 1690 nach Berlin, wohin er, 40 Jahre nach der Gründung Schloß Oranienburgs, durch Kurfürst Fried- rich III. gerufen wurde. Er begann damit, die kurfürstlichen Lustschlösser mit großen Tableaux zu schmücken und da um 1690 Schloß Koepnik be- reits beendet und Schloß Charlottenburg noch nicht angefangen war, so ist es wohl möglich, daß er in den Sälen von Schloß Oranienburg debütirte, das eben damals einem Umbau im großen Styl unterworfen wurde. Da dieser Umbau bereits 1688 begann, so ist es sehr wahrschein- lich, daß Augustin Terwesten das ursprüngliche Schloß, wie es die Kur- fürstin hier entstehen ließ, gar nicht mehr gesehen hat. Dennoch möcht' ich auf diesen Umstand kein allzu bedeutendes Gewicht legen, da es, zwei Jahre nach dem Neu- und Umbau des ursprünglichen Schlosses, allerdings nicht schwer für den Künstler halten konnte, bei Malern und Architekten sichere Auskunft darüber zu erhalten, wie denn eigentlich das Schloß der Oranierin gewesen sei, vorausgesetzt, daß ihm daran gelegen war, über diesen Punkt wirklich zuverlässige Aus- kunft zu empfangen. Es ist aber sehr zweifelhaft, daß ihm daran lag. Denn wir dürfen nicht vergessen, daß er den Moment der Landes- schenkung (1650) bildlich darzustellen hatte, also einen Moment, der dem Schloßbau um vier, mindestens aber um zwei Jahre vorausging. Er konnte sich also in seinem künstlerischen Gewissen nicht im Geringsten ge- drungen fühlen, ein Schloß in historischer Treue darzustellen, das 1650 noch gar nicht existirte, sondern 1654 erst fertig aus der Hand des Baumeisters hervorging. ſkizzirt, aber doch deutlich genug erkennbar, um ein verſtändliches, Schloß Oranienburg, wie es jetzt vor uns liegt, zeigt nichts *) Paſtor Ballhorn, in ſeiner trefflichen Geſchichte Oranienburgs, hat
dieſer architektoniſchen Skizze im Hintergrunde des großen Bildes eine Beweiskraft beigelegt, die ſie wohl kaum beſitzt. Paſtor B. vermuthet, daß das Bild zwiſchen 1653 und 1654 gemalt worden ſei, was aber unmög- lich iſt, da der Holländiſche Maler, Auguſtin Terweſten, von dem es her- rührt, erſt 1649 geboren wurde. Auguſtin Terweſten (von 1696 ab Di- rektor der Akademie der Künſte) kam 1690 nach Berlin, wohin er, 40 Jahre nach der Gründung Schloß Oranienburgs, durch Kurfürſt Fried- rich III. gerufen wurde. Er begann damit, die kurfürſtlichen Luſtſchlöſſer mit großen Tableaux zu ſchmücken und da um 1690 Schloß Koepnik be- reits beendet und Schloß Charlottenburg noch nicht angefangen war, ſo iſt es wohl möglich, daß er in den Sälen von Schloß Oranienburg debütirte, das eben damals einem Umbau im großen Styl unterworfen wurde. Da dieſer Umbau bereits 1688 begann, ſo iſt es ſehr wahrſchein- lich, daß Auguſtin Terweſten das urſprüngliche Schloß, wie es die Kur- fürſtin hier entſtehen ließ, gar nicht mehr geſehen hat. Dennoch möcht’ ich auf dieſen Umſtand kein allzu bedeutendes Gewicht legen, da es, zwei Jahre nach dem Neu- und Umbau des urſprünglichen Schloſſes, allerdings nicht ſchwer für den Künſtler halten konnte, bei Malern und Architekten ſichere Auskunft darüber zu erhalten, wie denn eigentlich das Schloß der Oranierin geweſen ſei, vorausgeſetzt, daß ihm daran gelegen war, über dieſen Punkt wirklich zuverläſſige Aus- kunft zu empfangen. Es iſt aber ſehr zweifelhaft, daß ihm daran lag. Denn wir dürfen nicht vergeſſen, daß er den Moment der Landes- ſchenkung (1650) bildlich darzuſtellen hatte, alſo einen Moment, der dem Schloßbau um vier, mindeſtens aber um zwei Jahre vorausging. Er konnte ſich alſo in ſeinem künſtleriſchen Gewiſſen nicht im Geringſten ge- drungen fühlen, ein Schloß in hiſtoriſcher Treue darzuſtellen, das 1650 noch gar nicht exiſtirte, ſondern 1654 erſt fertig aus der Hand des Baumeiſters hervorging. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0233" n="215"/> ſkizzirt, aber doch deutlich genug erkennbar, um ein verſtändliches,<lb/> anſchauliches Bild zu geben. Dieſe Skizze, deren Details mit<lb/> Frontiſpice und Thürmen ich weiter oben beſchrieben habe, iſt der<lb/> einzige Anhaltepunkt, den wir für die damalige Form von Schloß<lb/> Oranienburg haben, ein Anhaltepunkt, deſſen Stichhaltigkeit aller-<lb/> dings ziemlich gerechtfertigten Bedenken unterliegt. <note place="foot" n="*)">Paſtor Ballhorn, in ſeiner trefflichen Geſchichte Oranienburgs, hat<lb/> dieſer architektoniſchen Skizze im Hintergrunde des großen Bildes eine<lb/> Beweiskraft beigelegt, die ſie wohl kaum beſitzt. Paſtor B. vermuthet, daß<lb/> das Bild zwiſchen 1653 und 1654 gemalt worden ſei, was aber unmög-<lb/> lich iſt, da der Holländiſche Maler, Auguſtin Terweſten, von dem es her-<lb/> rührt, erſt 1649 geboren wurde. Auguſtin Terweſten (von 1696 ab Di-<lb/> rektor der Akademie der Künſte) kam 1690 nach Berlin, wohin er, 40<lb/> Jahre nach der Gründung Schloß Oranienburgs, durch Kurfürſt Fried-<lb/> rich <hi rendition="#aq">III.</hi> gerufen wurde. Er begann damit, die kurfürſtlichen Luſtſchlöſſer<lb/> mit großen Tableaux zu ſchmücken und da um 1690 Schloß Koepnik be-<lb/> reits beendet und Schloß Charlottenburg noch nicht angefangen war, ſo<lb/> iſt es wohl möglich, daß er in den Sälen von Schloß Oranienburg<lb/> debütirte, das eben damals einem Umbau im großen Styl unterworfen<lb/> wurde. Da dieſer Umbau bereits 1688 begann, ſo iſt es ſehr wahrſchein-<lb/> lich, daß Auguſtin Terweſten das urſprüngliche Schloß, wie es die Kur-<lb/> fürſtin hier entſtehen ließ, gar nicht mehr geſehen hat. 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ſkizzirt, aber doch deutlich genug erkennbar, um ein verſtändliches,
anſchauliches Bild zu geben. Dieſe Skizze, deren Details mit
Frontiſpice und Thürmen ich weiter oben beſchrieben habe, iſt der
einzige Anhaltepunkt, den wir für die damalige Form von Schloß
Oranienburg haben, ein Anhaltepunkt, deſſen Stichhaltigkeit aller-
dings ziemlich gerechtfertigten Bedenken unterliegt. *)
Schloß Oranienburg, wie es jetzt vor uns liegt, zeigt nichts
mehr von dem Bau, den ich vorſtehend beſchrieben habe; weder
Frontiſpice noch Säulengänge, weder Altan noch Thürme bieten
*) Paſtor Ballhorn, in ſeiner trefflichen Geſchichte Oranienburgs, hat
dieſer architektoniſchen Skizze im Hintergrunde des großen Bildes eine
Beweiskraft beigelegt, die ſie wohl kaum beſitzt. Paſtor B. vermuthet, daß
das Bild zwiſchen 1653 und 1654 gemalt worden ſei, was aber unmög-
lich iſt, da der Holländiſche Maler, Auguſtin Terweſten, von dem es her-
rührt, erſt 1649 geboren wurde. Auguſtin Terweſten (von 1696 ab Di-
rektor der Akademie der Künſte) kam 1690 nach Berlin, wohin er, 40
Jahre nach der Gründung Schloß Oranienburgs, durch Kurfürſt Fried-
rich III. gerufen wurde. Er begann damit, die kurfürſtlichen Luſtſchlöſſer
mit großen Tableaux zu ſchmücken und da um 1690 Schloß Koepnik be-
reits beendet und Schloß Charlottenburg noch nicht angefangen war, ſo
iſt es wohl möglich, daß er in den Sälen von Schloß Oranienburg
debütirte, das eben damals einem Umbau im großen Styl unterworfen
wurde. Da dieſer Umbau bereits 1688 begann, ſo iſt es ſehr wahrſchein-
lich, daß Auguſtin Terweſten das urſprüngliche Schloß, wie es die Kur-
fürſtin hier entſtehen ließ, gar nicht mehr geſehen hat. Dennoch möcht’
ich auf dieſen Umſtand kein allzu bedeutendes Gewicht legen, da es,
zwei Jahre nach dem Neu- und Umbau des urſprünglichen Schloſſes,
allerdings nicht ſchwer für den Künſtler halten konnte, bei Malern und
Architekten ſichere Auskunft darüber zu erhalten, wie denn eigentlich das
Schloß der Oranierin geweſen ſei, vorausgeſetzt, daß ihm daran
gelegen war, über dieſen Punkt wirklich zuverläſſige Aus-
kunft zu empfangen. Es iſt aber ſehr zweifelhaft, daß ihm daran
lag. Denn wir dürfen nicht vergeſſen, daß er den Moment der Landes-
ſchenkung (1650) bildlich darzuſtellen hatte, alſo einen Moment, der dem
Schloßbau um vier, mindeſtens aber um zwei Jahre vorausging. Er
konnte ſich alſo in ſeinem künſtleriſchen Gewiſſen nicht im Geringſten ge-
drungen fühlen, ein Schloß in hiſtoriſcher Treue darzuſtellen, das
1650 noch gar nicht exiſtirte, ſondern 1654 erſt fertig aus der Hand des
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