wurden ignorirt oder abgewiesen und im Sommer desselben Jahres begannen die Arbeiten. Im Mai 1719 waren schon über 1000 Arbeiter beschäftigt und der König betrieb die Canalisirung des Luch's mit solchem Eifer, daß ihm selbst seine vielgeliebten Soldaten nicht zu gut dünkten, um mit Hand anzulegen. Zweihundert Gre- nadiere, unter Leitung von zwanzig Unteroffizieren, waren hier in der glücklichen Lage, ihren Sold durch Tagelohn erhöhen zu kön- nen. Im Jahre 1720 war die Hauptarbeit bereits gethan, aber noch fünf Jahre lang wurde an der völligen Trockenlegung des Luch's gearbeitet. Nebengräben wurden gezogen, Brücken und Stau-Schleusen angelegt, Dämme gebaut und an allen trocken gelegten Stellen das Holz- und Strauchwerk ausgerodet. Die Arbeiten waren zum großen Theil unter Anleitung holländischer Werkführer und nach holländischen Plänen vor sich gegangen. Dies mochte den Wunsch in dem König anregen, mit Hülfe der 'mal vorhandenen Arbeitskräfte, aus dem ehemaligen Sumpf- und Seelande überhaupt eine reiche, fruchtbare Colonie zu machen. Der Plan wurde ausgeführt und das "Amt Königshorst" entstand an dem Nordrande des kreisförmigen Havelländischen Luch's, ohn- gefähr da, wo das vom Rhin-Luch abzweigende Verbindungsstück in das Havelländische Luch einmündet. Die Fruchtbarkeit freilich, die dem eben gewonnenen Grund und Boden von Natur aus ab- ging, hat kein Königlicher Erlaß ihm geben können; aber in allem andern hat der "Soldatenkönig" seinen Willen glücklich durchgeführt: Königshorst mit seinen platten, unabsehbaren Grasflächen, seinen Gräben, Deichen und Alleen, erinnert durchaus an die hollän- dischen Landschaften des Rhein-Delta. Hier wie dort ist die grüne Ebene der Wiesen und Weiden belebt von Viehheerden, die hier gemischter Race sind: Schweizer, Holländer, Oldenburger und Hol- steiner.
Die Gewinnung guter Milch und Butter war von Anfang an ein Hauptzweck gewesen, und es wurde demgemäß eine förm- liche Lehr-Anstalt für die Kunst des Butterns und Käsemachens eingerichtet, wohin die Beamten der Kurmärkischen Aemter eine
wurden ignorirt oder abgewieſen und im Sommer deſſelben Jahres begannen die Arbeiten. Im Mai 1719 waren ſchon über 1000 Arbeiter beſchäftigt und der König betrieb die Canaliſirung des Luch’s mit ſolchem Eifer, daß ihm ſelbſt ſeine vielgeliebten Soldaten nicht zu gut dünkten, um mit Hand anzulegen. Zweihundert Gre- nadiere, unter Leitung von zwanzig Unteroffizieren, waren hier in der glücklichen Lage, ihren Sold durch Tagelohn erhöhen zu kön- nen. Im Jahre 1720 war die Hauptarbeit bereits gethan, aber noch fünf Jahre lang wurde an der völligen Trockenlegung des Luch’s gearbeitet. Nebengräben wurden gezogen, Brücken und Stau-Schleuſen angelegt, Dämme gebaut und an allen trocken gelegten Stellen das Holz- und Strauchwerk ausgerodet. Die Arbeiten waren zum großen Theil unter Anleitung holländiſcher Werkführer und nach holländiſchen Plänen vor ſich gegangen. Dies mochte den Wunſch in dem König anregen, mit Hülfe der ’mal vorhandenen Arbeitskräfte, aus dem ehemaligen Sumpf- und Seelande überhaupt eine reiche, fruchtbare Colonie zu machen. Der Plan wurde ausgeführt und das „Amt Königshorſt“ entſtand an dem Nordrande des kreisförmigen Havelländiſchen Luch’s, ohn- gefähr da, wo das vom Rhin-Luch abzweigende Verbindungsſtück in das Havelländiſche Luch einmündet. Die Fruchtbarkeit freilich, die dem eben gewonnenen Grund und Boden von Natur aus ab- ging, hat kein Königlicher Erlaß ihm geben können; aber in allem andern hat der „Soldatenkönig“ ſeinen Willen glücklich durchgeführt: Königshorſt mit ſeinen platten, unabſehbaren Grasflächen, ſeinen Gräben, Deichen und Alleen, erinnert durchaus an die hollän- diſchen Landſchaften des Rhein-Delta. Hier wie dort iſt die grüne Ebene der Wieſen und Weiden belebt von Viehheerden, die hier gemiſchter Raçe ſind: Schweizer, Holländer, Oldenburger und Hol- ſteiner.
Die Gewinnung guter Milch und Butter war von Anfang an ein Hauptzweck geweſen, und es wurde demgemäß eine förm- liche Lehr-Anſtalt für die Kunſt des Butterns und Käſemachens eingerichtet, wohin die Beamten der Kurmärkiſchen Aemter eine
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wurden ignorirt oder abgewieſen und im Sommer deſſelben Jahres
begannen die Arbeiten. Im Mai 1719 waren ſchon über 1000
Arbeiter beſchäftigt und der König betrieb die Canaliſirung des
Luch’s mit ſolchem Eifer, daß ihm ſelbſt ſeine vielgeliebten Soldaten
nicht zu gut dünkten, um mit Hand anzulegen. Zweihundert Gre-
nadiere, unter Leitung von zwanzig Unteroffizieren, waren hier in
der glücklichen Lage, ihren Sold durch Tagelohn erhöhen zu kön-
nen. Im Jahre 1720 war die Hauptarbeit bereits gethan, aber
noch fünf Jahre lang wurde an der völligen Trockenlegung
des Luch’s gearbeitet. Nebengräben wurden gezogen, Brücken und
Stau-Schleuſen angelegt, Dämme gebaut und an allen trocken
gelegten Stellen das Holz- und Strauchwerk ausgerodet. Die
Arbeiten waren zum großen Theil unter Anleitung holländiſcher
Werkführer und nach holländiſchen Plänen vor ſich gegangen.
Dies mochte den Wunſch in dem König anregen, mit Hülfe der
’mal vorhandenen Arbeitskräfte, aus dem ehemaligen Sumpf- und
Seelande überhaupt eine reiche, fruchtbare Colonie zu machen.
Der Plan wurde ausgeführt und das „Amt Königshorſt“ entſtand
an dem Nordrande des kreisförmigen Havelländiſchen Luch’s, ohn-
gefähr da, wo das vom Rhin-Luch abzweigende Verbindungsſtück
in das Havelländiſche Luch einmündet. Die Fruchtbarkeit freilich,
die dem eben gewonnenen Grund und Boden von Natur aus ab-
ging, hat kein Königlicher Erlaß ihm geben können; aber in allem
andern hat der „Soldatenkönig“ ſeinen Willen glücklich durchgeführt:
Königshorſt mit ſeinen platten, unabſehbaren Grasflächen, ſeinen
Gräben, Deichen und Alleen, erinnert durchaus an die hollän-
diſchen Landſchaften des Rhein-Delta. Hier wie dort iſt die grüne
Ebene der Wieſen und Weiden belebt von Viehheerden, die hier
gemiſchter Raçe ſind: Schweizer, Holländer, Oldenburger und Hol-
ſteiner.
Die Gewinnung guter Milch und Butter war von Anfang
an ein Hauptzweck geweſen, und es wurde demgemäß eine förm-
liche Lehr-Anſtalt für die Kunſt des Butterns und Käſemachens
eingerichtet, wohin die Beamten der Kurmärkiſchen Aemter eine
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der erste Band "Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow" 1862 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. [Bd. 1: Die Grafschaft Ruppin. Der Barnim. Der Teltow]. Berlin, 1862, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg01_1862/194>, abgerufen am 27.11.2024.
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