lag wie auf einer Insel, die von Gräben und Canälen, deren drei oder vier hier zusammentrafen, gebildet wurde. Sie bestand aus einem Wohnhaus, allerhand Stall- und Wirthschaftsgebäuden, die sich darum gruppirten, und aus einer Reihe von Strohhütten, die sich, etwa 20 an der Zahl, an dem Hauptgraben entlang zogen. Nach flüchtiger Begrüßung des Obermanns schritten wir zunächst diesen Hütten zu. Sie bilden, nebst hunderten ähnlicher Behausun- gen, die sich hier und anderswo im Luche finden, die temporären Wohnplätze für jene Tausende von Arbeitern, die um die Sommer- zeit die Höhendörfer der Umgegend verlassen, um auf etwa vier Monate in's Luch hinabzusteigen und dort beim Torfstechen ein hohes Tagelohn zu verdienen. Die Dörfer, aus denen sie kommen, liegen leider viel zu weit vom Luch entfernt, als daß es den Arbeitern möglich wäre, nach der Hitze und Mühe des Tages auch noch heimzuwandern, und so ist es denn Sitte geworden, zeit- weilige Luchdörfer aufzubauen, eigenthümliche Sommerwohnungen, in denen die Arbeiter die Torf-Saison verbringen. An diese Woh- nungen, so viel deren diese eine Colonie aufweist, treten wir jetzt heran.
Die Hütten stehen, behufs Lüftung, alle auf und gestatten uns einen Einblick. Es sind große, vielleicht 30 Fuß lange Stroh- dächer von verhältnißmäßiger Höhe. An der Giebelseite, wo die Dachluke hingehören würde, befindet sich die Eingangsthür; gegen- über, am andern Ende der Hütte, gewahren wir ein offen stehendes Fensterchen. Zwischen Thür und Fensterchen läuft ein schmaler, tennenartiger Gang, der etwa dem gemeinschaftlichen Hausflur eines Hauses entspricht. An diesen Flur grenzen von jeder Seite vier Wohnungen, d. h. vier niedrige, kaum einen Fuß hohe Hürden oder Einfriedigungen, die mit Stroh bestreut sind und als Schlaf- und Wohnplätze für die Torfarbeiter dienen. Wie viele Personen in solcher Hürde Platz finden, vermag ich nicht bestimmt zu sagen, jedenfalls aber genug, um auch bei Nachtzeit ein Offenstehen von Thür und Fenster als ein dringendes Gebot erscheinen zu lassen. Es war um die Mittagsstunde, und wir fanden ein halbes Dutzend
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lag wie auf einer Inſel, die von Gräben und Canälen, deren drei oder vier hier zuſammentrafen, gebildet wurde. Sie beſtand aus einem Wohnhaus, allerhand Stall- und Wirthſchaftsgebäuden, die ſich darum gruppirten, und aus einer Reihe von Strohhütten, die ſich, etwa 20 an der Zahl, an dem Hauptgraben entlang zogen. Nach flüchtiger Begrüßung des Obermanns ſchritten wir zunächſt dieſen Hütten zu. Sie bilden, nebſt hunderten ähnlicher Behauſun- gen, die ſich hier und anderswo im Luche finden, die temporären Wohnplätze für jene Tauſende von Arbeitern, die um die Sommer- zeit die Höhendörfer der Umgegend verlaſſen, um auf etwa vier Monate in’s Luch hinabzuſteigen und dort beim Torfſtechen ein hohes Tagelohn zu verdienen. Die Dörfer, aus denen ſie kommen, liegen leider viel zu weit vom Luch entfernt, als daß es den Arbeitern möglich wäre, nach der Hitze und Mühe des Tages auch noch heimzuwandern, und ſo iſt es denn Sitte geworden, zeit- weilige Luchdörfer aufzubauen, eigenthümliche Sommerwohnungen, in denen die Arbeiter die Torf-Saiſon verbringen. An dieſe Woh- nungen, ſo viel deren dieſe eine Colonie aufweiſt, treten wir jetzt heran.
Die Hütten ſtehen, behufs Lüftung, alle auf und geſtatten uns einen Einblick. Es ſind große, vielleicht 30 Fuß lange Stroh- dächer von verhältnißmäßiger Höhe. An der Giebelſeite, wo die Dachluke hingehören würde, befindet ſich die Eingangsthür; gegen- über, am andern Ende der Hütte, gewahren wir ein offen ſtehendes Fenſterchen. Zwiſchen Thür und Fenſterchen läuft ein ſchmaler, tennenartiger Gang, der etwa dem gemeinſchaftlichen Hausflur eines Hauſes entſpricht. An dieſen Flur grenzen von jeder Seite vier Wohnungen, d. h. vier niedrige, kaum einen Fuß hohe Hürden oder Einfriedigungen, die mit Stroh beſtreut ſind und als Schlaf- und Wohnplätze für die Torfarbeiter dienen. Wie viele Perſonen in ſolcher Hürde Platz finden, vermag ich nicht beſtimmt zu ſagen, jedenfalls aber genug, um auch bei Nachtzeit ein Offenſtehen von Thür und Fenſter als ein dringendes Gebot erſcheinen zu laſſen. Es war um die Mittagsſtunde, und wir fanden ein halbes Dutzend
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lag wie auf einer Inſel, die von Gräben und Canälen, deren drei
oder vier hier zuſammentrafen, gebildet wurde. Sie beſtand aus
einem Wohnhaus, allerhand Stall- und Wirthſchaftsgebäuden, die
ſich darum gruppirten, und aus einer Reihe von Strohhütten, die
ſich, etwa 20 an der Zahl, an dem Hauptgraben entlang zogen.
Nach flüchtiger Begrüßung des Obermanns ſchritten wir zunächſt
dieſen Hütten zu. Sie bilden, nebſt hunderten ähnlicher Behauſun-
gen, die ſich hier und anderswo im Luche finden, die temporären
Wohnplätze für jene Tauſende von Arbeitern, die um die Sommer-
zeit die Höhendörfer der Umgegend verlaſſen, um auf etwa vier
Monate in’s Luch hinabzuſteigen und dort beim Torfſtechen ein
hohes Tagelohn zu verdienen. Die Dörfer, aus denen ſie kommen,
liegen leider viel zu weit vom Luch entfernt, als daß es den
Arbeitern möglich wäre, nach der Hitze und Mühe des Tages auch
noch heimzuwandern, und ſo iſt es denn Sitte geworden, zeit-
weilige Luchdörfer aufzubauen, eigenthümliche Sommerwohnungen,
in denen die Arbeiter die Torf-Saiſon verbringen. An dieſe Woh-
nungen, ſo viel deren dieſe eine Colonie aufweiſt, treten wir jetzt
heran.
Die Hütten ſtehen, behufs Lüftung, alle auf und geſtatten
uns einen Einblick. Es ſind große, vielleicht 30 Fuß lange Stroh-
dächer von verhältnißmäßiger Höhe. An der Giebelſeite, wo die
Dachluke hingehören würde, befindet ſich die Eingangsthür; gegen-
über, am andern Ende der Hütte, gewahren wir ein offen ſtehendes
Fenſterchen. Zwiſchen Thür und Fenſterchen läuft ein ſchmaler,
tennenartiger Gang, der etwa dem gemeinſchaftlichen Hausflur eines
Hauſes entſpricht. An dieſen Flur grenzen von jeder Seite vier
Wohnungen, d. h. vier niedrige, kaum einen Fuß hohe Hürden
oder Einfriedigungen, die mit Stroh beſtreut ſind und als Schlaf-
und Wohnplätze für die Torfarbeiter dienen. Wie viele Perſonen
in ſolcher Hürde Platz finden, vermag ich nicht beſtimmt zu ſagen,
jedenfalls aber genug, um auch bei Nachtzeit ein Offenſtehen von
Thür und Fenſter als ein dringendes Gebot erſcheinen zu laſſen.
Es war um die Mittagsſtunde, und wir fanden ein halbes Dutzend
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/197>, abgerufen am 27.11.2024.
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