Das Havelländische Luch gehört, wie sein Name bereits angiebt, ganz und gar dem Havellande an, das Rhin-Luch zum größten Theil. Nur alles, was nördlich vom Rhin liegt, darunter vor allem das Wustrauer Luch, gehört noch dem Ruppinschen zu, und eben diesem Wustrauer Luch gilt heute unser Besuch.
Wir beschlossen, vom Hakenberger Kirchhof aus, dessen Hügel- kuppe einen weiten Umblick gestattet, in's Wustrausche Luch hinabzusteigen und dasselbe, in nördlicher Richtung, bis zu dem reichen Dorfe Langen, eine halbe Meile von Wustrau, zu durch- schneiden. Fußwanderung und Kahnfahrt sollten unter einander abwechseln.
Wir begannen mit einem kurzen Marsch bis zur nächsten "Factorei." Es war ein heißer Tag und der blaue Himmel fing an, kleine grauweiße Wölkchen zu zeigen, die immer nur verschwan- den, um an anderer Stelle wiederzukehren. Auf einem schmalen Damm, der wenig mehr als die Breite eines Wagens haben mochte, schritten wir hin. Alles mahnte an Torf. Ein feiner, schnupftabakfarbener Staub umwirbelte uns; schwarze undurchsich- tige Lache stand in den Gräben; die weite grüne Rasenfläche dehnte sich rechts und links, nur von Torfpyramiden unterbrochen; ja selbst die kümmerlichen Sträucher, darunter Ginster und Besen- kraut, sahen aus, als hätten sie sich gehorsamst in die Farben ihrer Herrschaft gekleidet. Das Ganze machte den Eindruck eines plötzlich an's Licht geförderten Bergwerks, und ehe zehn Minuten um waren, sahen wir aus wie die Veteranen einer Knappschaft.
Wir mochten eine halbe Stunde gewandert sein, als wir bei der "Factorei" ankamen, deren rothe Dächer wir lange vor uns gehabt hatten, ohne sie erreichen zu können. Ich weiß nicht, ob diese Etablissements, deren wohl zehn oder zwölf im Wustrauer und Linum'schen Luche sein mögen, wirklich den Namen Factoreien führen, oder ob sie sich noch immer mit der alten Bezeichnung Torfhütte behelfen müssen. Jedenfalls sind es "Factoreien" und drückt dieses Wort am besten die Art und Weise einer solchen Luch-Colonie aus. Die Factorei, vor der wir uns jetzt befanden,
Das Havelländiſche Luch gehört, wie ſein Name bereits angiebt, ganz und gar dem Havellande an, das Rhin-Luch zum größten Theil. Nur alles, was nördlich vom Rhin liegt, darunter vor allem das Wuſtrauer Luch, gehört noch dem Ruppinſchen zu, und eben dieſem Wuſtrauer Luch gilt heute unſer Beſuch.
Wir beſchloſſen, vom Hakenberger Kirchhof aus, deſſen Hügel- kuppe einen weiten Umblick geſtattet, in’s Wuſtrauſche Luch hinabzuſteigen und daſſelbe, in nördlicher Richtung, bis zu dem reichen Dorfe Langen, eine halbe Meile von Wuſtrau, zu durch- ſchneiden. Fußwanderung und Kahnfahrt ſollten unter einander abwechſeln.
Wir begannen mit einem kurzen Marſch bis zur nächſten „Factorei.“ Es war ein heißer Tag und der blaue Himmel fing an, kleine grauweiße Wölkchen zu zeigen, die immer nur verſchwan- den, um an anderer Stelle wiederzukehren. Auf einem ſchmalen Damm, der wenig mehr als die Breite eines Wagens haben mochte, ſchritten wir hin. Alles mahnte an Torf. Ein feiner, ſchnupftabakfarbener Staub umwirbelte uns; ſchwarze undurchſich- tige Lache ſtand in den Gräben; die weite grüne Raſenfläche dehnte ſich rechts und links, nur von Torfpyramiden unterbrochen; ja ſelbſt die kümmerlichen Sträucher, darunter Ginſter und Beſen- kraut, ſahen aus, als hätten ſie ſich gehorſamſt in die Farben ihrer Herrſchaft gekleidet. Das Ganze machte den Eindruck eines plötzlich an’s Licht geförderten Bergwerks, und ehe zehn Minuten um waren, ſahen wir aus wie die Veteranen einer Knappſchaft.
Wir mochten eine halbe Stunde gewandert ſein, als wir bei der „Factorei“ ankamen, deren rothe Dächer wir lange vor uns gehabt hatten, ohne ſie erreichen zu können. Ich weiß nicht, ob dieſe Etabliſſements, deren wohl zehn oder zwölf im Wuſtrauer und Linum’ſchen Luche ſein mögen, wirklich den Namen Factoreien führen, oder ob ſie ſich noch immer mit der alten Bezeichnung Torfhütte behelfen müſſen. Jedenfalls ſind es „Factoreien“ und drückt dieſes Wort am beſten die Art und Weiſe einer ſolchen Luch-Colonie aus. Die Factorei, vor der wir uns jetzt befanden,
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Das Havelländiſche Luch gehört, wie ſein Name bereits
angiebt, ganz und gar dem Havellande an, das Rhin-Luch zum
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vor allem das Wuſtrauer Luch, gehört noch dem Ruppinſchen
zu, und eben dieſem Wuſtrauer Luch gilt heute unſer Beſuch.
Wir beſchloſſen, vom Hakenberger Kirchhof aus, deſſen Hügel-
kuppe einen weiten Umblick geſtattet, in’s Wuſtrauſche Luch
hinabzuſteigen und daſſelbe, in nördlicher Richtung, bis zu dem
reichen Dorfe Langen, eine halbe Meile von Wuſtrau, zu durch-
ſchneiden. Fußwanderung und Kahnfahrt ſollten unter einander
abwechſeln.
Wir begannen mit einem kurzen Marſch bis zur nächſten
„Factorei.“ Es war ein heißer Tag und der blaue Himmel fing
an, kleine grauweiße Wölkchen zu zeigen, die immer nur verſchwan-
den, um an anderer Stelle wiederzukehren. Auf einem ſchmalen
Damm, der wenig mehr als die Breite eines Wagens haben
mochte, ſchritten wir hin. Alles mahnte an Torf. Ein feiner,
ſchnupftabakfarbener Staub umwirbelte uns; ſchwarze undurchſich-
tige Lache ſtand in den Gräben; die weite grüne Raſenfläche dehnte
ſich rechts und links, nur von Torfpyramiden unterbrochen; ja
ſelbſt die kümmerlichen Sträucher, darunter Ginſter und Beſen-
kraut, ſahen aus, als hätten ſie ſich gehorſamſt in die Farben
ihrer Herrſchaft gekleidet. Das Ganze machte den Eindruck eines
plötzlich an’s Licht geförderten Bergwerks, und ehe zehn Minuten
um waren, ſahen wir aus wie die Veteranen einer Knappſchaft.
Wir mochten eine halbe Stunde gewandert ſein, als wir bei
der „Factorei“ ankamen, deren rothe Dächer wir lange vor uns
gehabt hatten, ohne ſie erreichen zu können. Ich weiß nicht, ob
dieſe Etabliſſements, deren wohl zehn oder zwölf im Wuſtrauer
und Linum’ſchen Luche ſein mögen, wirklich den Namen Factoreien
führen, oder ob ſie ſich noch immer mit der alten Bezeichnung
Torfhütte behelfen müſſen. Jedenfalls ſind es „Factoreien“ und
drückt dieſes Wort am beſten die Art und Weiſe einer ſolchen
Luch-Colonie aus. Die Factorei, vor der wir uns jetzt befanden,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/196>, abgerufen am 27.11.2024.
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