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[Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802.

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darbot, und des kurzen Umweges nicht ach-
tete. Und wenn auch die Thore bei mei-
ner Ankunft schon geschlossen wären, sagte
er zu sich selbst: so kann ich ja auf dem
Landhause meines Freundes die Nacht zu-
bringen; ihn wird die Erzählung meiner
Abentheuer höchlich ergötzen. Mit diesem
Entschlusse ging er gemächlich weiter, und
es kümmerte ihn wenig, daß der Abend
immer mehr seinen grauen Mantel über
die Erde breitete; aber wie groß war sein
Erstaunen, als der Wald, in welchem er
jeden Fußsteig kannte, dichter und dunkler
wurde, und alle Pfade vor ihm abgeschnit-
ten waren. Er blickte zurück, um den
Weg wieder einzuschlagen, der ihn herein-
geführt hatte, und auch hier sah er nichts
als dichtes Gesträuch und umhergeworfene
Felsentrümmer, die keinen Ausgang zeigten.

Befremdet blieb Takeddin einige Augen-

blicke

darbot, und des kurzen Umweges nicht ach-
tete. Und wenn auch die Thore bei mei-
ner Ankunft ſchon geſchloſſen waͤren, ſagte
er zu ſich ſelbſt: ſo kann ich ja auf dem
Landhauſe meines Freundes die Nacht zu-
bringen; ihn wird die Erzaͤhlung meiner
Abentheuer hoͤchlich ergoͤtzen. Mit dieſem
Entſchluſſe ging er gemaͤchlich weiter, und
es kuͤmmerte ihn wenig, daß der Abend
immer mehr ſeinen grauen Mantel uͤber
die Erde breitete; aber wie groß war ſein
Erſtaunen, als der Wald, in welchem er
jeden Fußſteig kannte, dichter und dunkler
wurde, und alle Pfade vor ihm abgeſchnit-
ten waren. Er blickte zuruͤck, um den
Weg wieder einzuſchlagen, der ihn herein-
gefuͤhrt hatte, und auch hier ſah er nichts
als dichtes Geſtraͤuch und umhergeworfene
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Befremdet blieb Takeddin einige Augen-

blicke
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[144/0148] darbot, und des kurzen Umweges nicht ach- tete. Und wenn auch die Thore bei mei- ner Ankunft ſchon geſchloſſen waͤren, ſagte er zu ſich ſelbſt: ſo kann ich ja auf dem Landhauſe meines Freundes die Nacht zu- bringen; ihn wird die Erzaͤhlung meiner Abentheuer hoͤchlich ergoͤtzen. Mit dieſem Entſchluſſe ging er gemaͤchlich weiter, und es kuͤmmerte ihn wenig, daß der Abend immer mehr ſeinen grauen Mantel uͤber die Erde breitete; aber wie groß war ſein Erſtaunen, als der Wald, in welchem er jeden Fußſteig kannte, dichter und dunkler wurde, und alle Pfade vor ihm abgeſchnit- ten waren. Er blickte zuruͤck, um den Weg wieder einzuſchlagen, der ihn herein- gefuͤhrt hatte, und auch hier ſah er nichts als dichtes Geſtraͤuch und umhergeworfene Felſentruͤmmer, die keinen Ausgang zeigten. Befremdet blieb Takeddin einige Augen- blicke

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Zitationshilfe: [Fischer, Caroline Auguste]: Mährchen, In: Journal der Romane. St. 10. Berlin, 1802, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fischer_maehrchen_1802/148>, abgerufen am 25.11.2024.